Die äußerst umstrittene Abgrenzung zwischen Rohtabak und Rauchtabak beschäftigt die Gerichte weiterhin. Hintergrund ist, dass nur Rauchtabak die Tabaksteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG auslöst. Rauchtabak ist laut dem Tabaksteuergesetz geschnittener oder anders zerkleinerter oder gesponnener oder in Platten gepresster Tabak, der sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet.
Wann nur Rohtabak und wann tatsächlich schon Rauchtabak vorliegt, wird von Gerichten und Behörden teils uneinheitlich beurteilt. Besonders der deutsche Zoll wendet unserer Erfahrung nach eine (zu) strenge Auslegung an und stuft faktisch nahezu alle Tabakwaren als steuerpflichtigen Rauchtabak ein – nicht steuerpflichtiger Rohtabak wäre kaum noch vorhanden, wenn man der Rechtsauffassung des Zolls folgen würde.
Feststellungen zum Feuchtegehalt durch Gerichte und Behörden notwendig
Einen kleinen Lichtblick für Tabakhändler und Shishabarbetreiber lieferte der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Beschluss vom 01.04.2020 (Aktenzeichen: 1 StR 5/20). Im zugrundeliegenden Fall hatte der Zoll beim Händler Wasserpfeifentabak mit der Begründung beschlagnahmt, es handele sich dabei um steuerbaren Rauchtabak.
Bei Wasserpfeifentabak sei bezüglich des Merkmals „ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen geeignet“ gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) auch darauf abzustellen, ob die Tabakblätter einen ersten Trocknungsprozess durchlaufen haben und anschließend kontrolliert feucht gehalten wurden. Ob der angeklagte Tabakhändler den Tabak feucht gehalten hat, habe die Vorinstanz nicht geprüft. Insbesondere hätte die Vorinstanz ausschließen müssen, dass es sich bei der im Tabak festgestellten Restfeuchtigkeit von ca. 20 % um restliche natürliche Feuchtigkeit der Tabakblätter und nicht um hinzugefügte Feuchthaltemittel wie Glycerin handelte. Ebenso konnte nicht nachgewiesen werden, wie hoch der Anteil an Feuchthaltemitteln in den beim angeklagten Händler durch das Hauptzollamt (HZA) im Rahmen von Testkäufen erworbenen Tabaks war.
Feuchthalten stellt notwendige industrielle Bearbeitung dar
Aufgrund dieser Fehler der Vorinstanz sah der BGH das Merkmal des kontrollierten Feuchthaltens als nicht erfüllt an. Der vom Zoll beschlagnahmte Tabak sei daher „nicht ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen geeignet“. Er sei deswegen nicht als steuerpflichtiger Rauchtabak einzustufen. Glück für den Angeklagten, denn noch einmal dürfte sich ein solcher Fehler nach diesem Urteil nicht ereignen.
Kein Freibrief für Händler von Wasserpfeifentabak
Das Merkmal „ohne weitere industrielle Bearbeitung“ ist allerdings im Rahmen einer Gesamtbewertung zu betrachten, in die viele Einzelumstände miteinfließen. So können laut dem EuGH auch Tabakblätter, obgleich sich diese in ihrem unverarbeiteten Zustand nicht zum Rauchen eignen, dennoch als steuerpflichtiger Rauchtabak eingestuft werden, wenn sie durch „leicht durchführbare Vorgänge“ rauchbar gemacht werden können. Gerade bei Wasserpfeifentabak dürfte das kontrollierte Feuchthalten z.B. durch Zufügen von Glycerin ein starkes Indiz für das Vorliegen von Rauchtabak sein.
Zoll wird im Zweifel Tabak weiterhin beschlagnahmen
Die Zollbehörden dürften sich durch den Beschluss des BGH wohl nicht beeindrucken lassen. Für Tabakhändler liefert die Entscheidung aber ein neues Argument, um sich gegen unrechtmäßige Beschlagnahmen ihrer Tabakwaren als steuerpflichtiger Rauchtabak durch den Zoll zur Wehr zu setzen. In der Regel werden nämlich
- die Verkäufer,
- die Käufer,
- die Speditionen und
- der Fahrer
als Gesamtschuldner für hohe Tabaksteuernachforderungen vom Zoll herangezogen. Gerade in Strafverfahren, die in aller Regel ebenfalls eingeleitet werden, kann das BGH-Urteil eine Hilfe sein, um den Tatvorwurf zu entkräften.
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Tags: Tabaksteuer