Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass unter den gemeinnützigen Zweck „Förderung von Verbraucherberatung und Verbraucherschutz“ (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 16 AO) auch die Einzelberatung von Verbrauchern fällt. NPOs können die Einnahmen aus der individuellen Beratung von Verbrauchern daher künftig – sofern weitere Voraussetzungen erfüllt sind – dem ertragsteuerfreien Zweckbetrieb zuordnen.
NPO bietet individuelle Versicherungsvergleiche an
In dem Fall vor dem BFH ging es um eine gemeinnützige Organisation, deren Satzungszweck die Förderung des Verbraucherschutzes war. Um diesen Zweck zu verwirklichen, führte sie Vergleichsuntersuchungen von Waren und Dienstleistungen – insbesondere Versicherungen – durch und veröffentlichte die Ergebnisse in einer eigenen Zeitschrift und auf ihrer Website. Um die Versicherungen besser miteinander vergleichen zu können, definierte die NPO verschiedene Musterfälle, anhand deren die jeweiligen Versicherungen verglichen wurden.
Zusätzlich bot sie für interessierte Verbraucher einen individuellen Versicherungsvergleich gegen Entgelt an. Einen Gewinn erzielte die NPO damit nicht, stattdessen erwirtschaftete sie bei Umsätzen von rund 100.000 Euro einen Verlust von 70.000 Euro.
Ob die Umsätze des Zweckbetriebes in diesem Fall mit dem ermäßigten oder Regelsteuersatz besteuert werden, haben wir im Beitrag „Individueller Verbraucherschutz: Ermäßigter oder Regelsteuersatz?“ näher beleuchtet.
Finanzamt: Einnahmen sind steuerpflichtig
Während die NPO die Einnahmen aus den individuellen Versicherungsvergleichen ihrem Zweckbetrieb zuordnete, war das Finanzamt gegenteiliger Ansicht und ordnete sie dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu. Dagegen klagte die NPO erfolgreich vor dem Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg. Die NPO habe die Einnahmen, so das Gericht, zu Recht dem Zweckbetrieb zugeordnet.
Die Erstellung der individuellen Versicherungsvergleiche begründe einen Zweckbetrieb, da die Voraussetzungen des § 65 der Abgabenordnung (AO) erfüllt seien:
- So diene die Erstellung der Versicherungsvergleiche erstens dazu, dass die NPO ihren Satzungszweck „Förderung des Verbraucherschutzes“ verwirklichen könne.
- Zweitens dürfe sie ihren Satzungszweck allein durch die Erstellung dieser Vergleiche verwirklichen.
- Drittens trete die NPO zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nur insoweit in Wettbewerb, als es bei Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks unvermeidbar sei.
BFH: Individuelle Verbraucherberatung ist gemeinnützig
Das Finanzamt wollte die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg nicht akzeptieren und legte Revision beim BFH ein – allerdings ohne Erfolg. Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Revision des Finanzamtes ab. Zunächst stellte der BFH klar, dass unter den gemeinnützigen Zweck „Förderung von Verbraucherberatung und Verbraucherschutz“ auch die individuelle Beratung von Verbrauchern falle – sofern sich das Angebot der individuellen Beratung an einen offenen Personenkreis und damit an die Allgemeinheit richte.
Die Arbeit der NPO erfülle diese Voraussetzung: Denn sie bot allen ihren Lesern und damit einem unbegrenzten Personenkreis, und beispielsweise nicht nur ihren Mitgliedern, die Erstellung eines individuellen Versicherungsvergleichs an. Somit konnte die NPO ihren Satzungszweck „Förderung des Verbraucherschutzes“ durch die Erstellung von individuellen Versicherungsvergleichen verwirklichen, so das Gericht.
Einnahmen gehören zum Zweckbetrieb
Die NPO habe mit ihrer Arbeit einen Zweckbetrieb begründet, sodass die Einnahmen aus der Erstellung der Vergleiche von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit seien. Denn die Erstellung der individuellen Versicherungsvergleiche stelle eine individuelle Beratung von einzelnen Verbrauchern dar, sodass die NPO hiermit ihren Satzungszweck „Förderung des Verbraucherschutzes“ verwirkliche.
Außerdem sei die Erstellung der Vergleiche das einzige Mittel für die Zweckverwirklichung: Denn ein effektiver Versicherungs- und damit Verbraucherschutz sei nur möglich, sofern eine individuelle Versicherungsanalyse vorgenommen werde, die die individuellen Verhältnisse des Verbrauchers berücksichtige. Dagegen könnten die veröffentlichten Musterfälle den Verbrauchern nur einen generellen Marktüberblick geben.
Kein unverhältnismäßiger Wettbewerb zu steuerpflichtigen Betrieben
Eine steuerliche Begünstigung der Arbeit der NPO beeinträchtige auch nicht unverhältnismäßig den Wettbewerb zu steuerpflichtigen Betrieben wie z.B. Versicherungsportalen, -maklern und -beratern. Zwar erstellen Versicherungsportale und -makler ebenfalls individuelle Versicherungsanalysen, allerdings bieten sie diese unentgeltlich an mit dem Zweck, den Verbraucher zum Abschluss eines Versicherungsvertrags zu bewegen und hierfür eine Provision zu erhalten.
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Im Unterschied dazu bieten die Vergleiche der NPO den Verbrauchern nur einen unabhängigen Marktüberblick und zielen nicht auf den Abschluss eines Versicherungsvertrages ab. Lediglich die Arbeit eines unabhängigen Versicherungsberaters könne mit der Arbeit der NPO verglichen werden, da dieser ebenfalls gegen Entgelt tätig werde und seine Kunden unabhängig berate. Somit konkurriere die NPO nur in einem eingeschränkten Umfang mit Versicherungsportalen, -maklern und -beratern.
Diese Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die steuerliche Begünstigung der NPO, so der BFH, sei zudem nicht unverhältnismäßig: Denn aufgrund der Marktmacht der Versicherungsportale sei ein unabhängiger Versicherungsvergleich für einen effektiven Verbraucherschutz unerlässlich. Diese Aufgabe könne nicht von unabhängigen Versicherungsberatern übernommen werden, da die Erhebung der Daten für sie zu aufwendig und unrentabel sei.
Beratung zu den vier Sphären der Gemeinnützigkeit
Dieser Fall zeigt erneut, wie kompliziert die richtige Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben zu den vier Sphären einer NPO sein kann – und welche Konsequenzen bei einer falschen Zuordnung drohen können. Wenn auch Sie unsicher sind, ob Ihre Einnahmen und Ausgaben korrekt den buchhalterischen Sphären zugeordnet sind, sprechen Sie uns gerne an.
BFH, Urteil v. 26.08.2021 – V R 5/19
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