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Individueller Verbraucherschutz: Ermäßigter oder Regelsteuersatz?

Individueller Verbraucherschutz: Ermäßigter oder Regelsteuersatz?


Im Ertragsteuerrecht ist die steuerliche Behandlung von Zweckbetrieben klar: Liegt ein Zweckbetrieb im Sinne des § 65 der Abgabenordnung (AO) vor, so sind dessen Einnahmen von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit. Anders dagegen ist die Rechtslage im Umsatzsteuerrecht: Während die Finanzverwaltung bisher noch die Auffassung vertritt, dass ein Zweckbetrieb gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alt. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf seine Umsätze automatisch den ermäßigten Umsatzsteuersatz anwenden könne, vertritt der BFH eine weitaus strengere Auffassung und lässt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nur in wenigen Fällen zu. Seine Rechtsprechung hat der BFH in seiner Entscheidung vom 26.08.2021 erneut bestätigt.

NPO bietet individuelle Versicherungsvergleiche an

Zur Erinnerung: In dem Fall vor dem BFH ging es um eine gemeinnützige Organisation, deren Satzungszweck die Förderung des Verbraucherschutzes war. Um diesen Zweck zu verwirklichen, führte sie Vergleichsuntersuchungen von Waren und Dienstleistungen – insbesondere Versicherungen – durch und veröffentlichte die Ergebnisse in einer eigenen Zeitschrift und auf ihrer Website. Um die Versicherungen besser miteinander vergleichen zu können, definierte die NPO verschiedene Musterfälle, anhand deren die jeweiligen Versicherungen verglichen wurden. Zusätzlich bot sie für interessierte Verbraucher einen individuellen Versicherungsvergleich gegen Entgelt an. Einen Gewinn erzielte die NPO damit nicht, stattdessen erwirtschaftete sie bei Umsätzen von rund 100.000 Euro einen Verlust von 70.000 Euro.

Die Einordnung der Einnahmen aus den individuellen Versicherungsvergleichen in Zweckbetrieb oder wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb haben wir im Beitrag „Individueller Verbraucherschutz: Zweckbetrieb oder wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb?“ näher beleuchtet.

Finanzamt: Einnahmen sind steuerpflichtig

Während die NPO die Einnahmen aus den individuellen Versicherungsvergleichen ihrem Zweckbetrieb zuordnete und ihre Umsätze somit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent unterwarf, war das Finanzamt gegenteiliger Ansicht und ordnete sie dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu. Dagegen klagte die NPO erfolgreich vor dem Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg.

Die NPO habe die Einnahmen, so das Gericht, zu Recht dem Zweckbetrieb zugeordnet und ihre Umsätze zu Recht dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent unterworfen. Die Erstellung der individuellen Versicherungsvergleiche begründe einen Zweckbetrieb, da die Voraussetzungen des § 65 der Abgabenordnung (AO) erfüllt seien. Ferner diene der Zweckbetrieb nicht vordergründig der Erzielung zusätzlicher Einnahmen, sondern in erster Linie der Verwirklichung des Satzungszwecks der NPO. Die Erzielung zusätzlicher Einnahmen stehe schon deswegen nicht im Vordergrund, weil der Zweckbetrieb einen Verlust erwirtschaftet habe.

BFH: Zweckbetriebseigenschaft allein nicht ausreichend

Das Finanzamt wollte die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg nicht akzeptieren und legte Revision beim BFH ein – mit Erfolg. Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und entschied, dass das Finanzamt die Umsätze der NPO zu Recht dem Regelsteuersatz unterworfen habe. Denn aus der Zweckbetriebseigenschaft gemäß § 65 AO folge nicht – wie es die Finanzverwaltung vertritt – die uneingeschränkte Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 Prozent, so das Gericht.

Die NPO dürfe die Umsätze ihres Zweckbetriebes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alt. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nur dann dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterwerfen, sofern ihr Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen diene und sie durch diese Umsätze nicht in unmittelbaren Wettbewerb mit vergleichbaren Leistungen ihrer umsatzsteuerpflichtigen Konkurrenten trete.

Keine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes

Diese Voraussetzungen, so der BFH, habe der Zweckbetrieb der NPO nicht erfüllt. So diene der Zweckbetrieb der Erzielung zusätzlicher Einnahmen, da die Erstellung der individuellen Versicherungsvergleiche gegen Entgelt den einzigen Tätigkeitsgegenstand des Zweckbetriebs darstelle. Dass der Zweckbetrieb keine Gewinne, sondern nur Verluste erwirtschaftet hat, sei unerheblich, so das Gericht. Denn laut dem Wortlaut des Gesetzes komme es nur auf die Erzielung von zusätzlichen Einnahmen (rund 100.000 Euro) und somit nicht von Gewinnen an.

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Außerdem konkurriere der Zweckbetrieb mit seinen individuellen Versicherungsanalysen mit den Leistungen von Versicherungsportalen, Versicherungsmaklern und insbesondere von unabhängigen Versicherungsberatern, da diese ebenfalls gegen Entgelt tätig werden und ihre Kunden unabhängig beraten. Dass dieser Wettbewerb für die Verwirklichung des Satzungszweckes „Förderung des Verbraucherschutzes“ unvermeidbar war, sei nur für ertragsteuerliche, jedoch nicht für umsatzsteuerliche Zwecke relevant.

Keine Steuerbefreiung nach Unionsrecht

Die Leistungen des Zweckbetriebes seien auch nicht nach Unionsrecht begünstigt. Bei der NPO handle es sich nicht um eine Einrichtung, die für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig ist. Denn sie erbringe ihre Leistungen nicht nur an sozial oder körperlich hilfsbedürftige Empfänger, sondern biete ihre Leistungen der allgemeinen Bevölkerung an.

Umsatzsteuerliche Einordnung oft komplex

Das Urteil zeigt wieder einmal, dass die umsatzsteuerrechtliche Bewertung eines Sachverhalts stets von anderen Steuerrechtsfragen getrennt vorzunehmen ist. Selbst wenn im Rahmen der Körperschaft- und Gewerbesteuer der Betrieb einer NPO als steuerbegünstigter Zweckbetrieb einzuordnen ist, müssen umsatzsteuerrechtlich – sofern die NPO mit gewerblichen Betrieben in Wettbewerb tritt – die vollen 19 Prozent berechnet werden.

Mit diesem Urteil hat sich der BFH zudem erneut gegen die Auffassung der Finanzverwaltung gestellt. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Finanzverwaltung ihre bisherige Auffassung aufgeben und sich der Auffassung des BFH anschließen wird. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Weiterlesen:
Individueller Verbraucherschutz: Zweckbetrieb oder wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb?
19 oder 7 Prozent? Regelsteuersatz vs. ermäßigter Steuersatz

Katharina von Campenhausen

Rechtsanwältin und Steuerberaterin Katharina von Campenhausen ist als Of Counsel für unsere Kanzlei tätig. Vom Standort Berlin aus berät sie bundesweit gemeinnützige Körperschaften in allen Fragen des Gemeinnützigkeitsrechts und des Steuerrechts.

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