Mit der Verbandsklagebefugnis werden Organisationen in die Lage versetzt, Rechtsgüter der Allgemeinheit, wie z.B. die Natur oder den Umweltschutz effektiv zu schützen. Die Verbandsklagebefugnis erhalten die Organisationen jedoch nicht automatisch, sondern müssen sie zunächst bei der zuständigen Behörde beantragen. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und welche Fallstricke dabei lauern können, zeigt exemplarisch eine aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Sachsen-Anhalt zur Verbandsklagebefugnis im Bereich des Naturschutzes.
Bodenschutzverein möchte als Umweltvereinigung anerkannt werden …
In dem Fall vor dem OVG Sachsen-Anhalt ging es um einen gemeinnützigen Verein, dessen Zweck der Schutz und Erhaltung des Bodens ist. Um seine Zwecke besser verwirklichen zu können, beantragte er beim Umweltbundesamt die Anerkennung als klageberechtigte Umweltvereinigung nach dem sog. Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG). Mit dieser Befugnis wäre der Verein dazu berechtigt, bestimmte behördliche Maßnahmen, wie z.B. die Zulassung von Industrieanlagen oder den Bau neuer Autobahnen gerichtlich auf ihre Vereinbarkeit mit den geltenden umweltrechtlichen Vorschriften überprüfen zu lassen.
… und als Naturschutzvereinigung
Gleichzeitig beantragte der Verein beim Umweltbundesamt die Anerkennung als Naturschutzvereinigung nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Der Grund: Als anerkannte Naturschutzvereinigung würden dem Verein weitere Klage- und vor allem Mitwirkungsrechte bei behördlichen Entscheidungen zustehen, die den Naturschutz oder die Landschaftspflege betreffen. Über diesen Antrag entscheidet das Umweltbundesamt nicht allein, sondern im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Naturschutz.
Umweltbundesamt: Zulassungsvoraussetzungen sind nicht erfüllt
Das Umweltbundesamt erkannte den Verein zwar als Umweltvereinigung an, die Anerkennung des Vereins als Naturschutzvereinigung verweigerte es jedoch, da das Bundesamt für Naturschutz sein Einvernehmen nicht erteilte. Der Grund: Eine Naturschutzvereinigung müsse nach ihrer Satzung und ihrer Tätigkeit überwiegend den Natur– und Landschaftsschutz fördern.
Das sei jedoch nicht der Fall, wenn sich die Vereinigung lediglich dem Schutz des Bodens widme. Denn der Natur- und Landschaftsschutz umfasse alle Umweltmedien (Boden, Wasser, Luft, Klima, Tier und Pflanzen), sodass der Verein zwar nicht alle, aber zumindest mehrere dieser Umweltmedien schützen müsse. Der Schutz einzelner Medien sei dagegen dem klassischen Umweltschutz zuzuordnen, sodass der Verein lediglich als Umweltvereinigung und damit nicht als Naturschutzvereinigung anerkannt werden könne, so die Behörde.
Kein Erfolg vor dem Verwaltungsgericht Halle
Nachdem der Widerspruch des Vereins gegen die Entscheidung der Behörde erfolglos blieb, reichte er Klage beim Verwaltungsgericht (VG) Halle (Saale) ein. Doch auch hier blieb der Verein ohne Erfolg: Das Gericht teilte die Ansicht des Umweltbundesamts und wies die Klage des Vereins auf Anerkennung als Naturschutzvereinigung ab. Der Verein gab jedoch nicht auf und legte Berufung beim OVG Sachsen-Anhalt ein.
Erfolg vor dem OVG Sachsen-Anhalt
Die Berufung des Vereins war erfolgreich: Denn das OVG Sachsen-Anhalt entschied, dass das VG Halle (Saale) die Klage des Vereins zu Unrecht abgewiesen habe und dass das Umweltbundesamt den Verein als Naturschutzvereinigung anerkennen müsse. Der Grund: Für die Anerkennung als Naturschutzvereinigung komme es maßgeblich darauf an, welche Aufgaben die Vereinigung laut ihrer Satzung wahrnehme.
Für eine erfolgreiche Anerkennung müsse der Naturschutz satzungsgemäß einen wesentlichen Teil der Vereins- bzw. Verbandsarbeit bilden und die Vereinigung müsse gleichzeitig über eine ausreichende Kompetenz im Naturschutz verfügen. Das sei hier der Fall: Denn laut seiner Satzung fördere der Verein zum einen den Bodenschutz, der Teil des Naturschutzes sei, und zum anderen seien keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine fehlende Kompetenz des Vereins im Naturschutz hindeuten.
Fokus auf Bodenschutz ausreichend
Es reiche zudem aus, dass der Verein lediglich den Bodenschutz und damit kein anderes Umweltmedium fördere. Denn der Boden diene als Lebensraum und Lebensgrundlage für Menschen, Tiere, Pflanzen und andere Organismen, sodass der Verein durch seine Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz leiste. Es sei daher nicht notwendig, dass der Verein – wie von den Behörden gefordert – ein weiteres Umweltmedium wie z.B. das Wasser oder die Luft schützen müsse. Ferner würde diese strenge Ansicht der Behörde dazu führen, dass wie hier eine kompetente Organisation, die über eine jahrelange Expertise im Bodenschutz und damit auch im Naturschutz verfügt, die Verbandsklagebefugnis im Bereich des Naturschutzes nie erhalten könnte. Das sei jedoch nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen, so das Gericht.
Anerkennungspraxis findet keine Grundlage im Gesetz
Das Gericht hat nach unserer Auffassung zu Recht entschieden, dass die bisherige Anerkennungspraxis des Umweltbundesamts und des Bundesamts für Naturschutz viel zu streng war und keine Grundlage im Gesetz findet. Die strenge Praxis der Behörden würde dazu führen, dass nur wenige Organisationen eine Verbandsklagebefugnis im Bereich des Naturschutzes erhalten können. Damit läuft jedoch die Intention des Gesetzgebers ins Leere, wenn Organisationen zwar theoretisch die Verbandsklagebefugnis im Naturschutz erhalten können, dies in der Praxis jedoch tatsächlich nur in seltenen Fällen möglich ist. Umgekehrt ist es richtig, nicht jeder Organisation die Verbandsklagebefugnis zu gewähren: Sie muss tatsächlich in der Lage sein, sich effektiv für den Naturschutz zu engagieren. Daher fordert das Gericht zu Recht, dass der Naturschutz in der Vereinigung keine unwesentliche Rolle spielen darf und sie über eine gewisse Kompetenz im Naturschutz verfügen muss.
Revision aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Falles
Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung dieses Falles hat das OVG Sachsen-Anhalt die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zugelassen. Es bleibt daher abzuwarten, ob das Urteil des OVG Bestand hat. Betroffene Verbände und Vereine sollten in der Zwischenzeit zusammen mit einem Experten überprüfen, ob ihre Satzung den gesetzlichen Anforderungen für eine Verbandsklagebefugnis genügt und sie ggf. anpassen lassen.
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 20.05.2021 – 2 L 77/19
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