Gemeinnützige Organisationen profitieren von steuerlichen Privilegien – vorausgesetzt, sie erfüllen die Anforderungen der Abgabenordnung (AO). Ein zentraler Punkt ist dabei die Vermögensbindung: Das Vermögen muss auch bei Auflösung oder Zweckfortfall ausschließlich für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden. Dieser Koppelung des Vermögens an den Zweck der jeweiligen Körperschaft hat die tatsächliche Geschäftsführung entsprechend Rechnung zu tragen.
Ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster, das erst kürzlich veröffentlicht wurde, zeigt, wie schnell eine gemeinnützige Organisation ihre Privilegien verlieren kann, wenn sie gegen diese Vorgaben verstößt.
Gemeinnützige Stiftung zahlt monatliche Rente
Die Klägerin war eine gemeinnützige Stiftung, gegründet durch ein 1999 verstorbenes Ehepaar. Durch einen Erbvertrag wurde die Stiftung als Erbin eingesetzt. Gleichzeitig wurde zugunsten der Tochter ein Vermächtnis vereinbart: eine monatliche Leibrente sowie ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück. Die Rentenzahlungen erfolgten aus dem Stiftungsvermögen.
Zweck der Stiftung war die Förderung wissenschaftlicher Arbeiten, Projekte sowie Einrichtungen an Universitäten. Allerdings geriet die Stiftung zunehmend in eine wirtschaftliche Schieflage und schließlich drohte 2018 in näherer Zukunft der vollständige Verbrauch des Vermögens durch die weitere Erfüllung der Rentenverpflichtungen. Der dauerhafte Bestand der Stiftung war nicht mehr gewährleistet, sodass die Stiftungsbehörde die Auflösung einleitete. Eine vollständige Liquidation unterblieb allerdings, da die Verpflichtung zur Leistung von Rentenzahlungen weiterhin bestand. Die Ablösung der Rentenverpflichtung durch eine Einmalzahlung wurde seitens des Betreuers der Tochter verweigert.
Im Jahr 2021 erließ das Finanzamt schließlich Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2017 mit der Begründung, die Stiftung habe ihre Mittel nicht zur Verwirklichung ihrer steuerbegünstigten Satzungszwecke, sondern lediglich zur Erfüllung der Rentenverbindlichkeit eingesetzt. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren reichte die Stiftung gegen die Bescheide Klage beim FG Münster ein.
Finanzgericht sieht zweckfremde Verwendung des Vermögens
Das FG Münster bestätigte die Rückversteuerung mit der Begründung, dass die tatsächliche Geschäftsführung nicht mehr den Anforderungen der §§ 55, 61, 63 AO entsprach. Hiernach ist das Vermögen gemeinnütziger Körperschaften an den jeweiligen Satzungszweck gebunden. Zweckfremde Ausgaben sind – sofern keine der gesetzlichen Ausnahmen vorliegt – unzulässig.
Das FG Münster stellte zunächst fest, dass die Stiftung ihr Vermögen nicht mehr zur Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke verwendete, sondern ausschließlich, um der Rentenverpflichtung gegenüber der Tochter nachzukommen. Damit lag eine zweckfremde Verwendung des Vermögens vor, die mit den Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung (§ 63 AO) nicht zu vereinbaren sei. Auch der Einwand der zwingenden, zivilrechtlichen Verpflichtung zur Rentenzahlung könne insoweit nicht durchgreifen. Dies wirke sich auf die steuerrechtliche Beurteilung nicht aus.
Fehlende Trennung zwischen Vermächtnis und gemeinnützigen Vermögen
Besonders kritisch bewertete das Gericht die fehlende Trennung zwischen dem gemeinnützigen Vermögen und dem für das Vermächtnis vorgesehenen Teil. Es sei nicht ersichtlich gewesen, dass die Stiftung Maßnahmen getroffen hätte, um sicherzustellen, dass die Rentenzahlungen nicht aus Mitteln erfolgten, die eigentlich der Verwirklichung des Stiftungszwecks dienen sollten. Hinzu kam, dass das Vermächtnis nicht der Höhe nach gedeckelt gewesen sei. Dadurch sei die wirtschaftliche Substanz der Stiftung im Verlauf der Jahre zunehmend gefährdet und das Stiftungsvermögen durch die Rentenzahlungen beinahe aufgezehrt worden.
Möchten Sie Neuigkeiten wie diese monatlich in Ihr Postfach erhalten? Abonnieren Sie hier unseren Newsletter Nonprofitrecht aktuell.
Das Gericht stellte außerdem fest, dass die gemeinnützige Tätigkeit der Stiftung faktisch eingestellt worden war. Seit der drohenden Auflösung im Jahr 2018 wurden keine steuerbegünstigten Zwecke mehr verfolgt, sondern ausschließlich die Rentenzahlungsverpflichtung bedient.
In der Folge bestätigte das Gericht, dass die Gemeinnützigkeit nicht nur für die Zukunft versagt werden könne, weil keine steuerbegünstigten Zwecke mehr verfolgt werden, sondern auch für die Vergangenheit, da die Stiftung bereits in der Vergangenheit gegen die Vorschrift über die Vermögensbindung verstoßen habe. Nach § 63 Abs. 2 i.V.m. § 61 Abs. 3 AO sei dann eine Nachversteuerung der letzten 10 Kalenderjahre zulässig.
Gilt die BFH-Rechtsprechung zum Unterhalt von Stiftern auch hier?
Die Stiftung berief sich auf ein Urteil des BFH aus dem Jahr 1998 (Az. II R 16/95), wonach bis zu einem Drittel des Einkommens für den Unterhalt des Stifters oder seiner Angehörigen verwendet werden darf. Das FG Münster wies diesen Vergleich zurück: Die Stiftung habe zunächst gemeinnützige Zwecke verfolgt, diese aber später vollständig aufgegeben. Insbesondere sei die Rentenzahlung nicht aus laufenden Einkünften, sondern aus dem Vermögen erfolgt – und das über einen unvorhersehbar langen Zeitraum.
Stiftungen sollten Rentenverpflichtungen besonders prüfen
Das Urteil des FG Münster zeigt deutlich: Die Anforderungen an die Vermögensbindung sind streng. Eine gemeinnützige Stiftung, die ihr Vermögen für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet, verliert rückwirkend ihre Gemeinnützigkeit – unabhängig davon, ob dies verschuldet ist oder nicht. Dies hat regelmäßig eine erhebliche Steuerlast zur Folge.
Der Ausgang der nach Nichtzulassungsbeschwerde vom BFH zugelassenen Revision (Az. V B 3/24) bleibt abzuwarten. Sie könnte klären, ob eine einschränkende Auslegung der Rechtsfolge von § 63 Abs. 2 i.V.m. § 61 Abs. 3 AO möglich ist. Dies hatte das FG Münster mit der Begründung abgelehnt, die Nachversteuerung der letzten 10 Kalenderjahre sei der Preis für die freie Verwendung des bereits steuerbegünstigt gebildeten Vermögens. Eine nur in die Zukunft greifende Besteuerungswirkung würde die gemeinnützigkeitsschädliche Verwendung des steuerbegünstigt gebildeten Vermögens nicht effektiv verhindern. Bis zur finalen Entscheidung durch den BFH gilt: Stiftungen sollten Vermächtnisse und Rentenverpflichtungen sorgfältig prüfen und klar vom gemeinnützigen Vermögen trennen.
Unser NPO-Team unterstützt Sie gerne bei sämtlichen Themen rund um Erlangung und Erhalt der Gemeinnützigkeit. Sprechen Sie uns an – wir beraten Sie individuell und praxisnah.
FG Münster, Urteil v. 29.11.2023, 13 K 1127/22 K


