
Gemeinnützige Stiftungen und Vereine müssen bei ihrer Satzungsgestaltung besonders sorgfältig vorgehen, insbesondere wenn es um die satzungsmäßige Vermögensbindung geht. Ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen unterstreicht die Bedeutung dieser Regelung und zeigt, worauf es bei der Formulierung ankommt. Dieser Beitrag beleuchtet die Hintergründe, rechtlichen Anforderungen und möglichen Konsequenzen einer unzureichenden Vermögensbindungsklausel.
Bedeutung der satzungsmäßigen Vermögensbindung
Die satzungsmäßige Vermögensbindung ist ein zentrales Element für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Sie regelt, was mit dem Vermögen einer Organisation geschieht, wenn diese aufgelöst wird oder ihre steuerbegünstigten Zwecke wegfallen. Der Grundsatz der Vermögensbindung soll verhindern, dass Vermögen, das eine Stiftung aufgrund ihrer steuerbegünstigten Tätigkeit erworben hat, für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird.
Rechtliche Grundlagen und Anforderungen
Die rechtlichen Grundlagen für die satzungsmäßige Vermögensbindung finden sich in § 61 der Abgabenordnung (AO). Gemäß § 61 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO muss die Satzung einer gemeinnützigen Organisation genau bestimmen, für welche steuerbegünstigten Zwecke das Vermögen bei Auflösung oder Wegfall des bisherigen Zwecks verwendet werden soll.
Konkrete Anforderungen an die Satzungsgestaltung
- Der Verwendungszweck muss präzise formuliert sein.
- Es muss anhand der Satzung überprüfbar sein, ob der angegebene Zweck steuerbegünstigt ist.
- Die Satzung muss eine ausdrückliche Regelung für den Wegfall des bisherigen Zwecks enthalten.
Gestaltungsmöglichkeiten der Vermögensbindungsklausel
Der Gesetzgeber gibt in der Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60 AO) zwei Möglichkeiten für die Gestaltung der Vermögensbindungsklausel vor:
Konkret benannter Anfallsberechtigter
„Bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft an den ABC e.V., Berlin, der es ausschließlich und unmittelbar für Zwecke gemäß dieser Satzung oder für andere gemeinnützige Zwecke zu verwenden hat.“
Konkreter steuerbegünstigter Zweck
„Bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft an eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine andere steuerbegünstigte Körperschaft zwecks Verwendung für die Förderung des Umweltschutzes, einschließlich des Klimaschutzes.“
Wichtig ist, dass die Regelung in der Satzung so konkret formuliert ist, dass die Finanzverwaltung prüfen kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist.
Unklare oder fehlende Regelungen zur Vermögensbindung
Die Rechtsprechung zeigt, dass unklare oder fehlende Regelungen zur Vermögensbindung schwerwiegende Konsequenzen haben können. So entschied das Finanzgericht (FG) Niedersachsen noch im vergangenen April (FG Niedersachsen vom 25.04.2024, 10 K 70/21), dass eine bloße Wiedergabe allgemeiner Begriffe wie „gemeinnützig“ nicht ausreicht – die Zwecke müssen konkretisiert werden.
Das FG Niedersachsen urteilte, dass die im Gesellschaftsvertrag verwendete Klausel trotz der Ausrichtung am gesetzlichen Grundsatz der Vermögensbindung unzureichend sei. Es fehle an hinreichend konkretisierten Bestimmungen zur abschließenden bzw. künftigen Mittelverwendung.
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Zwar sei die Aussage enthalten gewesen, dass das Vermögen auf eine steuerbegünstigte Organisation übergehen sollte, welche es ausschließlich für steuerbegünstigte Zwecke verwenden sollte. Offengelassen wurde allerdings, auf welche Organisation genau das Vermögen übergehen sollte. Es wurde durch die gGmbH auch kein konkreter steuerbegünstigter Zweck aufgeführt, welcher mit den Mitteln hätte verwirklicht werden sollen.
Darüber hinaus sei durch die Verwendung der Worte „gemeinnützig“ und „mildtätig“ zwar eine grobe Orientierung bzgl. der bedachten steuerbegünstigten Person gegeben, eine überprüfbare Zweckbindung bzgl. des übergehenden Vermögens sei dadurch jedoch nicht möglich.
Streichung der Anfallklausel führt zum Verlust der Gemeinnützigkeit
Auch das FG Sachsen-Anhalt urteilte im Jahr 2023, dass die ersatzlose Streichung der Anfallklausel in einer Satzungsänderung zum Verlust der Gemeinnützigkeit führt (FG Sachsen-Anhalt vom 19.04.2023, 3 K 475/16).
Die Finanzverwaltung vertritt diesbezüglich in Teilen die Ansicht, dass Organisationen, die die Anerkennung als gemeinnützig anstreben, die Mustersatzung wortwörtlich übernehmen müssen. Demgegenüber vertritt die Rechtsprechung die Ansicht, dass es genügt, wenn die in der Mustersatzung enthaltenen Festsetzungen ihrem Inhalt nach in den Satzungen der gemeinnützigen Organisationen enthalten sind. Eine endgültige Entscheidung dieses Streits ist bisher nicht ergangen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache wurde die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Folglich wird sich dieser mit der Frage befassen, bei welcher Formulierung die Satzung einer gemeinnützigen und mildtätigen Körperschaft hinsichtlich des Kriteriums der Vermögensbindung als steuerbegünstigt anzusehen wäre.
Folgen einer unzureichenden Vermögensbindung
Die Konsequenzen einer mangelhaften Vermögensbindungsklausel können gravierend sein:
- Aberkennung der Gemeinnützigkeit
- Wegfall der Steuerbefreiung, rückwirkend für bis zu zehn Jahre
- Nachversteuerung von Überschüssen aus der Vermögensverwaltung und Gewinnen aus Zweckbetrieben
- rückwirkender Wegfall der Berechtigung zum Spendenabzug und Eintritt der Spendenhaftung gem. § 10b EStG
- eventuell Schadenersatzansprüche der Organisation gegenüber den Personen, die den Entzug der Gemeinnützigkeit verursacht haben
Praxistipp für NPOs
Die satzungsmäßige Vermögensbindung ist ein unverzichtbares Element für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Bei der Satzungsgestaltung sollten gemeinnützige Organisationen besonders sorgfältig vorgehen und die Vermögensbindungsklausel präzise formulieren. Es empfiehlt sich, die Mustersatzung als Orientierung zu nutzen und die gewählte Formulierung von einem Experten prüfen zu lassen.
Haben Sie Fragen zur Vermögensbindung in Ihrer Satzung?
- Sind Sie unsicher, ob Ihre aktuelle Satzung den Anforderungen an die Vermögensbindung entspricht?
- Planen Sie eine Satzungsänderung und möchten sicherstellen, dass die Vermögensbindungsklausel korrekt formuliert ist?
- Benötigen Sie generell Unterstützung bei der Prüfung Ihrer Satzung im Hinblick auf die Gemeinnützigkeit?
Die Experten aus unserem NPO-Team stehen Ihnen gerne für eine individuelle Beratung zur Verfügung. Wir unterstützen Sie nicht nur bei Fragen zur Vermögensbindung, sondern auch bei allen anderen Themen rund um die Gemeinnützigkeit. Kontaktieren Sie uns gerne für ein unverbindliches Beratungsgespräch.
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