Eine von gemeinnützigen Körperschaften unbedingt zu beachtende Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Baden-Württemberg getroffen: Es hat entschieden, dass auch die Personalgestellung von gemeinnützigen Organisationen eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung darstellt.
Personalgestellung = Arbeitseinsatz bei einem Dritten
Unter einer Personalgestellung ist die auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu verstehen. Im Fall einer Personalgestellung kann der Arbeitgeber daher vom Arbeitnehmer verlangen, dass dieser seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung bei einem Dritten erbringt. Der Arbeitnehmer bleibt zwar angestellt bei seinem Arbeitgeber, arbeitet aber tatsächlich beim Dritten. Derlei Gestaltungen sind im gemeinnützigen Umfeld und bei Berufs- und Wirtschaftsverbänden seit vielen Jahren gang und gäbe.
AÜG soll Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer absichern
Im vom LArbG entschiedenen Fall ging es um einen gemeinnützigen Betreiber einer Zentralküche, deren Aufgabenfeld sich von der reinen Essensversorgung von Heimbewohnern mit der Zeit dahingehend geändert hatte, dass zunehmend Kantinen in Behörden und Firmen, Kindertagesstätten und Schulen versorgt und beliefert wurden. Der Betreiber gliederte den Bereich Küche und Catering daher aus und übertrug ihn auf eine gemeinnützige GmbH, deren Anteile er sodann hielt. Im Streit mit dem Betriebsrat waren der Betreiber und die Tochter-gGmbH der Ansicht, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) für die Personalgestellung nicht gelte.
Dem schloss sich das LArbG Baden-Württemberg jedoch nicht an, da Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten Arbeitnehmer im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen, nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG der Erlaubnis bedürfen. Und der Zweck der Erlaubnispflicht nach dem AÜG bestehe, so das Gericht, gerade darin, die Arbeitsbedingungen entliehener Arbeitnehmer abzusichern und die Einhaltung der diesbezüglich aus dem AÜG resultierenden Verpflichtungen einer Kontrolle zu unterstellen.
AÜG-Erlaubnispflicht gilt auch für gemeinnützige Körperschaften
Dass das Gesetz von einer Verleihung „im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit“ spricht, änderte an der Auffassung des LArbG nichts. Nach der Definition des EuGH ist unter einer wirtschaftlichen Tätigkeit nämlich schon jede Tätigkeit zu verstehen, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Damit werde, so das Gericht, selbst eine ohne Gewinnerzielungsabsicht betriebene Arbeitnehmerüberlassung durch eine gemeinnützige Institution von der Erlaubnispflicht erfasst. Denn diese trete als Verleiherin in Konkurrenz zu anderen Verleihern und nehme damit am Wirtschaftsverkehr teil.
Erlaubnis frühzeitig beantragen um Strafen zu vermeiden
Voraussichtlich wird die Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit auch dann vorliegt, wenn die Arbeitnehmerüberlassung ohne Gewinnerzielungsabsicht durch eine gemeinnützige Organisation erfolgt, vom EuGH entschieden werden müssen. Das LArbG Baden-Württemberg hatte die Möglichkeit, diese Frage im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens dem EuGH vorzulegen, nicht genutzt. Der Rechtsstreit ist nun beim BAG anhängig (Az. 1 ABR 15/16), das Fragen des Europarechts grundsätzlich dem EuGH vorlegen muss. Wir gehen allerdings davon aus, dass die Entscheidung des LArbG Baden-Württemberg – selbst nach Konsultierung des EuGH – vom BAG aufrechterhalten werden wird. Sie entspricht u.E. der Gesetzeslage.
Gemeinnützige Organisationen sollten sich daher, wenn sie Arbeitnehmer an Dritte verleihen wollen, frühzeitig um eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bemühen. Verstöße gegen das AÜG können nämlich mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 500.000 Euro geahndet werden. Allein der Verleih von Arbeitnehmern ohne die dazu erforderliche Erlaubnis kann mit bis zu 30.000 Euro Geldbuße bestraft werden. Darauf sollten es die Verantwortlichen nicht ankommen lassen. Unsere erfahrenen Anwälte sind Ihnen gerne dabei behilflich.
LArbG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.02.2016, Az. 3TaBV 2/14
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