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Persönliche Haftung der Mitglieder eines Vereins nach verweigerter Eintragung ins Vereinsregister

Haftung Vereinsmitglieder - Beratung durch WINHELLERDie umstrittene Abgrenzung zwischen Idealverein und wirtschaftlichem Verein zieht weitere Kreise: Nach einem aktuellen Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg droht nach einer verweigerten Eintragung eines wirtschaftlichen Vereins in das Vereinsregister die persönliche Haftung der Gründer für sämtliche Verbindlichkeiten des Vereins.

Rechtsform richtig gewählt?

Vereine, die sich intensiv (sozial-)wirtschaftlich betätigen, haben Grund zur Sorge: Die Registergerichte hinterfragen zunehmend die Richtigkeit der gewählten Rechtsform. Während sich der Streit in den meisten Fällen um die verweigerte Eintragung als e.V. in das Vereinsregister dreht, kommt es auch vor, dass bereits eingetragene Vereine aus dem Vereinsregister gelöscht werden und ihnen so die Rechtspersönlichkeit entzogen wird. Dem Kammergericht (KG) Berlin kommt dabei eine spezielle Rolle zu, weil es eine besonders strenge Linie vertritt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich zu der umstrittenen Rechtsfrage noch nicht positioniert, zumindest zwei BGH-Verfahren sind allerdings anhängig. Die Vereinswelt schaut daher aktuell gespannt nach Karlsruhe.

Verein betreibt mehrere Verkaufsläden

Mit den haftungsrechtlichen Folgen einer gescheiterten Eintragung in das Vereinsregister hat sich nun das LSG Berlin-Brandenburg beschäftigt. Der betroffene e.V. i.G. (in Gründung) war nach der Satzung gemeinnützig. Im Kern war der Vereinszweck die Organisation von Selbsthilfemaßnahmen für Langzeitarbeitslose. Verwirklicht werden sollte der Zweck durch den Betrieb von drei Verkaufsläden, in denen Bedürftigen zuvor gespendete Haushaltsgeräte verkauft wurden. Darüber hinaus bot der e.V. i.G. Maler- und Transportdienstleistungen auf dem Markt an. Er beschäftigte insgesamt 59 Arbeitnehmer. Die Eintragung als e.V. in das Vereinsregister wurde ihm wegen seiner wirtschaftlichen Ausrichtung verwehrt.

Der Verein hatte Verbindlichkeiten in Höhe eines sechsstelligen Betrages angehäuft, die sich aus Löhnen und Gehältern, Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen zusammensetzten, und musste schließlich Insolvenz anmelden.

Folge: Haftung der Gründungsmitglieder

Es folgte, was eigentlich durch die Rechtsform des e.V. vermieden werden sollte: die persönliche Haftung der Gründungsmitglieder. Die Krankenversicherung hatte nämlich gegen ein Mitglied einen Haftungsbescheid erlassen, wonach es für die Verbindlichkeiten des Vereins zusammen mit den anderen Gründungsmitgliedern gesamtschuldnerisch und persönlich hafte. Weder der dagegen eingelegte Widerspruch noch die Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin hatte Erfolg.

Verein war nicht rechtsfähig

Auch die Berufung vor dem LSG Berlin-Brandenburg scheiterte. Das LSG stellte fest, dass das Mitglied für die Verbindlichkeiten des Vereins gemäß § 54 BGB i.V.m. § 128 HGB analog hafte. Der Verein habe nie die Rechtsfähigkeit erlangt. Dazu hätte er ins Vereinsregister eingetragen werden müssen, was jedoch nicht geschehen war. Ungeachtet dessen sei er auch kein nicht eingetragener Idealverein, sondern ein nicht eingetragener Wirtschaftsverein. Er sei nämlich nach außen auf dem Markt mit verschiedenen Unternehmungen aufgetreten. Er habe drei Geschäftslokale betrieben, in denen gespendete Haushaltsgegenstände verkauft wurden. Zudem habe er Maler- und Transportarbeiten angeboten. Somit habe er planmäßig und gegen Entgelt Wirtschaftsgüter vertrieben. Ob das hiermit erzielte Entgelt nur kostendeckend oder sogar verlustbringend war, sei nicht von Bedeutung.

Kein Raum für Nebenzweckprivileg

Auch das Nebenzweckprivileg half dem Verein nicht. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass die unternehmerischen Tätigkeiten des Vereins lediglich der Erreichung des nichtwirtschaftlichen Hauptzwecks gedient hätten und sich den nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten untergeordnet hätten. Aufgrund des Umstandes, dass der Verein drei Verkaufslokale unterhielt, Forderungen für Netto-Löhne und Sozialversicherungsabgaben in Höhe von 233.253,75 Euro offen waren und der Verein eine Vielzahl von Mitarbeitern beschäftigte, war für das Nebenzweckprivileg kein Raum.

Tatsächlich handele es sich bei dem Verein, so das Gericht, um ein mittelständisches Unternehmen, das im wesentlichen Umfang wirtschaftlich tätig geworden sei. Der Gläubigerschutz gebiete es, dass eine derartige Tätigkeit nicht in der Rechtsform des e.V. ausgeübt werde.

Rechtsform rechtzeitig überdenken

Das LSG Berlin-Brandenburg stellt im Rahmen seiner Gesamtabwägung fest, dass der Verein nicht die Voraussetzungen eines Idealvereins erfüllte. Es bleibt daher bei unserem bereits mehrfach geäußerten Rat: Vereinen, die sich im großen Umfang (sozial-)wirtschaftlich betätigen oder gar durch ihre gemeinnützigen Zweckbetriebe oder steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe dominiert werden, ist dringend anzuraten, ihre gewählte Rechtsform proaktiv zu überdenken und einen Plan B insbesondere für den Fall zu erarbeiten, dass der BGH die Rechtsprechung des KG Berlin bestätigt. Allein die Anerkennung durch das Finanzamt als gemeinnützig bietet übrigens keinen Schutz. Die (steuer-)rechtliche Einschätzung des Finanzamtes ist für die Vereinsregistergerichte nach u.E. richtiger Auffassung ohne Relevanz.

Unsere erfahrenen Anwälte sind Ihnen gerne dabei behilflich, die richtige Rechtsform für Ihr Unternehmen zu finden. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.03.2016, Az. L 1 KR 377/14

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Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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