Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat in seiner Entscheidung vom 01.10.2020 konkretisiert, in welchen Fällen gegenseitige Leistungen von kooperierenden Unternehmen der Umsatzsteuer unterfallen. Auch wenn das Urteil zu gewerblichen Unternehmen ergangen ist: Diese Entscheidung hat auch eine weitreichende Bedeutung für NPOs, insbesondere für Forschungseinrichtungen. Wir erklären Ihnen warum.
Kooperation für eine erfolgreiche Kartoffelzucht
Der Fall vor dem FG Niedersachsen betraf ein landwirtschaftliches Unternehmen, das Kartoffeln züchtete. Um erfolgreicher neue Kartoffelsorten züchten zu können, schloss es mit zwei Unternehmen aus den Niederlanden einen Kooperationsvertrag. In dem Vertrag verpflichteten sich die Parteien dazu, Genmaterial miteinander auszutauschen, Kreuzungen zwischen verschiedenen Sorten durchzuführen und neue Zuchtstämme gemeinsam zu prüfen. Die Einnahmen aus der Lizenzierung einer neu gezüchteten Sorte teilten sich die Unternehmen nach einem festen Schlüssel untereinander auf.
Finanzamt: Kooperation ist umsatzsteuerpflichtig
Im Rahmen einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass das Unternehmen aus Deutschland noch Umsatzsteuer auf die von ihm an die niederländischen Unternehmen weitergeleiteten Lizenzeinnahmen abführen müsse. Die Mitarbeit der niederländischen Unternehmen bei der gemeinsamen Kartoffelzucht stelle eine umsatzsteuerpflichtige Leistung dar, für die die weitergeleiteten Lizenzeinnahmen das entsprechende Entgelt seien. Die Folge: Eine hohe Steuernachzahlung von rund 175.000 Euro. Dagegen versuchte sich das Unternehmen mit einem Einspruch zu wehren – allerdings ohne Erfolg.
FG Niedersachsen: Es liegt kein Leistungsaustausch vor
Das Unternehmen reichte daher Klage beim FG Niedersachsen ein. Mit Erfolg: Denn das Gericht entschied, dass die Kooperationsleistungen der niederländischen Unternehmen von vornherein nicht steuerbar seien und somit nicht der Umsatzsteuer unterfallen können. Es liege nämlich kein Leistungsaustausch zwischen den kooperierenden Unternehmen vor. Die tatsächliche Erzielung von Lizenzeinnahmen sei zu ungewiss gewesen, da weniger als 1 Promille (!) aller neu gezüchteten Kartoffelsorten eine Zulassung erhielten und damit in den Vertrieb gelangen konnten. Ähnlich wie bei platzierungsabhängigen Preisgeldern führe diese hohe Unsicherheit bei der Einnahmenerzielung dazu, dass es an einem unmittelbarem Leistungsaustausch fehle. Die Zuchtleistungen der beiden niederländischen Unternehmen seien daher nicht steuerbar und könnten damit auch nicht der Umsatzsteuer unterfallen, so das Gericht.
Zuchtleistungen unterfallen nicht der Umsatzsteuer
Wir halten die Entscheidung des Gerichts für richtig. Es hat zu Recht festgestellt, dass – aus umsatzsteuerlicher Sicht – kein Leistungsaustausch zwischen dem deutschen und den beiden niederländischen Unternehmen vorlag und somit die Zuchtleistungen nicht der Umsatzsteuer unterfallen.
Grundsätze dieser Entscheidung auch für Forschungseinrichtungen relevant
Auf den ersten Blick scheint dieses Urteil nur wenig Relevanz für NPOs zu haben. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Grundsätze dieser Entscheidung auch auf Forschungseinrichtungen wie z.B. Universitäten oder Forschungsgemeinschaften angewendet werden können. Denn auch sie realisieren ihre Forschungsvorhaben häufig gemeinsam mit anderen Forschungseinrichtungen oder Unternehmen. Erzielen die kooperierenden Forschungseinrichtungen nun Einnahmen aus den gemeinsam erzielten Forschungsergebnissen, stellt sich die Frage, ob die jeweiligen Kooperationsleistungen der Umsatzsteuer unterfallen. Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern bedarf stets einer Prüfung des Einzelfalls. Unsere Experten für Umsatzsteuerrecht unterstützen Sie gern.
FG Niedersachsen, Urteil vom 01.10.2020 – 11 K 185/19
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