
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD enthält zahlreiche Änderungen und Reformvorhaben im Bereich des Gemeinnützigkeits- und Vereinsrechts. Neben einer Erhöhung steuerlicher Freibeträge für Ehrenamtliche und NPOs soll das Gemeinnützigkeitsrecht vereinfacht und modernisiert werden. Mit dabei sind viele bekannte, wenn auch unter der Ampel-Regierung gescheiterte Vorhaben, sowie einige neue Ideen. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche konkreten Änderungen geplant sind und wie diese die Praxis beeinflussen können.
Koalition kündigt Reformen an
Der Koalitionsvertrag der 21. Legislaturperiode setzt gemeinnützigkeitsrechtlich Akzente zur Förderung des Ehrenamts und der gemeinnützigen Arbeit. Angesichts wachsender Herausforderungen für Vereine und gemeinnützige Körperschaften, wie Bürokratieaufwand und finanzielle Unsicherheiten, haben CDU, CSU und SPD Reformen angekündigt. Ziel sei es, die Rahmenbedingungen für gemeinnützige Organisationen zu verbessern und ihre gesellschaftliche Rolle zu stärken.
Geplante Reformen im Gemeinnützigkeitsrecht
1. Das attraktive Ehrenamt
An vielen Stellen hebt der Koalitionsvertrag hervor, dass das ehrenamtliche Engagement gefördert und mehr Anerkennung erfahren soll. Außerdem soll eine ehrenamtliche Betätigung insbesondere für junge Menschen wieder attraktiver werden und die Vereinbarkeit von Familie und Ehrenamt gefördert werden. Insbesondere sollen für das Freiwillige Soziale Jahr mehr Stellen, mehr Finanzmittel und ein höheres Taschengeld zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollen auch Vereine als Bildungsort anerkannt werden, sodass Weiterbildungsangebote für Übungsleiter und Trainer gefördert werden können.
2. Steuerliche Verbesserungen für Ehrenamtliche
Auf die Stärkung des Ehrenamts zahlt auch die geplante Anhebung von Übungsleiterpauschale (auf 3.300 Euro) und Ehrenamtspauschale (auf 960 Euro) ein. Denn diese steuerlichen Freibeträge sollen die Attraktivität ehrenamtlicher Tätigkeiten erhöhen und finanzielle Entlastung schaffen.
3. Freigrenzen für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe
Doch auch die gemeinnützigen Organisationen selbst sollen durch eine Anhebung der Freigrenze für Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben auf 50.000 Euro (bisher 45.000 Euro) pro Jahr entlastet werden.
4. Vereinfachung der Mittelverwendungspflicht
Gemeinnützige Organisationen mit jährlichen Einnahmen bis zu 100.000 Euro sollen zudem künftig von der zeitnahen Mittelverwendungspflicht befreit werden, um insbesondere kleinere Organisationen bürokratisch zu entlasten. Bisher liegt diese Grenze bei 45.000 Euro. Die ursprünglich von der Ampel-Regierung vorgesehene vollumfängliche Abschaffung der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung findet daher nur noch in abgeschwächter Form Eingang in das Reformprogramm.
5. Keine Sphärenaufteilung für kleine NPOs
Gemeinnützige Körperschaften, die weniger als 50.000 Euro Einnahmen pro Jahr über ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten erzielen, sollen nicht mehr zu einer Zuordnung ihrer Mittel zu den vier Sphären – ideeller Bereich, Zweckbetrieb, Vermögensverwaltung und wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb – verpflichtet sein. Dabei sei unerheblich, ob diese unter der Freigrenze liegenden Einnahmen aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder einem Zweckbetrieb stammen.
Offen bleibt, wie dies dann in der Praxis aussehen soll und wie spürbar die geplante Erleichterung in tatsächlicher Hinsicht sein wird. Für gemeinnützige Organisationen, die im Bereich um die Freigrenze operieren, dürfte es zudem zu empfehlen sein, von vornherein an der sphärenmäßigen Aufteilung festzuhalten, um ständige Wechsel in der Buchungssystematik zu vermeiden.
6. Modernisierung des Katalogs gemeinnütziger Zwecke
Erneut hat sich die zukünftige Bundesregierung vorgenommen, den Katalog der gemeinnützigen Zwecke zu überarbeiten, um aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen besser abzubilden. Auch der eSport hat insoweit den Weg zurück in den Koalitionsvertrag gefunden und soll als gemeinnützig anerkannt werden. Der gemeinnützige Journalismus als solcher wurde hingegen nicht ausdrücklich als Ziel aufgegriffen. Vielmehr solle im Sinne der flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten mit Blick auf die Gemeinnützigkeit Rechtssicherheit geschaffen werden. Welche Modernisierungen des Zweckkatalogs darüber hinaus zu erwarten sind, lässt der Koalitionsvertrag jedoch offen.
7. Vereinfachte staatliche Förderung
Staatliche Fördermaßnahmen sollen entbürokratisiert und vereinfacht werden. So sollen insbesondere ausufernde Förderbestimmungen vermieden und Formalitäten wie Zweckverwendungsnachweise erheblich reduziert werden. Stattdessen ist eine pauschale Verausgabung von Fördermitteln geplant. Insbesondere die noch durch die Ampel-Regierung eingeführte Wohngemeinnützigkeit (§ 52 Abs. 2 Nr. 27 AO) soll nun über Investitionszuschüsse ergänzt werden.
8. Entbürokratisierung des Ehrenamts
Weiterhin ist der sogenannte Bürokratierückbau ein Kernpunkt des Koalitionsvertrags. Dieser bezieht sich wohl auch auf Vereine und das ehrenamtliche Engagement der Bürger. Die im dreijährigen Turnus anstehende Gemeinnützigkeitsprüfung soll für kleinere Vereine vereinfacht werden. Außerdem ist auch eine Umsatzsteuerbefreiung für Sachspenden an gemeinnützige Organisationen angedacht.
Darüber hinaus verspricht der Koalitionsvertrag umfangreiche Entlastungen in den Bereichen Datenschutz, Gemeinnützigkeits-, Vereins- und Zuwendungsrecht sowie eine Verbesserung des Haftungsprivilegs – jedoch ohne tiefer ins Detail zu gehen.
9. Gesellschaft mit gebundenem Vermögen
Auch die bereits in den Jahren 2020 und 2021 erstmals aufgeworfene Idee einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen hat Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Diese neue Rechtsform ähnelt der etablierten Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit dem Unterschied einer unabänderlichen Vermögensbindung. Das bedeutet, dass keine Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter erfolgen und beim Ausscheiden aus der Gesellschaft lediglich der Nominalwert der Einlage ausgezahlt wird. Die Wertsteigerung des Geschäftsanteils wird nicht im Rahmen der Abfindung berücksichtigt. Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV) soll nun als eigenständige Rechtsform eingeführt werden.
10. Der „europäische grenzüberschreitende Verein“
Die Unterstützung der Einführung des „europäischen grenzüberschreitenden Vereins“ wird als weiteres Ziel im Koalitionsvertrag aufgeführt. Diese neue Rechtsform soll die Gründung von Vereinen nach weitgehend einheitlichen Rechtsprinzipien ermöglichen. Was in dieser Hinsicht konkret passieren wird, bleibt zu beobachten.
11. Der Staatsminister für Sport und Ehrenamt
Mit Spannung wird zudem die Einführung des Staatsministers für Sport und Ehrenamt zu beobachten sein. Dieses Amt soll von der CDU besetzt werden.
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Fazit: Viele Versprechen, (bisher) wenig Inhalt
Immer wieder wird im Koalitionsvertrag das Gewicht der Zivilgesellschaft, engagierter Vereine und gemeinnütziger Akteure betont. Sie seien „zentrale Säulen unserer Gesellschaft“ und sollen gefördert und gestärkt werden. In der Tat sind einige Vorhaben im Koalitionsvertrag enthalten, über die sich gemeinnützige Organisationen freuen können. Doch ob nach dieser blumigen Formulierung der Koalitionspartner auch Taten folgen und wie die Umsetzung gelingt, bleibt abzuwarten.
Es bleibt zu hoffen, dass nicht eine weitere Legislaturperiode vergeht, in der die Bedeutung gemeinnütziger Akteure verkannt und in den Hintergrund gedrängt wird. Wünschenswert wäre über die Anhebung von Freigrenzen und Entlastungsversprechen hinaus eine spürbare Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung, damit sich NPOs vorrangig dem widmen können, zu dem sie gegründet wurden: der Verfolgung ihres gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecks.
Unsere NPO-Experten stehen Ihnen gerne bei sämtlichen Fragen rund um die Gemeinnützigkeit, das Vereins- und Gesellschaftsrecht zur Verfügung.
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