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Kleine Kitas können weiterhin eingetragene Vereine sein

Seit das Kammergericht (KG) Berlin einem Kindergartenverein die Eintragung in das Vereinsregister verweigert hatte, halten Kindergartenvereine bundesweit den Atem an. Droht auch ihnen die Löschung aus dem Vereinsregister und damit der Entzug der Rechtsfähigkeit? Die gute Nachricht: Es mehren sich die Entscheidungen, nach welchen Kindergärten weiterhin als e.V. firmieren können – sofern sie klein genug sind. Mit seinem Beschluss vom 3. Dezember 2014 entschied z.B. das Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart, dass ein kleiner Kindergarten mit 15 Plätzen wegen des Nebenzweckprivilegs in das Vereinsregister eingetragen werden könne.

Nur nichtwirtschaftliche Vereine im Vereinsregister

In das Vereinsregister können grundsätzlich nur nicht wirtschaftliche Vereine eingetragen werden, auch Idealvereine genannt. So bestimmt es § 21 BGB: „Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister“. Ein Verein, dessen Zweck dagegen auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, kann grundsätzlich nicht eingetragen werden. Nur ausnahmsweise kann er nach § 22 BGB die Rechtsfähigkeit vom Staat verliehen bekommen.

Hintergrund dieser Regelung ist die Idee des Gesetzgebers, dass sich Vereine, die wirtschaftlich-unternehmerisch am Markt auftreten, nicht ins Vereinsrecht flüchten sollen. Das Vereinsrecht ist nämlich in weiten Teilen dispositiv und stellt keine hohen Anforderungen an den Gläubigerschutz, die Publizität und Transparenz. Wirtschaftlich orientierte Vereine sollen deshalb strenger geregelte Rechtsformen annehmen, also zum Beispiel als GmbH oder Genossenschaft firmieren.

Schlupfloch Nebenzweckprivileg

Von diesen Grundsätzen gibt es aber eine Ausnahme: Das sogenannte Nebenzweckprivileg. Danach kann ein wirtschaftlich tätiger Verein ausnahmsweise doch als Idealverein anerkannt werden, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb lediglich eine Nebenfunktion im Rahmen der ideellen Zwecksetzung erfüllt. Die ideelle Betätigung muss den Verein also so prägen, dass die wirtschaftliche Betätigung demgegenüber in den Hintergrund tritt.

Nach Auffassung des OLG Stuttgarts komme diese Ausnahme auch bei dem Kindergartenverein zum Tragen, mit dem es sich jüngst zu beschäftigen hatte. Der Waldorf-Kindergarten wollte sich als Verein eintragen lassen, doch das Registergericht lehnte ab: Der Kindergarten biete dauerhaft und planmäßig eine entgeltliche Betreuung für Kinder und damit Leistungen am Markt an. Wie ein (Sozial-) Unternehmen nehme er am Wirtschafts- und Rechtsverkehr teil. Ein Fall von § 22 BGB: Ein nicht eintragungsfähiger wirtschaftlicher Verein.

Diese Erwägungen seien im Ausgangspunkt zwar zutreffend, so das OLG Stuttgart. Allerdings greife im vorliegenden Fall das Nebenzweckprivileg zugunsten des Waldorf-Kindergartens ein. Die Bildung und Förderung der Kinder orientiere sich, so das OLG, an den Erziehungsmethoden auf Grundlage der Waldorfpädagogik. Deses Ziel soll unter anderem durch den Betrieb des geplanten Kindergartens verwirklicht werden. Nicht aber dieser Betrieb als solcher, sondern die Umsetzung des pädagogischen Konzepts mittels des Betriebes des Waldorfkindergartens stehe im Vordergrund. Der Betrieb des Kindergartens sei insofern nur ein Hilfsmittel zur Erreichung des pädagogischen Konzepts.

Das OLG Stuttgart findet es insofern „angemessen, die ideelle nichtwirtschaftliche Zielsetzung als den zentralen Zweck des Vereins zu bewerten und daher das Nebenzweckprivileg eingreifen zu lassen“.

Wirtschaftliche Tätigkeit muss ideellen Betätigungen des Vereins untergeordnet sein

Im Ergebnis ist die Entscheidung somit korrekt. Allerdings unterliegt das OLG einem – auch andernorts vielfach anzutreffenden – Missverständnis in Bezug auf das Nebenzweckprivileg. Es geht nämlich davon aus, dass die Abgrenzung zwischen einem Idealverein und einem wirtschaftlichen Verein über die Beziehung der Vereinstätigkeit zum Vereinszweck gelingt. Das ist gerade nicht der Fall. Denn letztlich haben alle Tätigkeiten dem Vereinszweck zu dienen: Zweckbetriebe tun das schon per Definition. Aber auch gewöhnliche gewerbliche wirtschaftliche Betätigungen dienen dem Zweck zumindest dadurch, dass sie die nötigen Geldmittel generieren, die zur Umsetzung des Vereinszwecks eingesetzt werden können.

Auf den hier zu entscheidenden Fall gemünzt: Jeder Kindergarten, egal wie klein oder groß, dient selbstverständlich dem Vereinszweck der Jugendhilfe und Bildung/Erziehung. Selbst ein Träger mit 20 Kitas und mehreren hundert oder tausend Kindern wäre nach der Logik des OLG Stuttgart damit – wegen des Nebenzweckprivilegs – Idealverein. Gleiches würde für die Träger von Krankenhäusern, Altersheimen, Museen etc. gelten. Das kann nicht richtig sein, will man die Unterscheidung zwischen Idealverein und wirtschaftlichem Verein ernst nehmen und unternehmerische Betätigungen dem gesetzlichen Leitbild zufolge in die geeigneteren Handelsrechtsformen verweisen. Entscheidend ist daher vielmehr, dass die wirtschaftliche Tätigkeit den ideellen Betätigungen des Vereins untergeordnet ist. Das Nebenzweckprivileg ist daher richtigerweise im Sinne eines Nebentätigkeitsprivilegs zu verstehen.

Kritik am Urteil des Kammergerichts Berlin

Das OLG Stuttgart kritisiert in seinem Beschluss übrigens offen das KG Berlin, das seinerzeit einen Kindergarten als wirtschaftlichen Verein eingestuft hatte. Die Rechtsauffassung des KG Berlin sei zwar von einer anderen Sachverhaltskonstellation getragen, allerdings generell zu pauschalierend gewesen, so das OLG Stuttgart. Es schließe sich deshalb den Ausführungen des OLG Schleswig an. Diese Kritik ist verwunderlich, denn das KG Berlin und das OLG Schleswig widersprechen sich nur auf den ersten Blick. In dem Fall vor dem KG Berlin ging es um einen größeren Träger eines Kindergartens, der – den Ausführungen des Gerichts zufolge – eindeutig unternehmerisch tätig war. Konsequenterweise war ihm die Eintragung ins Vereinsregister zu versagen. Das OLG Schleswig hatte dagegen über einen kleinen, aus einer Elterninitiative hervorgegangenen Verein zu entscheiden.

Abgesehen davon geht das OLG Stuttgart zu Beginn seiner Entscheidung ja ausdrücklich davon aus, dass es sich bei dem Kindergarten um eine unternehmerisch-wirtschaftliche Betätigung handelt; das OLG bewegt sich damit ganz auf der Linie des KG Berlin und folgt gerade nicht dem Schleswig-Holsteinischen OLG, das bei kleinen Einrichtungen – zu Recht – davon ausgeht, dass es sich dabei nicht um an einem (inneren) Markt tätige Unternehmen handelt.

OLG Stuttgart, Beschluss v. 03.12.2014 – Az. 8 W 447/14; 47 AR 7482/13

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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