Seitdem der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat, dass einer Privatschule die Gemeinnützigkeit abzuerkennen ist, wenn sie aufgrund der Höhe des Schulgeldes nur einen begrenzten Kreis von Schülern fördert, der nicht mehr die Allgemeinheit repräsentiert, sind viele Träger von Privatschulen verunsichert, welche Konsequenzen diese Entscheidung auf ihre eigene Gemeinnützigkeit haben könnte. Betrachtet man die aktuelle Auffassung der Finanzverwaltung, könnte man denken, dass nur Ergänzungsschulen von diesem Urteil betroffen seien. Ein Trugschluss: Denn das Urteil wirkt sich gleichermaßen auch auf Ersatzschulen aus.
Was sind die Unterschiede zwischen Ersatz- bzw. Ergänzungsschule?
Bei Ersatzschulen handelt es sich um Privatschulen, die die gleichen Unterrichtsinhalte wie öffentliche Schulen anbieten und dazu berechtigt sind, Zeugnisse auszustellen sowie staatliche Abschlüsse zu vergeben. Kinder und Jugendliche, die eine Ersatzschule besuchen, erfüllen die gesetzliche Schulpflicht. Für ihren Betrieb benötigen Ersatzschulen eine staatliche Genehmigung.
Ergänzungsschulen sind dagegen Privatschulen, die Unterrichtsinhalte anbieten, die sowohl öffentlichen Schulen als auch Ersatzschulen unbekannt sind. Es gibt mehrere Arten von Ergänzungsschulen: Allgemeinbildende Ergänzungsschulen, berufsbildende Ergänzungsschulen, ausländische und internationale Ergänzungsschulen. Kinder und Jugendliche können an Ergänzungsschulen keine staatlich anerkannten Abschlüsse erwerben und ihre Schulpflicht nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erfüllen.
Gemeinnützigkeit nur bei Förderung der Allgemeinheit
Der Fall vor dem BFH betraf die Trägerin einer anerkannten internationalen Ergänzungsschule, deren Schulgebühren 11.000 bis 17.000 Euro pro Jahr betrugen. Zwar vergab die Schule Stipendien an begabte Schüler aus einkommensschwachen Familien, allerdings betrug der Anteil der Stipendiaten an der gesamten Schülerschaft nur rund 10%. Der BFH entschied , dass das Finanzamt der Trägerin zu Recht die Gemeinnützigkeit aberkannt habe. Die Tätigkeit der Trägerin sei nicht darauf gerichtet gewesen, die Allgemeinheit zu fördern, da sie aufgrund der Höhe des Schulgeldes nur einen begrenzten Kreis von Schülern fördere, der nicht mehr die Allgemeinheit repräsentiere.
Finanzverwaltung wendet das Urteil allgemein an
Zwar bindet die Entscheidung des BFH nur die Parteien des Verfahrens. Allerdings hat sich die Finanzverwaltung dazu entschieden, die Grundsätze dieser Entscheidung in vergleichbaren Fällen allgemein anzuwenden. Hierzu hat sie den sog. Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) geändert , eine bindende Anweisung der Finanzverwaltung zur Auslegung der Abgabenordnung, die die Arbeit der Finanzbeamten bundesweit einheitlich gestalten soll. Demnach ist die Tätigkeit einer Privatschule nicht darauf gerichtet, die Allgemeinheit zu fördern, wenn die Höhe der Schulgebühren auch unter Berücksichtigung eines Stipendienangebots zur Folge hat, dass die Schülerschaft sich nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt (AEAO zu § 52 Nr. 5 Abs. 1).
Konsequenzen für Privatschulen
Die Finanzverwaltung unterscheidet im AEAO zwischen Ergänzungs- und Ersatzschulen. So ist eine Förderung der Allgemeinheit bei Ersatzschulen stets anzunehmen, da die zuständigen Landesbehörden den Betrieb einer Ersatzschule nur dann genehmigen dürfen, wenn kein Verstoß gegen das sog. Sonderungsverbot gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 3 Grundgesetzes vorliegt (AEAO zu § 52 Nr. 5 Abs. 2 Satz 2). Das Sonderungsverbot besagt, dass Schüler nicht ausschließlich nach den Besitzverhältnissen ihrer Eltern ausgewählt werden dürfen.
Möchten Sie Neuigkeiten wie diese monatlich in Ihr Postfach erhalten? Abonnieren Sie hier unseren Newsletter Nonprofitrecht aktuell.
Anders ist dagegen die Rechtslage bei Ergänzungsschulen: Diese benötigen für ihren Betrieb keine Genehmigung der Landesbehörden, sodass die Fiktion der Förderung der Allgemeinheit aufgrund einer Genehmigung einer zuständigen Behörde für sie nicht anwendbar ist. Die Finanzverwaltung erkennt daher die Förderung der Allgemeinheit bei Ergänzungsschulen nur an, wenn in ihren Satzungen festgelegt ist, dass bei mindestens 25% der Schüler keine Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern vorgenommen werden darf (AEAO zu § 52 Nr. 5 Abs. 2 Satz 3). Mit anderen Worten: 25% der Schüler müssen aus Familien stammen, die sich die Schulgebühren normalerweise nicht leisten könnten.
Keine Förderung der Allgemeinheit durch noch höhere Gebühren
Das Urteil des BFH wird dazu führen, dass Privatschulen ihre Schulgebühren erhöhen werden. Denn aufgrund der Aufnahme zusätzlicher Stipendiaten, fallen ihnen Einnahmen weg, die durch höhere Gebühren kompensiert werden müssen. Dies wird jedoch dazu führen, dass der Großteil der Schüler an Privatschulen – mit Ausnahme der Stipendiaten – aus noch wohlhabenderen und elitäreren Bevölkerungsschichten stammen werden, als es ohnehin bisher der Fall gewesen ist – eine Förderung der Allgemeinheit sieht anders aus.
An dieser Stelle ist der Gesetzgeber gefordert, Eltern steuerlich und finanziell zu entlasten. Eine Option wäre, die Grenze für den zulässigen Sonderausgabenabzug von Schulgeldern zu erhöhen. Denn bisher können Eltern nur 30% des Schulgelds, höchstens aber 5.000 Euro je Kind als Sonderausgaben in ihrer eigenen Steuererklärung geltend machen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Schulgebühren auf die derzeit zulässige Sonderausgabengrenze von maximal 5.000 Euro jährlich zu begrenzen.
Aberkennung der Gemeinnützigkeit vermeiden
Träger von Ersatz- und Ergänzungsschulen, die sich unsicher sind, ob sie gegen das Sonderungsverbot verstoßen, sollten sich an einen Experten für Gemeinnützigkeit wenden. Dieser kann bei Bedarf eine Satzungsänderung durchführen, damit nach der nächsten Betriebsprüfung keine Aberkennung der Gemeinnützigkeit droht. Unsere Anwälte unterstützen Sie gern.
Weiterlesen:
Gemeinnützigkeit von Privatschulen: Vorsicht beim Schulgeld!
Rechtliche Beratung für Gemeinnützigkeitsrecht und NPOs