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EuGH urteilt im Strafverfahren zum Mehrwertsteuerkarussell

Mehrere Personen sollen in Italien in den Jahren 2005 bis 2009 eine kriminelle Vereinigung gegründet und organisiert haben, um verschiedene Mehrwertsteuerdelikte zu begehen. Ihnen wird vorgeworfen, betrügerische rechtliche Konstruktionen in Form eines „Mehrwertsteuerkarussells“ geschaffen zu haben. Die Angeschuldigten sollen unter anderem Scheingesellschaften gegründet und falsche Unterlagen ausgestellt haben, um Champagnerflaschen mehrwertsteuerfrei erwerben zu können. Dies habe dazu geführt, dass das Unternehmen Planet Srl über Waren zu einem geringeren als dem Marktpreis verfügen konnte, was wegen des Weiterverkaufs an Kunden den Markt verfälschen konnte. Die Abkürzung „Srl“ steht für „Società a responsabilità limitata“: Eine italienische Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, die am ehesten mit einer GmbH vergleichbar ist.

Vollzugsdefizit in Italien

Aufgrund italienischen Strafverfahrensrechts, das kein Ruhen der Verjährung während eines laufenden Strafprozesses vorsieht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Straftaten noch vor dem Erlass eines rechtskräftigen Strafurteils verjähren. Das italienische Strafgericht in Cuneo legte daher dem EuGH die Frage vor, ob es die italienischen (Verjährungs-)Vorschriften aufgrund eines Verstoßes gegen europäisches Recht nicht anwenden soll. Das Strafgericht hat dabei mehrere europäische Normen genannt, gegen welche seiner Meinung nach bei Anwendung der Verjährungsvorschriften ein Verstoß vorliegen könnte.

Abschreckende Maßnahmen zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug erforderlich

Der EuGH hat die Vorlagefrage dahingehend beantwortet, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 325 AEUV rechtswidrige Handlungen, die sich gegen die finanziellen Interessen der Union richten, mit abschreckenden und effektiven Maßnahmen bekämpfen müssen. Dabei muss der Mitgliedstaat insbesondere die gleichen Maßnahmen ergreifen wie zur Bekämpfung von Betrug.

Nationale Vorschriften sind nicht anzuwenden

Falls die Anwendung der nationalen Bestimmungen über die Unterbrechung der Verjährung zur Folge haben sollte, dass in einer beträchtlichen Anzahl von Taten, die einen schweren Betrug begründen, nicht strafrechtlich geahndet werden, weil sie im Allgemeinen verjährt sind, wären die Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der Union gerichteten rechtswidrigen Handlungen in diesem Bereich nicht als wirksam und abschreckend anzusehen. Dies würde einen Verstoß gegen Unionsrecht darstellen mit der Folge, dass das Gericht die entgegenstehenden Gesetze unangewendet lassen müsste. Nach Ansicht des EuGH müsste das Gericht keine Gesetzesänderung oder dergleichen abwarten, sondern könnte selbst über die Anwendbarkeit der nationalen Vorschriften entscheiden.

Schließlich merkte der EuGH an, dass die Nichtanwendung der Verjährungsvorschriften keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen verstoßen würde.

Das Strafgericht ist nun gehalten, zu prüfen, ob es ein Vollzugsdefizit in Italien gibt.

Keine italienische Verhältnisse in Deutschland

Bemerkenswert ist an dieser Entscheidung der sichtbare Wille, auf europäischer Ebene auch über umsatzsteuerstrafrechtlich relevante Fragen zu entscheiden.

In Deutschland ist ein mit Italien vergleichbares Vollzugsdefizit nicht vorhanden. Die Verjährungsvorschriften sind weiter gefasst. Sie sehen in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung das Ruhen der Verjährung im Falle der Eröffnung landgerichtlicher Verfahren, umfangreiche Unterbrechungstatbestände und eine Verdoppelung der gesetzlichen Verjährungsfristen vor. Umfassende Beratung in Fällen von Steuerhinterziehung bieten unsere Fachanwälte für Steuerrecht an.

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Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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