Eine Studie der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. hat gezeigt, dass verschiedene Finanzämter identische Sachverhalte unterschiedlich behandeln. Dem Verein ging es in der Studie vor allem um die gemeinnützigkeitsrechtliche Anerkennung der politischen Willensbildung wie etwa in den Fällen von attac und BUND.
Fiktive Vereinssatzungen eingereicht
Zur Durchführung der Studie reichte die Allianz Satzungen von drei fiktiven Vereinen bei insgesamt 400 Finanzämtern deutschlandweit ein. Den Finanzämtern wurde nicht offengelegt, dass es sich um eine Studie handelte. Vielmehr wurden zugleich fiktive Ansprechpartner benannt. In allen Fällen beantragte die Allianz, die Satzung jeweils daraufhin zu überprüfen, ob der Verein als gemeinnützig anerkannt werden könne.
Bei den fiktiven Gründungen handelte es sich um folgende Vereine: „Musik ist Leitkultur“ (Förderung von Kunst und Kultur unter Einsatz für ein Bundesgesetz zur Finanzierung von Musikschulen), „Europäische Demokraten“ (Einsatz für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung und für eine Europäische Union nach dem föderalen Muster der Bundesrepublik Deutschland) sowie „Farbiges Deutschland“ (Einsatz gegen die Diskriminierung im Berufsleben aufgrund der Hautfarbe).
Zu viel politische Lobbyarbeit?
Antworten auf die Anfragen erhielten die Studienverantwortlichen von weniger als der Hälfte der angeschriebenen Finanzämter. Der relativ geringe Rücklauf geht wohl vor allem auf das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zurück, das den Finanzämtern die Beantwortung untersagte, nachdem es von der Studie Kenntnis erlangt hatte. Laut der Studie erkannten die Finanzämter „Musik ist Leitkultur“ in 48 Prozent der Fälle, „Europäische Demokraten“ in 70 Prozent und „Farbiges Deutschland“ in 42 Prozent der Fälle als gemeinnützig an.
Die Ablehnungsgründe seien unterschiedlicher Art gewesen, zumindest im Fall des auf Erlass eines Musikschul-Finanzierungs-Gesetzes gerichteten Vereins „Musik ist Leitkultur“ jedoch überwiegend mit dem Betreiben von Lobbyarbeit und der Einflussnahme auf die politische Willensbildung begründet worden.
Sind nicht alle Vereine vor dem Gesetz gleich?
Das Gemeinnützigkeitsrecht ist vom Bund gesetztes Recht. Der Bund hat daher gegenüber den Ländern eine gewisse Weisungsbefugnis. Im Regelfall werden aufkommende Zweifelsfragen zwischen Bundes- und Länderverwaltungen abgestimmt und durch sog. BMF-Schreiben zur gleichmäßigen Anwendung durch die einzelnen Finanzämter veröffentlicht. Die Bürger und Vereinigungen von Bürgern haben auf eine Gleichbehandlung gleicher Fälle ja einen Anspruch – sie alle sind laut Grundgesetz vor dem Gesetz gleich.
Vor diesem Hintergrund ist eine unterschiedliche Behandlung ein- und desselben Sachverhalts, so wie ihn die Studie zutage gefördert hat, bedenklich. Es wäre daher darüber nachzudenken, eine bundesweit einheitliche Stelle für die Entscheidung über steuerbegünstigte Zwecke zu schaffen. Unbekannt ist das im internationalen Vergleich nicht: Andere Länder wie etwa die USA haben zentral zuständige Behörden. Und auch im deutschen Gemeinnützigkeitsrecht findet sich ein Verweis auf eine zentral zuständige Behörde. Eine Zentralbehörde für sämtliche Anerkennungsverfahren wäre daher zwar neu, aber kein Fremdkörper im deutschen Recht.
Satzung sorgsam gestalten
Die Schaffung einer zentral zuständigen Anerkennungsbehörde ist aufgrund der dafür notwendigen Gesetzes- und Verwaltungsänderungen in nächster Zeit realistischerweise allerdings nicht zu erwarten. Daher gilt: Insbesondere politisch aktive Vereine (wie in der beschriebenen Studie) haben auf eine besonders sorgsame Satzungsgestaltung Wert zu legen. Gerne sind Ihnen unsere Experten für Gemeinnützigkeitsrecht dabei behilflich.
Die gute Nachricht ist: Es finden sich für die meisten Vereinszwecke entsprechende steuerbegünstigte Zwecke in der Abgabenordnung (AO). Mit etwas Formulierungsgeschick und Argumentation gegenüber der Finanzverwaltung lässt sich somit auch allgemeinpolitisches Engagement regelmäßig steuerlich fördern, auch wenn sich das Engagement stets auf die selbstlose Förderung der Allgemeinheit zu richten hat. Eine rein politische Aktivität, insbesondere eine solche, die bestehende Parteien unterstützt, ist hingegen gemeinnützigkeitsrechtlich nicht anerkennungsfähig. Für Parteien existieren nämlich gesonderte Steuerbegünstigungen, die nicht durch das Gemeinnützigkeitsrecht unterlaufen werden dürfen.
„Engagiert euch – nicht? Wie das Gemeinnützigkeitsrecht politisches Engagement erschwert“ – Eine empirische Untersuchung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V., erschienen am 22.03.2018
Weiterlesen:
Jetzt entscheidet der Bundesfinanzhof über Attac
Welche Vorteile ergeben sich aus der Gemeinnützigkeit?
Tags: Finanzamt, Verein, Vereinssatzung