Die Berliner Finanzverwaltung hat der Petitionsplattform Change.org die Gemeinnützigkeit entzogen. Welche Gründe hierfür ausschlaggebend waren und welche Maßnahmen Change.org nun dagegen ergreifen kann, verraten wir Ihnen in diesem Beitrag.
Wie funktioniert Change.org?
Bei Change.org handelt es sich um eine Petitionsplattform in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Ihr Satzungszweck ist die Förderung des demokratischen Staatswesens, so dass sie bis vor kurzem noch als gemeinnützig anerkannt war. Auf Change.org kann jeder kostenlos Online-Petitionen erstellen, die sich sowohl gegen staatliche als auch private Organisationen, wie z.B. gewerbliche Konzerne, richten. Finanziert wird die Plattform ausschließlich durch Spenden sowie Förderbeiträge.
Warum verliert Change.org die Gemeinnützigkeit?
Ausschlaggebend für den Verlust der Gemeinnützigkeit war vor allem die Tatsache, dass Nutzer auch Petitionen erstellen konnten, die sich gegen private Organisationen richten. Aus Sicht der Berliner Finanzverwaltung decke der Satzungszweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ jedoch nur Petitionen an staatliche Stellen ab. Change.org könne seine Gemeinnützigkeit daher nur auf zwei Wegen behalten: Entweder lässt es keine Petitionen an private Organisation mehr zu und löscht die bereits bestehenden Petitionen oder es erhebt alternativ Gebühren für die Erstellung solcher Petitionen. Da Change.org keinen der beiden Vorschläge umsetzen wollte, hat das zuständige Finanzamt der Organisation schließlich die Gemeinnützigkeit im Februar diesen Jahres aberkannt.
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Welche Folgen drohen Change.org?
Change.org darf keine Spendenbescheinigungen mehr ausstellen, so dass Spenden an Change.org nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden können. Damit droht der Organisation ein erheblicher Rückgang an Spendeneinnahmen. Dies könnte für den Verein existenzgefährdend sein, da er sich laut seinem Jahresbericht ausschließlich durch Spenden und Förderbeiträge finanziert.
Wie könnte Change.org seine Gemeinnützigkeit wiedererlangen?
Den wichtigsten Schritt hat Change.org bereits getan: Es hat fristgerecht gegen den Steuerbescheid für die Jahre 2016 und 2017 Einspruch eingelegt. Ohne einen Einspruch wäre der Bescheid mittlerweile aus formeller Sicht bestandskräftig geworden, mit der Folge, dass sich Change.org nicht mehr rechtlich gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit hätte wehren können. Nun muss Change.org zunächst abwarten, wie das Finanzamt über den Einspruch entscheidet. Sollte der Einspruch erfolglos bleiben, kann die Organisation im Anschluss Klage beim Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg erheben.
Wie wären die Gebühren für Petitionen steuerlich zu behandeln?
Der Nachteil an einem Einspruchs- und Klageverfahren ist, dass mehrere Jahre vergehen können, bis der Streit final – ggf. sogar vom Bundesfinanzhof (BFH) – entschieden wird. Zudem kommen auf den Verein hohe Rechtsberatungs- und Rechtsverfolgungskosten zu. Vor diesem Hintergrund und der Gefahr zukünftig einbrechender Spendeneinnahmen könnte es für Change.org sinnvoll sein, zunächst dem Vorschlag der Berliner Finanzverwaltung zu folgen und Gebühren auf Petitionen zu erheben, die sich an private Organisationen richten. Diese Gebühren würden dann im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb anfallen und erst bei Überschreiten der jährlichen Freigrenze von 45.000 Euro körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig sein.
Hinweis
Aus rein gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht erscheint die Entscheidung der Berliner Finanzverwaltung vertretbar. Denn der Zweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ deckt nach der Rechtsprechung des BFH nur die Einflussnahme auf staatliche, nicht jedoch private Institutionen ab – und das auch nur, wenn die gemeinnützige Zielsetzung der Organisation dies erfordert. Zudem agiert Change.org durch seine Petitionen ähnlich wie ein Berufs- bzw. Lobby-Verband. Diese sind jedoch in den meisten Fällen nicht gemeinnützig, da sie nicht die Allgemeinheit fördern, sondern nur die Interessen Einzelner (hier der Petenten) verfolgen und damit nicht selbstlos agieren. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Berliner Finanzverwaltung auf den Einspruch von Change.org reagieren wird und ob es nach einer ablehnenden Entscheidung tatsächlich zu einem Klageverfahren vor dem FG Berlin-Brandenburg kommt. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
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Seitdem mit Hilfe der Public Private Partnerships staatliche Belange in zunehmendem Maße an privatwirtschaftliche Firmen abgetreten werden, erachte ich den Entzug der Gemeinnützigkeit für nicht gerechtfertigt.
Mit freundlichen Grüßen
Georg Eberl