Der Bundesfinanzhof (BFH) hat vor Kurzem die Frage entschieden, wie die Abrechnung von Rettungsdienstleistungen für Dritte umsatzsteuerlich zu behandeln ist. Diese Entscheidung betrifft alle NPOs aus diesem Bereich, da bei einer falschen umsatzsteuerlichen Einordnung dieser Leistungen hohe Steuernachzahlungen drohen.
Verband erbringt Abrechnungsleistungen für Dritte
Der Fall vor dem BFH betraf einen als gemeinnützig und mildtätig anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege, der Rettungsdienstleistungen durchführt. Er wurde von einem Landkreis damit beauftragt, nicht nur die Abrechnung seiner eigenen, sondern auch die Abrechnung der Rettungsdienstleistungen anderer Anbieter gegenüber den Sozialleistungsträgern zu übernehmen, um Kosten zu sparen. Die Umsätze aus diesen Abrechnungsleistungen für die fremden Rettungsdienstleister behandelte der Verband als umsatzsteuerfrei, sodass er keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abführte.
Finanzamt und Finanzgericht: Leistungen sind umsatzsteuerpflichtig
Das Finanzamt war jedoch gegenteiliger Auffassung, sodass es eine hohe Umsatzsteuernachzahlung gegen den Verband festsetzte. Nachdem der Einspruch des Verbands gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid erfolglos blieb, reichte er schließlich Klage beim Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern ein. Doch das Gericht wies die Klage des Verbands ab und bestätigte, dass das Finanzamt die Nachzahlung zu Recht festgesetzt habe, da die Abrechnungsleistungen nicht unmittelbar den Notfallpatienten zugutekommen seien.
BFH: Geänderte EuGH-Rechtsprechung muss beachtet werden
In seiner Revisionsentscheidung hob der BFH das Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern auf. Der Grund: Die Abrechnungsleistungen stellen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen dar, die nach der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSysRL), auf der unser Umsatzsteuerrecht basiert, steuerbefreit sind. Zwar war es nach der bisherigen Rechtsprechung notwendig, dass diese Dienstleistungen unmittelbar gegenüber den Hilfsbedürftigen wie z.B. den Notfallpatienten erbracht werden. Allerdings erging in der Zwischenzeit ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das die bisherige Rechtslage zugunsten des Verbandes geändert habe. Nach diesem Urteil hänge die Steuerbefreiung der Dienstleistung nicht mehr davon ab, an wen sie erbracht werde, sondern allein davon, ob sie einen unerlässlichen (Zwischen-)Schritt für die Durchführung der Maßnahmen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit darstelle.
Abrechnungsleistungen sind unerlässlich
Dies sei vorliegend erfüllt, so der BFH: Denn ohne die Abrechnungsleistungen des Verbands wäre eine Kostenübernahme durch die jeweiligen Sozialleistungsträger nicht möglich gewesen. Aus Kostengründen verlangten die Sozialleistungsträger, dass für den Landkreis nur eine Einrichtung, hier der Verband, die Abrechnungen gegenüber ihnen durchführte. Hätte der Verband diese Abrechnung nicht durchgeführt, hätten die im Landkreis tätigen Rettungsdienstleiter ihre Kosten für die Rettungsdienstleistungen nicht erstattet bekommen. Ohne eine Kostenerstattung wäre es den Rettungsdienstleistern jedoch nicht möglich, ihre Rettungsfahrten oder Krankentransporte durchzuführen. Die Abrechnungsleistungen des Verbands stellen somit einen unerlässlichen Schritt bei der Durchführung der Rettungsdienstleistung dar, sodass sie als umsatzsteuerfreie, eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen zu behandeln seien, so das Gericht.
Ordnungsgemäße Abrechnung unverzichtbar für Kostenübernahme
Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen: Das Gericht hat unseres Erachtens zu Recht entschieden, dass es für die Umsatzsteuerbefreiung nicht darauf ankommen kann, ob die Dienstleistung direkt an die Hilfsbedürftigen erbracht wird oder nicht. Zwar hängen die Abrechnungsleistungen nicht unmittelbar mit den Rettungseinsätzen oder den Krankentransporten zusammen. Jedoch ist eine ordnungsgemäße Abrechnung unerlässlich für die Übernahme der Kosten durch die Sozialleistungsträger und damit letztendlich für die Finanzierung der Rettungsdienste. Wie die Krankentransporte selbst sind daher auch die Abrechnungsleistungen als umsatzsteuerfreie Leistungen zu behandeln.
Aus ertragssteuerlicher Sicht weiterhin spannend
Dieser Fall zeigt erneut, wie schwierig die richtige steuerliche Einordnung von Umsätzen sein kann und welch wichtige Rolle die europarechtlichen Regelungen bei der Umsatzsteuer spielen. NPOs, die auf Nummer sicher gehen wollen, sollten daher in Vorbereitung auf die nächste Betriebsprüfung ihren Steuerberater mit der Durchführung einer Betriebsprüfungssimulation beauftragen, um mögliche Schwachstellen in der umsatzsteuerlichen Dokumentation zu identifizieren und finanzamts- und gerichtsfest zu beheben. Ferner ist dieser Fall auch aus ertragsteuerlicher Sicht spannend: Denn derzeit ist beim BFH noch die Frage anhängig, ob die Einnahmen aus den Abrechnungsleistungen dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb oder dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäft zuzuordnen sind (Az. V R 19/21).
BFH, Urteil v. 24.02.2021 – XI R 32/20 (XI R 42/19)
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