Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat in seinem Urteil vom 29.06.2021 entschieden, dass die Stiftungsaufsicht nicht darüber entscheiden darf, ob die Abberufung eines Stiftungsvorstands wirksam erfolgt ist. Dafür seien allein die Zivilgerichte zuständig, so das Gericht.
Streit zwischen Stiftungsvorständen
Der Fall vor dem OVG Lüneburg betraf eine Stiftung, die von drei Stiftungsvorständen geleitet wurde. Zwei der Vorstände lagen jedoch mit dem dritten Vorstand im Clinch. Die Fronten zwischen den beiden Lagern waren derart verhärtet, dass sie sich gegenseitig abberufen haben. Ob die Abberufungen rechtlich wirksam waren, war noch ungeklärt.
Stiftungsaufsicht: Keine Vertretungsbescheinigung für Vorstand
Der dritte Vorstand beantragte bei der Stiftungsaufsicht die Ausstellung einer Vertretungsbescheinigung, die allein auf seinen Namen lauten sollte. Diese weigerte sich jedoch die begehrte Vertretungsbescheinigung auszustellen und stellte stattdessen eine Vertretungsbescheinigung auf den Namen der anderen beiden Vorstände aus.
Der Vorstand, so die Stiftungsaufsicht, sei nicht vertretungsberechtigt, da ihn die anderen beiden Vorständen wirksam abberufen hätten. Somit sei nicht er, sondern allein die beiden anderen Vorstände vertretungsberechtigt. Der von dieser Entscheidung benachteiligte Vorstand wehrte sich hiergegen im vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht (VG) Hannover – allerdings ohne Erfolg.
OVG Lüneburg: Stiftungsaufsicht hat Kompetenzen überschritten
Die anschließende Beschwerde beim OVG Lüneburg hatte dagegen Erfolg: Das Gericht entschied, dass die ausgestellte Vertretungsbescheinigung rechtswidrig sei, da die Stiftungsaufsicht nicht darüber entscheiden dürfe, ob die Abberufung eines Stiftungsvorstandes wirksam sei oder nicht. Denn das niedersächsische Stiftungsgesetz enthalte keine gesetzliche Grundlage, die die Stiftungsaufsicht zu solch einer Entscheidung ermächtige. Nach dem Gesetzeswortlaut dürfe die Stiftungsaufsicht lediglich bescheinigen, wer zur Vertretung der Stiftung berechtigt ist. Für die Beantwortung stiftungsrechtlicher Fragen, etwa ob eine Abberufung rechtmäßig erfolgt ist oder eine Satzung wirksam geändert wurde, seien jedoch allein die Zivilgerichte verantwortlich.
Die Stiftungsaufsicht dürfe die Ausstellung einer Vertretungsbescheinigung nur in den Fällen verweigern, in denen es offensichtlich sei, dass die antragstellende Person die Stiftung nicht vertreten könne. In unklaren Fällen müsse die Behörde jedoch zunächst die Entscheidung der Zivilgerichte abwarten, ehe sie eine Vertretungsbescheinigung ausstelle, so das Gericht.
Entscheidungen und Maßnahmen auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen lassen
Dieser Fall zeigt, dass Stiftungen die Entscheidungen und Maßnahmen ihrer Stiftungsaufsicht nicht einfach hinnehmen, sondern diese stets von einem Experten für Stiftungsrecht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen sollten.
OVG Lüneburg, Beschluss v. 29.06.2021 – 8 ME 135/20
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