Das OLG Naumburg hat sich in seiner Entscheidung vom 26.10.2023 zu der Frage der Widerrufbarkeit eines Vereinsvorstands mit Amtszeitbestimmung geäußert. Worum es in der Entscheidung ging und warum die Argumentation des Gerichts zum richtigen Ergebnis geführt hat, aber dennoch zu kritisieren ist, soll nachfolgend dargestellt werden.
Ehemaliger Vereinsvorstand klagt gegen seine Abberufung
Im vorliegenden Fall wurde der zweite Vorsitzende eines Tierschutzvereins durch den Beschluss der Mitgliederversammlung abberufen. Daraufhin wandte sich der abberufene Vorstand an das LG Halle und beantragte Feststellung darüber, dass der Beschluss über seine Abberufung nichtig sei. Der Antrag wurde jedoch mit Urteil vom 23.12.2022 zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene Berufung vor dem OLG Naumburg ein.
OLG Naumburg: Vorstandsmitglied kann bei Bestimmung einer Amtszeit darauf vertrauen, nicht abberufen zu werden
Das OLG Naumburg stellte zunächst fest, dass es unschädlich sei, dass der Verein keinen rechtzeitigen Zugang der Ladung zu der Mitgliederversammlung bei dem Betroffenen beweisen konnte. Der Verstoß werde im gegebenen Fall durch die unstreitige Anwesenheit und die Mitwirkung des ehemaligen Vorstands in der fraglichen Mitgliederversammlung geheilt.
Ferner könne der Kläger die Nichtigkeit des fraglichen Beschlusses auch nicht darauf stützen, dass kein wichtiger Grund für seine Abberufung vorliege:
Insoweit stellte das Gericht zunächst fest, dass die Satzung keine Beschränkung der freien Abberufbarkeit durch Satzungsregelung vorsah: Nach der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 2 BGB kann durch die Satzung vom Grundsatz der freien Widerruflichkeit der Vorstandsbestellung abgewichen und die Widerruflichkeit auf den Fall beschränkt werden, dass ein wichtiger Grund vorliegt.
Das Gericht führte dann jedoch weiter aus, dass vorliegend trotzdem ein wichtiger Grund für die Abberufung des Vorstands erforderlich sei, da der Kläger für eine bestimmte Amtszeit zum zweiten Vorsitzenden bestimmt worden sei. Aus diesem Grund dürfe er grundsätzlich darauf vertrauen, während der laufenden Periode nicht ohne wichtigen Grund abberufen zu werden, so das Gericht.
Das Gericht führte sodann weiter aus, dass ein anerkannter wichtiger Grund für die Abberufung gegeben sei, wenn dem Verein die Fortsetzung des Organverhältnisses mit dem Vorstandsmitglied bis zum Ende seiner Amtszeit nicht zugemutet werden kann und vorliegend ein solcher Fall gegeben sei: Aufgrund der Zerrüttung des Verhältnisses zwischen dem Kläger und den übrigen Vorstandsmitgliedern sei eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr möglich.
Nach Auffassung des OLG hatte die Berufung des Klägers somit aufgrund des Vorliegens eines wichtigen Grundes keinen Erfolg, denn der Beschluss über die Abberufung des zweiten Vorsitzenden sei nicht nichtig.
Widerruf wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes setzt zwingend Satzungsregelung voraus
Der Entscheidung des OLG Naumburg ist im Ergebnis zuzustimmen, allerdings nicht der Annahme, für die Abberufung bedürfe es eines wichtigen Grundes.
Die vereinsrechtliche Literatur und Rechtsprechung geht einhellig davon aus, dass eine in der Satzung festgelegte Amtszeit nicht den Schluss rechtfertigt, dass der Vorstand nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann. Entgegen der Auffassung des Gerichts kann daher die Festlegung einer bestimmten Amtszeit nicht dazu führen, dass der Grundsatz der freien Abberufbarkeit des Vorstands aufgehoben wird. Dies kann nur durch eine ausdrückliche Satzungsregelung erreicht werden. Zur freien Abberufbarkeit gehört auch, dass die Abberufung nicht begründet werden muss.
Die aktienrechtlichen Regelungen, wonach gem. § 84 Abs. 4 Satz 1, 2 AktG für den Widerruf das Vorliegen eines der in § 84 Abs. 4 Satz 2 AktG genannten wichtigen Gründe vorausgesetzt wird, sind nicht entsprechend anzuwenden. Die Position des Vorstands einer Aktiengesellschaft ist stärker ausgestaltet, als die eines Vereinsvorstands. Insoweit kann diese gesetzgeberische Wertung des AktG nicht auf die Abberufung eines Vereinsvorstands übertragen werden.
Neben einer ausdrücklichen Satzungsregelung wird eine Einschränkung des Grundsatzes der freien Widerrufbarkeit lediglich dann angenommen, wenn dem Vorstandsmitglied ein Sonderrecht i.S.d. § 35 BGB auf die Vorstandsposition zugewiesen ist. Da der Vorstand in diesen Fällen betreffend seine Position einen stärkeren Schutz genießt, ist für eine Abberufung dessen Einverständnis oder alternativ das Vorliegen eines wichtigen Grundes Voraussetzung. Eine Sonderrechtsstellung des Klägers war im vorliegenden Fall jedoch nicht vorhanden.
Woraus genau das OLG Naumburg seine Argumentation bzgl. des schutzwürdigen Vertrauens ableitet, ist im Urteil nicht ersichtlich. Die Annahme, dass zur Abberufung wegen der Amtszeitbestimmung ein wichtiger Grund erforderlich sei, vermag daher nicht zu überzeugen und widerspricht auch der gängigen Praxis.
OLG Naumburg Urteil vom 26.10.2023 – 4 U 11/23
Weiterlesen:
Besonderer Vertreter im Verein: Pflichtendelegation und Haftung
Rundumberatung zu Vereinsgründung, Verbandsgründung, Vereinsrecht und Verbandsrecht