Um die Menge der anfallenden Aufgaben zu bewältigen, gibt es für Vereine oder Verbände die Option des sog. besonderen Vertreters gem. § 30 BGB. Verfügt ein Verein über einen besonderen Vertreter, kann diesem ein Teil der Aufgaben des Vorstands übertragen und diese so delegiert werden. Dies betrifft oftmals auch die laufende Geschäftsführung des Vereins, und der besondere Vertreter tritt dann als Geschäftsführer des Vereins auf.
Wir erläutern die Voraussetzungen für die Bestellung eines besonderen Vertreters, den Umfang einer möglichen Pflichtendelegation und die haftungsrechtlichen Konsequenzen:
Anforderungen an die Satzung
Die Satzung muss hierzu bestimmen, für welche Aufgaben bzw. Geschäftsbereiche der Geschäftsführer konkret zuständig sein soll. Hierfür genügt bereits eine sog. Minimalregelung, wonach die Satzung lediglich einen bestimmten Tätigkeitsbereich festschreibt, für den die eigenverantwortliche und vorstandsähnliche Selbstständigkeit gewollt ist. Allerdings sollte die Satzungsbestimmung klar und eindeutig sein.
Bestellung des besonderen Vertreters
Die Bestellung eines besonderen Vertreters obliegt grundsätzlich der Mitgliederversammlung. Die Satzung kann jedoch für die Bestellung auch ein anderes Organ wie z.B. den Vorstand vorsehen.
Vertretungsmacht und Pflichtenkreis des besonderen Vertreters
Der Umfang der Vertretungsmacht, die einem besonderen Vertreter zustehen soll, ergibt sich aus der Regelung in der Vereinssatzung. Innerhalb des ihm zugewiesenen Geschäftskreises ist der besondere Vertreter gem. § 30 Satz 2 BGB im Zweifel hinsichtlich aller Rechtsgeschäfte vertretungsbefugt. Zu beachten ist dabei, dass er trotzdem an die Weisungen eines übergeordneten Organs gebunden ist. Auch ist es gem. § 30 Satz 2 BGB möglich, die Vertretungsmacht des besonderen Vertreters durch eine Satzungsregelung zu beschränken
Da einem besonderen Vertreter im Wege der Pflichtendelegation je nach konkreter Regelung gem. § 27 Abs. 3 BGB auch umfassende Vorstandstätigkeiten übertragen werden können, stellt sich die Frage, wie weit das Maß der vom Vorstand auf den besonderen Vertreter übertragenen Tätigkeiten im Wege der sog. organschaftlichen Pflichtendelegation gehen kann.
Von einer organschaftlichen Pflichtendelegation spricht man, wenn in der Satzung oder durch eine Satzungsermächtigung Aufgaben des gesetzlichen Vorstands auf eine andere Person oder ein anderes Organ in der Weise übertragen werden, dass der Vorstand von der Erfüllung dieser Pflichten selbst so weit befreit wird, dass ihm nur noch eine Überwachungsfunktion zukommt.
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Dieser Auswahl- und Überwachungsverantwortung hinsichtlich des Geschäftsführers bzw. des besonderen Vertreters, kann sich der gesetzliche Vorstand nicht entziehen. Für diese Restverantwortung des Vorstands gelten drei Grundsätze:
- Der gesetzliche Vorstand bleibt für solche Aufgaben letztverantwortlich, die von vornherein nicht delegiert werden können (z.B. die Insolvenzantragspflicht gem. § 42 Abs. 2 BGB).
- Es verbleibt eine Mitverantwortung des Vorstands im Sinne einer Plausibilitätsprüfungspflicht für Maßnahmen, an denen der Vorstand selbst durch Vertretungshandlungen nach außen mitwirkt.
- Es ist danach zu unterscheiden, wer für die Bestellung des besonderen Vertreters zuständig ist. Ist z.B. der Vorstand zuständig, trifft ihn auch die Auswahlverantwortung sowie ggf. eine Ersetzungspflicht. Hat dagegen die Mitgliederversammlung das Sonderorgan bestellt, trifft den gesetzlichen Vorstand für den übertragenen Verantwortungsbereich auch keine weitere Restverantwortung.
Haftung des besonderen Vertreters
Der besondere Vertreter ist, wie auch der Vorstand, für die Führung der ihm zugewiesenen Geschäfte gegenüber dem Verein verantwortlich und haftet auch nach denselben Grundsätzen wie die Mitglieder des Vorstands. Oftmals wird der besondere Vertreter allerdings im Zuge der Professionalisierung beim Verein implementiert und erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung, sodass die Haftungsprivilegien für ehrenamtliche Vereinsorgane nicht greifen.
Haftungsrechtliche Konsequenzen der Pflichtendelegation für den Vorstand
Bei der Frage, welche Konsequenzen die Delegation von Pflichten des Vorstands hat, ist danach zu unterscheiden, ob es sich um einen Fall der zulässigen Delegation oder um einen Fall der unzulässigen Delegation handelt.
Handelt der besondere Vertreter im Rahmen der der Erfüllung der ihm übertragenen Angelegenheiten der Geschäftsführung aufgrund einer zulässigen Delegation, begründet dies keine Haftung des Vorstands. Eine Zurechnung scheidet aus, da der besondere Vertreter kein Erfüllungsgehilfe des Vorstandsmitglieds ist. Die Delegation erfolgt aufgrund der Regelung der Vereinssatzung, weshalb der besondere Vertreter ausschließlich im Pflichtenkreis des Vereins tätig wird. Allein die pflichtwidrige Auswahl, Einweisung oder Überwachung des besonderen Vertreters durch den Vorstand kann hierbei eine Haftung des Vorstands auslösen.
Handelt es sich dagegen um die Delegation von Aufgaben, die einer Delegation nicht zugänglich sind, handelt der Vorstand pflichtwidrig. Dabei ist zu beachten, dass dem Vorstand zwar das Verhalten des besonderen Vertreters nicht zugerechnet wird, jedoch davon auszugehen ist, dass die pflichtwidrige Delegation als eigenständige Pflichtverletzung des Vorstands für den Schaden ursächlich geworden ist.
Bei weiteren Fragen zu besonderen Vertretern im Verein sind Ihnen unsere erfahrenen Anwälte für Vereinsrecht gerne behilflich.
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