Nach einem langen Gesetzgebungsverfahren wurde das Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) am 27.03.2024 verkündet. Das Gesetz bringt auch Neuerungen, die für gemeinnützige Organisationen besonders interessant sind:
Ermäßigter Umsatzsteuersatz bei Leistungen von Zweckbetrieben
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG, der den ermäßigten Steuersatz von 7% auf Leistungen gemeinnütziger Träger regelt, wurde im Rahmen des Wachstumschancengesetzes in zweierlei Hinsicht angepasst:
Bisher war in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG für Zweckbetriebe nach § 65 AO und für Zweckbetriebe nach den § 66–68 AO die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nur möglich, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmen ausgeführt werden. Mit der umsatzsteuerlichen Prüfung der Wettbewerbsrelevanz sollen Wettbewerbsverzerrungen durch die Steuerbegünstigung vermieden werden.
Sind die von der Körperschaft verfolgten steuerbegünstigten Zwecke auch ohne steuerlich begünstigte entgeltliche Tätigkeit („Zweckbetrieb“) zu erreichen, so ist aus der Sicht des Gemeinnützigkeitsrechts eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs vermeidbar. Die Rechtsprechung nahm eine umsatzsteuerlich relevante Wettbewerbsverzerrung beispielsweise bei dem Betrieb einer Kfz-Werkstatt durch einen gemeinnützigen Verein und bei der Verbraucherberatung durch vergleichende Untersuchungen von Versicherungen an (BFH, Urt. v. 26.08.2021, V R 5/19) und verweigerte insoweit die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes wegen Vorliegens eines Wettbewerbs.
Bei den „allgemeinen“ Zweckbetrieben des § 65 AO wird bereits im Rahmen der Prüfung der Zweckbetriebseigenschaft vorausgesetzt, dass die Körperschaft mit dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als dies bei Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks unvermeidbar ist. Demgegenüber stellt § 12 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a UStG „nur“ darauf ab, dass ein Wettbewerb vorliegt. Ob dieser unvermeidbar ist, war für die umsatzsteuerliche Prüfung nach der bisherigen Rechtslage irrelevant. Die Rechtsprechung führte in der Praxis dazu, dass Leistungen von Zweckbetrieben gem. § 65 AO dem regulären Steuersatz unterfielen, da kaum Konstellationen denkbar sind, in denen ein Zweckbetrieb nach § 65 AO nicht zu herkömmlichen Unternehmen in Wettbewerb tritt.
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Diesem Widerspruch ist der Gesetzgeber nun begegnet und sieht mit der Neuregelung für Zweckbetriebe i.S.d. § 65 AO keine gesonderte umsatzsteuerliche Prüfung der Wettbewerbsrelevanz der Betätigung mehr vor. Für die „besonderen“ Zweckbetriebe der §§ 66–68 AO ist die Prüfung der Wettbewerbsrelevanz aber weiterhin erforderlich.
Zudem wurde in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ein neuer Satz 4 eingefügt. Dieser stellt nunmehr klar, dass die Steuerermäßigung auch dann greift, wenn umsatzsteuerbare Leistungen gegenüber oder auch durch vom steuerbegünstigten Leistungszweck erfasste Personen erbracht werden.
Besondere Relevanz für Inklusionsbetriebe
Diese Einfügung ist besonders relevant für Inklusionsbetriebe, bei denen in der Regel nicht die steuerbare Leistung gegenüber dem Endkunden der Zweckverwirklichung dient, sondern die Art der Leistungserbringung. Inklusionsbetriebe erbringen ihre unternehmerischen Leistungen unter Einbindung von Menschen mit Behinderung in den Wertschöpfungsprozess mit dem Ziel, Menschen mit Behinderung eine Qualifizierung, Beschäftigung oder Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Der BFH hatte allerdings mit Urteil vom 23.07.2019 (XI R 2/17) entschieden, dass die Umsätze u.a. aus Gastronomieleistungen, die ein gemeinnütziger Verein, der im Rahmen eines Inklusionsbetriebes ein Bistro betreibt, erzielt, selbst dann nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt zu besteuern seien, wenn diese Leistungen der Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke gedient haben. Die Entscheidung begründete der BFH damit, dass die Leistungen in erster Linie den Zwecken der Besucher (Verbraucher) und der Nutzer dienen, die nicht vom gemeinnützigen Zweck der Einrichtung des Klägers erfasst würden. Die Unionsrechtskonformität dieser Rechtsprechung war allerdings zweifelhaft.
Mittlerweile ist auch unionsrechtlich klargestellt, dass zur Beantwortung der Frage, ob eine Zweckbetriebsleistung selbst die satzungsmäßigen Zwecke verwirklicht, nicht nur auf den Leistungsempfänger abgestellt werden kann, sondern eine Gesamtschau anzustellen ist, die die Tätigkeit und die Ziele der Einrichtung als Ganzes berücksichtigt (Erwägungsgründe der Richtlinie (EU) 2022/542 des Rates vom 05.04.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285).
Beide Neuerungen wurden nicht durch den Vermittlungsausschuss geändert und traten am 28.03.2024 in Kraft.
Änderungen zur Verlustverrechnung bei der Körperschaftsteuer
Änderungen im Unternehmenssteuerrecht, die vor allem für nicht gemeinnützige Körperschaften gelten, betreffen auch gemeinnützige Körperschaften, die steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe betreiben, denn insoweit unterliegen auch steuerbegünstigte Einrichtungen der Ertragsbesteuerung. Bei der folgenden Neuerung geht es insbesondere um die Verrechnung von Verlusten bei der Körperschaftsteuer.
Nach dem bisher geltenden Recht ist bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. Euro bzw. 2 Mio. Euro (Ehegatten) der Verlustvortrag für jedes Verlustvortragsjahr unbeschränkt möglich. Für den Teil, der den Sockelbetrag überschreitet, ist der Verlustvortrag auf 60% des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt. Für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 wird der Verlustvortrag auf 70% (zuvor 75%) des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt. Die Erweiterungen des Verlustvortrags gelten auch für die Körperschaftsteuer (§§ 8 Abs. 1 KStG i.V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG). Ab dem Veranlagungszeitraum 2028 wird bei der sog. Mindestgewinnbesteuerung die Prozentgrenze von 60% wieder angewandt.
Option der Körperschaftsbesteuerung für eingetragene GbRs
Durch diese Änderung erhalten eingetragene GbRs die Möglichkeit, die Körperschaftsbesteuerung zu optieren. Bisher konnten das ausschließlich Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften. Die herrschende Literaturmeinung hat die Auffassung, dass Personengesellschaften, die diese Option wählen, nach den allgemeinen gesetzlichen Regeln wegen Gemeinnützigkeit steuerbegünstigt sein können. Damit könnten eingetragene Gesellschaften bürgerlichen Rechts von der Gewerbesteuer befreit werden.
Im Gesetzesentwurf (BT-Drucksache 20/8628) war noch die Möglichkeit der Option zur Körperschaftsteuer für alle Personengesellschaften vorgesehen; im Bundestag wurde im November 2023 der durch den Finanzausschuss in dieser (und anderer) Hinsicht geänderte Gesetz verabschiedet. Durch den Vermittlungsausschuss wurden keine weiteren Änderungen vorgenommen. Das Gesetz trat am 28.03.2024 in Kraft.
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