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Vorsteuer: BFH-Vorlage an den EuGH zum Vorsteuerabzug bei unternehmerischer Mindestnutzung

§ 15 Abs. 1 S. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bestimmt, dass die Lieferung, die Einfuhr oder der Erwerb eines Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt, nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt. In diesem Fall ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Wie diese Regelung auszulegen ist und ob sie gegen die Mehrtwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) verstößt, war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof (BFH). Dieser hat mit Beschluss vom 16. Juni 2015 den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Entscheidung gebeten.

Finanzamt lässt Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zu

In dem vom BFH zu entscheidenden Fall ging es um einen Kreisstraßenbetrieb. Dieser hatte die hoheitliche Aufgabe, die Verkehrssicherheit auf den Straßen seines Gebietes zu erhalten. Das umfasst den Winterdienst, Mäh- und Kehrarbeiten, den Baumschnitt und verschiedene Reparaturarbeiten. Der Kreisstraßenbetrieb erwarb verschiedene Arbeitsmaschinen, Nutzfahrzeuge und entsprechendes Zubehör. Diese verwendete er im Wesentlichen für die soeben beschriebenen Aufgaben, sprich im Rahmen seiner öffentlichen Gewalt. Das Finanzamt ließ die dahingehendend geltend gemachten Vorsteuerbeträge aber nicht zum Abzug zu. Die angeschafften Gegenstände seien nämlich nicht – wie es das Gesetz vorschreibt – zu mindestens 10 Prozent für unternehmerische, sondern allein für hoheitliche Zwecke genutzt worden.

Grundsätzlich geht das Umsatzsteuerrecht von drei möglichen Verwendungszwecken aus: Entfaltet der Unternehmer wirtschaftliche Tätigkeiten, ist er zum Vorsteuerabzug berechtigt (Sphäre 1). Beabsichtigt der Unternehmer hingegen eine (teilweise) Verwendung für sog. unternehmensnahe nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten, ist der Vorsteuerabzug insoweit ausgeschlossen (Sphäre 2). Ebenso ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug in Sphäre drei: In dieser bewegt sich der Unternehmer, wenn er eine von ihm bezogene Leistung ausschließlich für unternehmensfremde, sprich private Zwecke verwenden will.

Vorsteuerabzug ausgeschlossen

Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung des deutschen Umsatzsteuerrechts lag das Finanzamt mit seiner Rechtsauffassung richtig, bestätigte der BFH in seinem Beschluss. Der Vorsteuerabzug im Falle des Kreisstraßenbetriebes sei ausgeschlossen, soweit der Betrieb die angeschafften Geräte für seine hoheitlichen Aufgaben verwendete. Diese von ihm ausgeübten Tätigkeiten seien nämlich der Sphäre der nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten zuzuordnen.

Verstößt das deutsche Steuerrecht gegen Unionsrecht?

Fraglich sei aber, ob das deutsche UStG damit nicht gegen das Unionsrecht verstößt. Nach den Vorschriften der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) ist nämlich grundsätzlich jeder Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt, der eine der in der MwStSystRL aufgeführten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig ausübt. Nach Art. 168 der MwStSystRL besteht das Recht auf Vorsteuerabzug uneingeschränkt „wie gering auch immer der Anteil der Verwendung für unternehmerische Zwecke sein mag“.

Laut MwStSystRL kann jedoch der Rat auf Vorschlag der Kommission jeden Mitgliedsstaat dazu ermächtigen, von der Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen. So wurde Deutschland ermächtigt, Ausgaben für solche Gegenstände vom Abzug der Mehrwertsteuer auszuschließen, die zu mehr als 90 Prozent für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke genutzt werden. Vom Wortlaut her spricht diese Ermächtigung an sich nur die o.g. Sphäre 3 an. Der BFH hegt daher Zweifel, ob Deutschland auch dann zum Vorsteuerausschluss ermächtigt ist, wenn ein Gegenstand – wie im vorliegenden Fall – zu mehr als 90 Prozent für nicht-wirtschaftliche, aber gleichwohl unternehmensnahe Tätigkeiten verwendet wird, also die o.g. Sphäre 2 angesprochen wird.

Verwendungszweck entscheidend

Dahinter steht letztlich die Frage, wie die Ermächtigung auszulegen ist, mit der Deutschland erlaubt wurde, von der Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen zu treffen. Zu der Zeit, als die Ermächtigung erteilt wurde (2004), wurden nur zwei Verwendungszwecke einer von einem Unternehmer bezogenen Leistung unterschieden: Eine Nutzung für Zwecke des Unternehmens, d.h. für die selbständig ausgeübte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit, und eine Verwendung für nicht-unternehmerische Zwecke. Die Sphäre der nicht-unternehmerischen Zwecke umfasste damals das, was mittlerweile weiter in die nicht-wirtschaftliche und zusätzlich die unternehmensfremde Sphäre aufgespaltet wurde.

Wäre die Ermächtigung so auszulegen, dass der Ausschluss des Vorsteuerabzuges nur dann zulässig wäre, wenn der angeschaffte Gegenstand zu mehr als 90 Prozent für die in der Richtlinie aufgelisteten unternehmensfremden Zwecke verwendet wird, wäre die deutsche Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht von der Ermächtigung gedeckt. Denn nach dieser Regelung soll ja auch der Vorsteuerabzug bei einer nicht-wirtschaftlichen Verwendung von mehr als 90 Prozent ausgeschlossen sein. Legte man die Ermächtigung in diesem engen Sinne aus, wäre dem Kreisstraßenbetrieb ein anteiliger Vorsteuerabzug zu gewähren. Wie die Ermächtigung tatsächlich auszulegen ist, ist nun freilich Sache des EuGH, dessen Entscheidung mit Spannung erwartet werden darf.

BFH, Beschluss v. 16.06.2015 – Az. XI R 15/13

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Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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