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Umsatzsteuerbefreiung bei Personalgestellung für Sozialprojekte

Die Personalgestellung ist ein beliebtes Instrument, das von vielen gemeinnützigen Einrichtungen genutzt wird. Dabei „entleihen“ die Einrichtungen ihre Arbeitnehmer an Dritte, wobei das bisherige Arbeitsverhältnis bestehen bleibt. Umsatzsteuerrechtlich muss ein solch flexibler Arbeitseinsatz gut überlegt sein. Grundsätzlich ist er nämlich nicht von der Umsatzsteuer befreit. Anderes kann freilich gelten, wenn sich die gemeinnützige Körperschaft auf europarechtliche Steuerbefreiungen stützen kann. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster am 15. Oktober 2014 per Gerichtsbescheid entschieden.

Verein schließt Personalabordnungsvertrag

Geklagt hatte ein eingetragener und gemeinnütziger Verein, der Mitglied im Diakonischen Werk ist und sich um Jugend- und Drogenberatung kümmert. Der Verein schloss mit einem Landschaftsverband einen Personalabordnungsvertrag ab. Durch diesen Vertrag verpflichtete sich der Verein, eine seiner Mitarbeiterinnen dem Verband für die Koordinierung eines Sozialprojekts zur Verfügung zu stellen. Für die Mitarbeiterin blieb weiterhin der Verein der Arbeitgeber, nur das Weisungsrecht hatte für dieses Projekt fortan der Verband inne. Auch das Gehalt und die Sozialversicherungsbeiträge zahlte weiterhin der Verein. Gegenüber dem Verband hatte der Verein aber einen Erstattungsanspruch in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen. Das Finanzamt war der Auffassung, dass in der Überlassung der Vereinsmitarbeiterin an den Verband eine umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung zu erblicken und damit Umsatzsteuer fällig war.

Steuerbefreiung durch MwStSystRL

Das Finanzgericht kam zu einem anderen Schluss: Zwar handele es sich bei der Personalgestellung um eine sonstige Leistung im Sinne des UStG. Nach deutschem Recht könne diese auch nicht von der Umsatzsteuer befreit werden. § 4 Nr. 18 UStG passe als Befreiungsnorm nämlich nicht, weil die Norm vorschreibe, dass die Leistungen unmittelbar dem in der Satzung benannten Personenkreis zugutekommen müssen. Eine Personalgestellung komme diesen Personen aber allenfalls mittelbar zugute, so das FG.

Die Steuerbefreiung folge aber aus Art. 132 Abs. 1 g der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), so das Gericht. Da der Verein Mitglied der Diakonie sei, sei das von der Richtlinie vorausgesetzte Merkmal der „anerkannten Einrichtung mit sozialem Charakter“ unproblematisch erfüllt. Die Personalgestellung sei ferner eine „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung“ im Sinne der Richtlinie, da sie eng mit dem umsatzsteuerbefreiten Sozialprojekt als Hauptleistung verbunden sei. Das FG stützte sich für seine Argumentation dabei auf die Rechtsprechung des EuGH, der in einem ähnlich gelagerten Fall geurteilt hatte, dass unter den folgenden Voraussetzungen die Verbindung eng genug sei:

1. Die Personalgestellung müsse das Mittel sein, um unter den bestmöglichen Bedingungen in den Genuss der Hauptleistung (Sozialprojekt) zu kommen.

2. Sowohl die Hauptleistung als auch die eng mit dieser verbundene Personalgestellung werden von Einrichtungen im Sinne der Richtlinienbestimmungen erbracht.

3. Die Personalgestellung ist von solch hoher Qualität, dass ohne sie die Hauptleistung nicht ebenso gut erbracht werden kann.

4. Die Personalgestellung ist nicht im Wesentlichen auf die Erzielung zusätzlicher Einnahmen gerichtet und wird nicht im unmittelbaren Wettbewerb zu gewerblichen Unternehmen erbracht.

Diese Rechtsgrundsätze habe der EuGH zwar für Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie entwickelt. Nach Ansicht des FG seien sie aber entsprechend auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g anzuwenden. Ob diese Auffassung der Revision standhalten wird, bleibt abzuwarten. Das Revisionsverfahren ist beim Bundesfinanzhof bereits anhängig.

Echtes Arbeitsverhältnis kann schnell entstehen

Das Thema Personalgestellung ist nur in zweiter Linie ein steuerliches. Zunächst ist stets zu klären, ob die Personalgestellung überhaupt rechtlich zulässig ist oder ob die Einrichtung mit ihrem Handeln gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) verstößt. Verfügt der Verleiher nicht über die Erlaubnis zum Verleih, wird kraft Gesetzes zwischen den Beteiligten ein Arbeitsverhältnis mit allen Konsequenzen (etwa Lohnnachforderungen mit steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Relevanz, Kündigungsschutz, Urlaubsansprüchen, etc.) fingiert. Arbeitsrechtliche Fallstricke sind also dringend zu beachten! Darüber hinaus drohen den Beteiligen buß- und strafrechtliche Folgen. Mussten sich gemeinnützige Körperschaften um das AÜG früher nicht weiter kümmern, gilt seit einer Gesetzesreform im Jahr 2011, dass das AÜG auch für gemeinnützige Körperschaften Anwendung findet.

FG Münster, Gerichtsbescheid vom 15.10.2014 – Az. 5 K 4314/12 U – Revision eingelegt (Az. beim BFH V R 56/14)

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Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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