Seit Langem schont plant die Bundesregierung, die Befreiungsvorschriften der Umsatzsteuer im § 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) neu zu fassen und so der europäischen Gesetzgebung gerecht zu werden.
Nach dem Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums (Referentenentwurf v. 8.5.2019) plant die Bundesregierung eine Neuregelung der Umsatzsteuerbefreiung für Wohlfahrts- und Bildungseinrichtungen. Es ist vorgesehen, folgende Regelungen an das Europarecht anzupassen:
- die Umsatzsteuerbefreiung für soziale Dienstleistungen (§ 4 Nr. 18 UStG)
- die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21, § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG) und
- die Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen der Erziehung von Kindern und Jugendlichen (§ 4 Nr. 23 UStG).
Ziel ist es, Unsicherheiten der betroffenen Unternehmen zu beseitigen.
Widerspruch zwischen dem europäischen Recht und dem deutschen UStG
Die bisherigen deutschen Regelungen im UStG widersprechen in Teilen der europäischen Gesetzgebung (geregelt in der sog. Mehrwertsteuer-System-Richtlinie, MwStSystRL). Dadurch können sich Unternehmer direkt auf eine Anwendung des europäischen Rechtes berufen.
Wann das konkret Sinn macht, ist jedoch manchmal schwierig festzustellen. Dann ergeben sich Unsicherheiten, wann und ob es günstiger ist, sich auf das europäische oder deutsche Recht zu berufen.
Was könnte „schädliches Gewinnstreben“ bedeuten?
Nach dem Wortlaut der neuen Bestimmungen sind Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von „Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, erbracht werden. Etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht entnommen, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.“
Durch Interpretation muss nun herausgefunden werden, wann ein solches „schädliches Gewinnstreben“ der Organisation gegeben ist und deshalb die Steuerbefreiung entfällt. Im bisherigen § 4 Nr. 18 UStG war die Befreiung an den Gemeinnützigkeitsstatus angeknüpft. Naheliegend ist deshalb die Frage, ob gemeinnützige Einrichtungen automatisch als Organisationen ohne schädliches Gewinnstreben gelten und deshalb auch die neue Steuerbefreiung in Anspruch nehmen dürfen.
Es bleibt abzuwarten, wie diese neuen Bestimmungen dann zukünftig ausgelegt werden. Vor allem dürfte in der Praxis von großer Bedeutung sein, ab wann ein „schädliches Gewinnstreben“ vorliegen dürfte. Wir würden es begrüßen, wenn gemeinnützige Einrichtungen ohne besondere Nachweise die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen dürften.
Gemeinnützige Einrichtungen brauchen Rechtssicherheit
Sollte der Entwurf unverändert Gesetz werden, müssten die betroffenen Einrichtungen zukünftig entscheiden, ob sie zu den begünstigten „Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben“, gehören oder nicht – mit dem Risiko, dass die Finanzämter dies ggf. viele Jahre später anders beurteilen. Es wäre jedoch angebracht, den gemeinnützigen Organisationen im Bereich der Umsatzsteuer die notwendige Rechtssicherheit zu geben.
Wir beobachten die Entwicklung für Sie und halten Sie im Blog auf dem Laufenden.
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Tags: Umsatzsteuerbefreiung