DE | EN | RU

info@winheller.com+49 (0)69 76 75 77 80 Mo. - Fr. von 8 bis 20 Uhr, Sa. von 8 bis 17 Uhr
Persönliche Termine nach Vereinbarung

Umsatzsteuer: Neue Gestaltungsspielräume für Privatkliniken

Eine Privatklinik kann sich aussuchen, ob sie sich auf den Wortlaut der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie beruft und ihre Leistungen umsatzsteuerbefreit ausführt oder sich auf den engeren Wortlaut des deutschen Umsatzsteuergesetzes beruft und in den Genuss des Vorsteuerabzuges kommt. Ein Urteil des BFH vom 23.10.2014 (V R 20/14) erlaubt dies ausdrücklich.

Die Leistungen von Privatkliniken wurden bisher nicht von der Umsatzsteuer befreit, weil die Steuerbefreiungsvorschrift § 4 Nr. 14 b) aa) des Umsatzsteuergesetzes die Umsatzsteuerbefreiung nur für „zugelassene Krankenhäuser nach § 108 SGB V“ anordnet.

Verstoß gegen die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie

Dies widerspricht der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (kurz: MwStSystRl). Der Wortlaut des hier einschlägigen Artikels 132 I b) MwStSystRl stellt das Erfordernis eines „zugelassenen Krankenhauses nach § 108 SGB V“ im Gegensatz zum deutschen Umsatzsteuergesetz nicht auf. Jedoch wird für eine Steuerbefreiung verlangt, dass es sich um eine „anerkannte Einrichtung“ handelt.

Die Finanzverwaltung weigerte sich bisher, die Berufung auf den weiter gefassten Wortlaut der MwStSystRl zu akzeptieren und verlangte daher die Abführung von Umsatzsteuer für die erbrachten Leistungen einer Privatklinik.

Der BFH entschied nun mit Urteil vom 23.10.2014 (V R 20/14), dass der Wortlaut der nationalen Steuerbefreiungsvorschrift zu eng gefasst ist und Leistungen einer Privatklinik von der Umsatzsteuer befreit sind. Auf die Zulassung nach § 108 SBG V kommt es insoweit nicht (mehr) an.

Was gilt als anerkannte steuerbefreite Einrichtung?

Es stellt(e) sich lediglich die Frage, was eine „anerkannte Einrichtung“ ist. Der BFH hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH folgende Merkmale für die Beurteilung der Frage entwickelt:

1. Gemeinwohlinteresse der Tätigkeit,
2. Vergleichbarkeit mit anderen Steuerpflichtigen, die für ähnliche Leistungen keine Umsatzsteuer abführen müssen,
3. Kostenübernahme durch Sozialträger.

Es gilt zu beachten, dass die Voraussetzungen nicht kumulativ vorliegen müssen. Vielmehr sind die Gesamtumstände zu würdigen. Einer Kostenübernahme durch Sozialträger wächst dabei Indiz-wirkung zu, sie ist jedoch nicht zwingende Voraussetzung für die Steuerbefreiung.

Sind Leistungen an Patienten von der Umsatzsteuer befreit?

Nach dem Urteil des BFH wird die Finanzverwaltung die Berufung auf den weiter gefassten Wortlaut der MwStSystRl akzeptieren müssen. Dies hat zur Folge, dass Leistungen an Patienten von der Umsatzsteuer befreit sind und Leistungen günstiger an Patienten erbracht werden können. Dies jedoch mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug insoweit ausgeschlossen wird.

Sollte der Vorsteuerabzug trotz der Inrechnungstellung von Umsatzsteuer gegenüber den Patienten lukrativer sein, kann sich eine Privatklinik immer noch auf den engeren Wortlaut des deutschen Umsatzsteuergesetzes berufen. Der Steuerpflichtige kann die für ihn (nunmehr bestehende) bessere Option wählen.

Weiterlesen:
Steuerrecht und Steuerberatung für Unternehmen
Steuerrecht und Steuerberatung für die gGmbH

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

>> Zum Profil

Ihre Karriere bei WINHELLER

Nächster Karriereschritt geplant? Unsere mittelständische Kanzlei bietet ein vielfältiges Aufgaben- und Beratungsspektrum an vier deutschen Standorten. Wir freuen uns auf engagierte neue Kollegen!

>> Zu unseren aktuellen Stellenangeboten

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

WINHELLER-Blog via Newsletter

Abonnieren Sie unsere kostenlosen Newsletter und erhalten Sie regelmäßig die wichtigsten Beiträge aus dem Wirtschafts- und/oder Gemeinnützigkeitsrecht bequem per E-Mail. Wählen Sie einfach Ihren Wunschnewsletter aus. (Pflichtfelder sind mit * markiert).

German Business Law News (4x jährlich)
Nonprofitrecht aktuell (1x im Monat)
Ich möchte den oder die ausgewählten Newsletter abonnieren und erteile zu diesem Zwecke meine Einwilligung in die Verarbeitung meiner oben angegebenen Daten durch WINHELLER. Die „Hinweise zur Datenverarbeitung im Rahmen des Newsletter-Abonnements“ habe ich gelesen.
Mir ist bekannt, dass ich meine erteilte Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft durch Betätigung des Abmeldebuttons innerhalb des Newsletters widerrufen kann. *