Eine Privatklinik kann sich aussuchen, ob sie sich auf den Wortlaut der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie beruft und ihre Leistungen umsatzsteuerbefreit ausführt oder sich auf den engeren Wortlaut des deutschen Umsatzsteuergesetzes beruft und in den Genuss des Vorsteuerabzuges kommt. Ein Urteil des BFH vom 23.10.2014 (V R 20/14) erlaubt dies ausdrücklich.
Die Leistungen von Privatkliniken wurden bisher nicht von der Umsatzsteuer befreit, weil die Steuerbefreiungsvorschrift § 4 Nr. 14 b) aa) des Umsatzsteuergesetzes die Umsatzsteuerbefreiung nur für „zugelassene Krankenhäuser nach § 108 SGB V“ anordnet.
Verstoß gegen die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie
Dies widerspricht der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (kurz: MwStSystRl). Der Wortlaut des hier einschlägigen Artikels 132 I b) MwStSystRl stellt das Erfordernis eines „zugelassenen Krankenhauses nach § 108 SGB V“ im Gegensatz zum deutschen Umsatzsteuergesetz nicht auf. Jedoch wird für eine Steuerbefreiung verlangt, dass es sich um eine „anerkannte Einrichtung“ handelt.
Die Finanzverwaltung weigerte sich bisher, die Berufung auf den weiter gefassten Wortlaut der MwStSystRl zu akzeptieren und verlangte daher die Abführung von Umsatzsteuer für die erbrachten Leistungen einer Privatklinik.
Der BFH entschied nun mit Urteil vom 23.10.2014 (V R 20/14), dass der Wortlaut der nationalen Steuerbefreiungsvorschrift zu eng gefasst ist und Leistungen einer Privatklinik von der Umsatzsteuer befreit sind. Auf die Zulassung nach § 108 SBG V kommt es insoweit nicht (mehr) an.
Was gilt als anerkannte steuerbefreite Einrichtung?
Es stellt(e) sich lediglich die Frage, was eine „anerkannte Einrichtung“ ist. Der BFH hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH folgende Merkmale für die Beurteilung der Frage entwickelt:
1. Gemeinwohlinteresse der Tätigkeit,
2. Vergleichbarkeit mit anderen Steuerpflichtigen, die für ähnliche Leistungen keine Umsatzsteuer abführen müssen,
3. Kostenübernahme durch Sozialträger.
Es gilt zu beachten, dass die Voraussetzungen nicht kumulativ vorliegen müssen. Vielmehr sind die Gesamtumstände zu würdigen. Einer Kostenübernahme durch Sozialträger wächst dabei Indiz-wirkung zu, sie ist jedoch nicht zwingende Voraussetzung für die Steuerbefreiung.
Sind Leistungen an Patienten von der Umsatzsteuer befreit?
Nach dem Urteil des BFH wird die Finanzverwaltung die Berufung auf den weiter gefassten Wortlaut der MwStSystRl akzeptieren müssen. Dies hat zur Folge, dass Leistungen an Patienten von der Umsatzsteuer befreit sind und Leistungen günstiger an Patienten erbracht werden können. Dies jedoch mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug insoweit ausgeschlossen wird.
Sollte der Vorsteuerabzug trotz der Inrechnungstellung von Umsatzsteuer gegenüber den Patienten lukrativer sein, kann sich eine Privatklinik immer noch auf den engeren Wortlaut des deutschen Umsatzsteuergesetzes berufen. Der Steuerpflichtige kann die für ihn (nunmehr bestehende) bessere Option wählen.
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Tags: Steuerbefreiung, Umsatzsteuerbefreiung, Umsatzsteuergesetz