Die erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht
Wer keinen Wohnsitz mehr in Deutschland hat, dessen Nachlass unterliegt auch nicht der deutschen Erbschaftsteuer. Auch Schenkungsteuer kann nicht anfallen. Oder etwa doch?
Die Motive für einen Wegzug aus Deutschland sind vielseitig. Mit dem Wegzug stellt sich häufig die Frage, welchem Steuerregime der Nachlass oder eine Schenkung unterliegen.
Was bedeutet die Inländereigenschaft für Erben und Schenker?
Das deutsche Erbschaftsteuergesetz knüpft bei der persönlichen Steuerpflicht des Erblassers oder des Erben und auch des Schenkers bzw. des Beschenkten an die Inländereigenschaft der beteiligten Personen an. Als ein solcher Inländer gilt nach dem Gesetz jede natürliche Person, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Einen Wohnsitz hat eine Person da, wo sie eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ob diese objektiven Merkmale vorliegen, ist im Einzelfall zu beurteilen. Indizien dafür, dass kein Wohnsitz mehr besteht, können beispielsweise die Fremdvermietung oder die Beauftragung eines Maklers zum Verkauf sein.
Einen gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand hingegen dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt.
Ist die Inländereigenschaft anhand dieser Voraussetzungen zu bejahen, unterliegt das gesamte Vermögen, das bei einem Erbfall oder einer Schenkung auf andere Personen übergeht, der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer, unabhängig von der Belegenheit der Gegenstände. Es gilt somit die unbeschränkte Steuerpflicht.
Beschränkte Steuerpflicht bei Erbschaften und Schenkungen ohne Inlandswohnsitz
Besteht weder ein Wohnsitz im Inland noch ein gewöhnlicher Aufenthalt, wären Erbschaften und Schenkungen danach in Deutschland nicht steuerpflichtig. So einfach ist es aber leider nicht. Die Steuerpflicht besteht in diesem Fall in beschränkter Weise fort, nämlich im Hinblick auf das Inlandsvermögens. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um Vermögensgegenstände, die im Inland, also in Deutschland, belegen sind. Darunter fallen z.B. inländisches Grundvermögen, inländisches Betriebsvermögen und unter gewissen Voraussetzungen auch Anteile an Gesellschaften. Tritt der Erbfall ein oder wird Vermögen verschenkt, wird also nur das deutsche Vermögen besteuert.
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Wegzug aus Deutschland: Übergangsphase und erweiterte Steuerpflicht bei Erbschaften und Schenkungen
Mit dem Wegzug aus Deutschland wird der gewöhnliche Aufenthalt verlegt. Mit Aufgabe der Wohnung in Deutschland wird auch der Wohnsitz in der Regel aufgegeben. Die Inländereigenschaft endet somit auf lange Sicht. Anders als zu vermuten, endet die Eigenschaft und somit auch die unbeschränkte Steuerpflicht aber nicht unmittelbar in dem Augenblick der Aufgabe des Wohnsitzes im Inland. Stattdessen sieht das deutsche Recht eine Übergangsphase nach dem Wegzug vor, die in der Praxis nicht selten übersehen wird. Man spricht insoweit auch von der erweiterten unbeschränkten Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht.
Danach gilt ebenfalls als Inländer, wer deutscher Staatsangehöriger ist und sich nicht länger als fünf Jahre im Ausland aufgehalten hat, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben. Mit anderen Worten: Wer als deutscher Staatsangehöriger im Ausland lebt und nicht vor mehr als fünf Jahren seinen Wohnsitz in Deutschland aufgegeben hat, gilt immer noch als Inländer im Sinne des deutschen Erbschaftsteuergesetzes und unterliegt der unbeschränkten Steuerpflicht mit seinem gesamten Vermögen, dass durch den Erbfall oder die Schenkung auf andere Personen übergeht bzw. dass er durch den Erbfall bzw. die Schenkung erhält, also nicht nur mit dem Inlandsvermögen.
Wichtige Hinweise zur Fünfjahresfrist und Wohnsitzaufgabe bei Wegzug aus Deutschland
Die Fünfjahresfrist ist also vor allem bei größeren Schenkungen im Blick zu behalten. Auch ist es wichtig, bei einem Wegzug tatsächlich den Wohnsitz in Deutschland aufzugeben, andernfalls fängt die Fünfjahresfrist nicht zu laufen an. Zieht ein deutscher Staatsangehöriger beispielsweise nach Spanien, erwirbt dort weiteres Vermögen und behält aber sein Haus, in dem er bisher in Deutschland gelebt hat, ohne es zu vermieten, so besteht in Deutschland weiterhin ein Wohnsitz und damit die unbeschränkte Steuerpflicht für das gesamte deutsche und spanische Vermögen fort.
Wer daran denkt, Deutschland dauerhaft zu verlassen, sollte dies daher gründlich planen, auch aus schenkungs- und erbschaftsteuerlicher Sicht. Weil die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nur für deutsche Staatsangehörige gilt, kann dabei sogar an die Aufgabe der Staatsangehörigkeit gedacht werden, wobei das freilich ein großer Schritt ist, der sehr gut überlegt sein will.
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