EuGH hebt EU/EWR-Raum-Erfordernis auf
Gehen Mietwohnungen und Mehrfamilienhäuser durch Schenkung oder Erbschaft auf die Folgegeneration über, wird dies durch den deutschen Fiskus steuerlich privilegiert. Hierzu war bislang erforderlich, dass die betreffenden Immobilien in der EU bzw. dem EWR-Raum liegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diesem Erfordernis nun unter Verweis auf die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit eine Absage erteilt.
Steuerliche Privilegien für Familienheim und vermietete Immobilien
Werden Immobilien vererbt oder verschenkt, fällt hierauf oft Erbschaft– bzw. Schenkungsteuer an. Der deutsche Gesetzgeber privilegiert hierbei bestimmte Konstellationen. So kann beispielsweise das sog. Familienheim unter gewissen Voraussetzungen steuerfrei auf den Ehegatten übergehen bzw. von Todes wegen auch auf Kinder des Erblassers.
Auch sog. zu fremden Wohnzwecken vermietete Immobilien genießen – wenngleich in weit geringerem Umfang als das Familienheim – steuerliche Privilegien bei der Übertragung. Konkret werden im Ergebnis 10% des Immobilienwerts bei der Übertragung durch Erbschaft oder Schenkung nicht besteuert, da die Immobilie leidglich mit 90% ihres Wertes angesetzt wird. Wichtige Einschränkung ist allerdings, dass die betroffene Immobilie in der Europäischen Union (EU) oder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) belegen sein muss (§ 13d Abs. 3 Nr. 2 ErbStG bzw. in der alten, dem EuGH vorgelegten Gesetzesfassung § 13c Abs. 3 Nr. 2 ErbStG).
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EuGH zur steuerlichen Bewertung bei Immobilienvererbung
Hiergegen wandte sich ein Erbe im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) Köln, der zuvor ein Mehrfamilienhaus in Kanada geerbt hatte. Das FG wiederum, legte dem EuGH die Sache im Rahmen eines sog. Vorabentscheidungsverfahrens vor. Hierbei warf das FG die Frage auf, ob die gesetzliche Beschränkung auf den EU/EWR-Raum mit der europarechtlich fundierten Kapitalverkehrsfreiheit kollidiert.
Der EuGH kam zum Ergebnis, dass die unterschiedliche steuerliche Bewertung der Immobilie danach, ob sie in der EU bzw. dem EWR oder in einem Drittstaat belegen ist, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt (EuGH vom 12.10.2023, C-670/21). Eine ausreichende Rechtfertigung für diesen Verstoß konnte der EuGH nicht feststellen, wenngleich sich die deutsche Finanzverwaltung in entsprechendem Vortrag bemüht hatte, die Beschränkung auf den EU/EWR-Raum sachlich zu begründen.
Gesetzgeber und BMF müssen handeln
Die Entscheidung des EuGH dürfte nun konkreten Anlass zur Nachbesserung durch den Gesetzgeber bieten, da § 13d Abs. 3 Nr. 2 ErbStG in der aktuellen Fassung gegen – höherrangiges – (Europa-)Recht verstößt. Aufgrund der EuGH-Entscheidung ist zudem davon auszugehen, dass dies nicht lediglich den streitgegenständlichen Sachverhalt mit Kanada umfasst, sondern ebenso etliche andere Drittstaaten-Konstellationen betroffen sind. Bis zu einer gesetzlichen Anpassung, ist die Finanzverwaltung grundsätzlich dazu angehalten, die Norm unverändert anzuwenden. Womöglich mag es indes eine entsprechende Weisung des Bundesministeriums der Finanzen geben, abweichend hiervon zu verfahren.
WINHELLER prüft Ihre Sachverhalte mit Immobilien in Drittstaaten
Generell ist es in der aktuellen Situation empfehlenswert, entsprechende Feststellungs-, Erbschaft– und Schenkungsteuerbescheide, denen vergleichbare Sachverhalte mit Immobilien in Drittstaaten zugrunde liegen, genau zu prüfen und vorsorglich – unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH – Einspruch einzulegen.
Gerne sind wir Ihnen bei der Prüfung der Rechtslage und der Veranlassung der nötigen Schritte behilflich. Kommen Sie gern mit Ihren Fragen auf uns zu!
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