
Das OLG Köln hat in seinem Urteil vom 13.10.2021 (Az. 11 U 56/20) wichtige Aussagen zu Treuhandpflichten bei Initial Coin Offerings (ICO) getroffen. Der Fall betraf einen Streit zwischen einem Krypto-App-Anbieter und einer Steuerberaterkanzlei als Treuhänder über die Herausgabe von Kryptowährungen.
Leitsätze für Beteiligte
Die Pflichten eines Treuhänders ergeben sich primär aus den Regelungen des Treuhandvertrags. Diese sind bei einem Initial Coin Offering (ICO) im Lichte der Bestimmungen des Whitepapers und der Mitteilungen des Treuhänders auf seiner Internetseite auszulegen.
Ist im Treuhandvertrag vorgesehen, dass der Treuhänder nur bei Widersprüchen der Tokenkäufer tätig werden muss, besteht keine Verpflichtung zur eigenständigen Überprüfung der Tokenübertragung an die Käufer.
Durch Auslegung des Treuhandvertrags ist der Umfang einer Drittberechtigung zu ermitteln. Wurde im Vertrag keine Schutzpflicht vereinbart, ergibt sich diese auch nicht aus der Natur des Treuhandvertrags.
Die fehlende Mitwirkung des Treuhänders kann nicht durch § 162 BGB fingiert werden.
Wichtige Entscheidungspunkte des OLG Köln
- Vertragsauslegung: Das Gericht interpretierte den Treuhandvertrag dahingehend, dass der Treuhänder nur bei Widersprüchen der Käufer innerhalb einer bestimmten Frist tätig werden musste.
- Keine weitergehenden Prüfpflichten: Das Gericht sah keine Grundlage für eine über den Vertrag hinausgehende Schutzpflicht des Treuhänders zugunsten der Käufer.
- Nichtvorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen: Die vertraglichen Voraussetzungen für eine Auszahlung waren nicht erfüllt, da der Treuhänder die Coin-Anforderung nicht in den sozialen Medien bekanntgegeben hatte.
- Keine Fiktion der Bekanntgabe: Das Gericht lehnte eine Anwendung des § 162 BGB ab, um die fehlende Bekanntgabe zu überbrücken.
- Herausgabe an neuen Treuhänder: Das Gericht entschied, dass die Coins an einen neuen Treuhänder herauszugeben seien, da das Widerspruchsverfahren noch nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde.
Kritische Würdigung des ICO-Treuhandurteils
Die Entscheidung des OLG Köln erscheint in weiten Teilen nachvollziehbar, wirft jedoch auch Fragen auf. Insbesondere die Ablehnung einer entsprechenden Anwendung des § 162 BGB und die Entscheidung, die Coins nur an einen neuen Treuhänder herauszugeben, sind diskussionswürdig.
Lizenzpflicht der gewerblichen Kryptoverwahrung
Seit dem Jahreswechsel 2024/2025 ist die Verwahrung von Kryptowerten vollständig reguliert und unterliegt einem Erlaubnisvorbehalt durch die BaFin. Aus guten Gründen ist damit künftig zumindest eine gewerbliche Verwahrung anlässlich der Tätigkeit durch Berufsträger nicht mehr zulässig.
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