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Sozialversicherungspflicht von Honorardozenten

Sozialversicherungspflicht von Honorardozenten

Bildungseinrichtungen beschäftigen neben festangestellten Lehrern mitunter auch solche, die auf freiberuflicher Basis für sie tätig sind. Während festangestellte Lehrer sozialversicherungspflichtig sind, hängt die Frage, ob ein freiberuflicher Lehrer sozialversicherungspflichtig ist, maßgeblich von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab. Eine aktuelle Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Hamburg zeigt, auf welche Kriterien Bildungseinrichtungen und ihre Lehrer achten müssen.

Streit um den Status einer Lehrerin

In dem Fall vor dem LSG Hamburg ging es um eine Lehrerin, die für eine Bildungseinrichtung angehende Industrie- und Bürokaufleute auf Honorarbasis im Umfang von durchschnittlich 30 Stunden wöchentlich unterrichtete. Sie stellte bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) einen Antrag auf Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens. Die DRV beurteilte die Tätigkeit der Lehrerin als abhängiges Beschäftigungsverhältnis und somit als versicherungspflichtig in der Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung. Folgende Merkmale sprachen nach Ansicht der DRV für eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung der Lehrerin in die Arbeitsorganisation der Bildungseinrichtung:

  • Die Unterrichtsinhalte haben sich am Rahmenlehrplan orientiert, sodass die Lehrerin in Bezug auf die methodische und didaktische Ausübung ihrer Unterrichtstätigkeit weisungsgebunden gewesen sei.
  • Sie erhielt eine fixe, erfolgsunabhängige Stundenvergütung und hatte bis auf die Bildungseinrichtung keine weiteren Auftraggeber. Der Auftrag war zudem unbefristet, sodass sie insgesamt kein unternehmerisches Risiko getragen habe.
  • Die Lehrerin musste ihre Tätigkeit in den Räumlichkeiten der Bildungseinrichtung ausüben und war dazu verpflichtet gewesen, an schulischen Veranstaltungen wie z.B. Konferenzen teilzunehmen. Zudem seien ihr die Arbeitsmittel von der Bildungseinrichtung gestellt worden.

Zwar gebe es auch Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, wie z.B. der Umstand, dass die Lehrerin nur für tatsächlich geleistete Stunden eine Vergütung erhielt und ausfallende Veranstaltungen zu keinem Ausfallhonorar geführt haben. Allerdings, so die DRV, überwogen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung, sodass die Tätigkeit der Lehrerin sozialversicherungspflichtig sei.

LSG Hamburg: Lehrerin ist nicht sozialversicherungspflichtig

Nach einem erfolglosen Widerspruch und abgewiesener Klage vor dem Sozialgericht Hamburg legte die Lehrerin Berufung vor dem LSG Hamburg ein. Mit Erfolg: Das Gericht entschied, dass die Lehrerin selbstständig tätig sei und für sie somit keine Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung bestehe. Für die Abgrenzung von selbstständig tätigen zu nicht selbstständig tätigen Lehrern komme es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts maßgeblich darauf an, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden sei und in welchem Umfang sie Einfluss auf den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Ausführung, die Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung nehmen könne. Nach Abwägung aller Umstände überwögen die Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit der Lehrerin sprechen, so das Gericht.

Lehrerin war nicht weisungsgebunden

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Lehrerin bei der Ausübung ihrer Unterrichtstätigkeit – insbesondere zur Methodik und Didaktik – weisungsunabhängig gewesen sei. So führe ein Rahmenlehrplan nicht zu einer Weisungsgebundenheit der Lehrerin. Denn dieser gebe nur den zu vermittelnden Lehrstoff allgemein vor, mache jedoch keine Vorgaben über die konkrete Gestaltung des Unterrichts. Die Lehrerin war frei in der praktischen Ausführung ihres Unterrichts und konnte somit selbstständig Schwerpunkte setzen oder zusätzliche Lehrmittel verwenden.

Ferner konnte die Lehrerin ihre Arbeitstage und Unterrichtszeiten im Gegensatz zu den festangestellten Lehrern selbstständig und ohne Mitspracherecht der Bildungseinrichtung festlegen.

Keine intensive Einbindung in den Unterrichtsbetrieb

Die Lehrerin war zudem nicht intensiv in den Unterrichtsbetrieb miteingebunden. Entgegen der Behauptung der DRV war sie nämlich nicht dazu verpflichtet gewesen, an Veranstaltungen der Schule wie z.B. Konferenzen, Teambesprechungen, Betriebsausflügen oder Weihnachtsfeiern teilzunehmen. Sie konnte auf freiwilliger Basis an diesen Veranstaltungen teilnehmen, eine vertragliche Pflicht zur Teilnahme habe jedoch nicht bestanden. Die Schulträgerin habe auch nicht versucht, auf die Lehrerin Druck auszuüben und sie somit zur Teilnahme an den Veranstaltungen zu zwingen.

Dass die Lehrerin ihren Unterricht in den Räumlichkeiten der Schule abhalten musste und zudem die dort vorhandenen Arbeitsmittel (z.B. Tafeln) genutzt habe, sei ferner unerheblich für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Lehrerin, da dies typisch für die Tätigkeit eines Lehrers bzw. Dozenten sei.

Selbstständige Lehrer stets rentenversicherungspflichtig

Die Entscheidung des Gerichts ist nur teilweise richtig. Denn nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) sind selbstständige Lehrer stets rentenversicherungspflichtig. Die Lehrerin ist zwar somit nicht in der Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig, jedoch zumindest in der Rentenversicherung.

Beratung vom Experten für Sozialversicherungsrecht

Dieser Fall zeigt, wie komplex das Sozialversicherungsrecht ist und welche Fallstricke Bildungseinrichtungen drohen können. Er zeigt ebenfalls, dass sich die Frage, wann die Tätigkeit eines Lehrers sozialversicherungspflichtig ist, nicht pauschal beantworten lässt und von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls abhängt.

Um sich vor hohen Nachzahlungen und weiteren Haftungsrisiken zu schützen, sollten sich Bildungseinrichtungen an einen Experten für Sozialversicherungsrecht wenden. Dieser kann überprüfen, ob die (geplante) sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Lehrkraft rechtskonform erfolgt und bei Fehlern geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen, bevor die nächste Betriebsprüfung ansteht. Ebenfalls kann er bei der Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens unterstützen, um Haftungsrisiken präventiv zu vermeiden.

LSG Hamburg, Urteil v. 19.10.2021 – L 3 BA 19/19

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Ellen Pusch

Rechtsanwältin Ellen Pusch hat sich am Standort München auf das Arbeitsrecht und als zertifizierter Testamentsvollstrecker (DVEV) auf das Erbrecht spezialisiert. Sie gestaltet und optimiert Arbeits-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträge und begleitet Umstrukturierungsvorhaben und M&A-Transaktionen (Betriebsübergänge).

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