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Smart Contracts – Zukunft mit Hindernissen

In der Digitalisierung der Gesellschaft – in Deutschland unter dem Schlagwort Industrie 4.0 bekannt – könnte die mit Bitcoin eingeführte „Blockchain“-Technologie eine große Rolle spielen. Eine der interessantesten Ideen, die mit dieser Software verwirklicht werden könnten, ist die der sogenannten „Smart Contracts“. Wie diese intelligenten Verträge funktionieren könnten und welche rechtlichen und regulatorischen Hürden dabei entstehen, soll dieser Beitrag zeigen.

Klassische Verträge umständlich und fehleranfällig

Smart Contracts sind internetbasierte Verträge, deren Vertragsbedingungen mittels einer Programmiersprache festgelegt wurden. Nachdem der Vertrag abgeschlossen wurde, prüft er fortlaufend und selbstständig, ob eine der vorher definierten Vertragsbedingungen eingetreten ist. Sobald dies der Fall ist, erfüllt er den anderen Teil automatisch. Hierdurch verspricht man sich schnellere und kosteneffizientere Verträge, die zudem einen deutlichen Mehrwert an Rechtssicherheit gewähren.

Ein beliebtes Beispiel hierfür ist der PKW-Kaufvertrag, der nach Kaufpreiszahlung automatisch das Eigentum an dem erworbenen Auto auf den neuen Eigentümer überschreibt, so dass der Motor des Autos sich nur noch durch den neuen Eigentümer starten lässt.

Heute vereinbart man zunächst den Kaufpreis mit dem Verkäufer. Nachdem man gezahlt hat, übergibt der Verkäufer dem Erwerber den Autoschlüssel und die Zulassungsbescheinigungen. Anschließend muss der Erwerber das Auto noch manuell bei der Zulassungsstelle ummelden. In diesem simplen Kauf sind also drei Parteien involviert und es braucht insgesamt vier menschliche Rechtshandlungen, um den Vertrag abzuwickeln. Der Erwerber trägt darüber hinaus noch das Risiko, dass das Auto gar nicht dem Verkäufer gehört, sondern von diesem gestohlen wurde.

Automatisierte Vertragsabwicklung durch Blockchain

Ein auf der Blockchain basierender Smart Contract könnte all diese Probleme lösen.

Hier würde das Auto zunächst als sogenannter Token auf der Blockchain virtualisiert. Dieser Token wäre einer bestimmten Adresse auf der Blockchain zugeordnet. Nur wer sich gegenüber dem Auto, das mit dem Internet und der zugrunde liegenden Blockchain verbunden ist, durch den entsprechenden privaten Schlüssel als Inhaber dieser Adresse ausweisen kann, könnte dann das Fahrzeug öffnen und starten.

Soll das Auto nun verkauft werden, legen Käufer und Verkäufer ebenfalls zunächst den Kaufpreis fest. Der Vertrag wird dann auf der Blockchain initialisiert. Überweist der Käufer jetzt den Kaufpreis per blockchain-basierter Zahlung auf die vorher festgelegte Adresse des Verkäufers, stellt der Vertrag dies automatisch fest. Ohne weiteres Zutun des Verkäufers wird der Token von dessen Adresse auf die des Käufers transferiert. Sofort kann der Käufer sich nun z.B. per Smartphoneanwendung gegenüber dem Auto als legitimer Eigentümer verifizieren. Auch die Verkehrsbehörden erhalten durch die allgemeine Publizität der Blockchain sofort die Information über den Eigentumswechsel. Bei fortgeschrittener Verwendung der Blockchaintechnologie durch die Verwaltung könnten so auch die Zahlungen der Kfz-Steuer automatisch vom Konto des Käufers abgebucht werden.

Regulatorische Hindernisse beachten

Zivilrechtlich werfen solche Verträge im Rahmen der Vertragsfreiheit keine größeren Probleme auf. Allerdings können unerwartete Hindernisse durch die Vorschriften der europäischen Finanzaufsichtsbehörden entstehen. So hat etwa die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin Bitcoin als sogenannte Rechnungseinheiten und damit als Finanzinstrument im Sinne des § 1 Abs. 11 Nr. 7 KWG eingestuft. Werden nun Token, die reale Werte repräsentieren, ebenfalls als Rechnungseinheiten eingestuft, könnte hier je nach Einzelfall eine Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) entstehen.

Kommissions- und Eigenhandelsgeschäfte

So wären handelsrechtliche Kommissionsgeschäfte nach den §§ 383ff. HGB in Bezug auf solche Token wohl automatisch auch Finanzkommissionsgeschäfte nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG. Ein anderes Beispiel wäre ein gewerblicher Goldhandel, der die Eigentümerstellung an bestimmten Goldbarren durch Token repräsentiert und diese auf der Blockchain an- und verkauft. Dies könnte ggf. den Betrieb erlaubnispflichtiger Eigenhandelsgeschäfte nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG darstellen. Freilich wäre die Einordnung von Blockchaintokens im Anwendungsbereich der Smart Contracts wohl in den allermeisten Fällen nicht sachgerecht. Die bisherige Verwaltungspraxis der BaFin, die zu einer Zeit entstanden ist, in der noch nicht über Anwendungsfälle für die Blockchaintechnologie außerhalb des Paymentmarkts nachgedacht wurde, müsste insoweit wohl überdacht werden.

Gehören Smart Contracts zu einem erlaubnispflichtigen Gewerbe?

Diese Überlegungen zeigen, dass Smart Contracts zwar vieles vereinfachen können. Je nach Einordnung durch die Aufsichtsbehörden könnten aber ehemals gewöhnliche Alltagsgeschäfte zu einem erlaubnispflichtigen Gewerbe mit Finanzinstrumenten werden. Vor Aufnahme entsprechender Tätigkeiten sollte also zunächst eine qualifizierte Rechtsberatung erfolgen. Bis sich eine stabile Verwaltungspraxis herausgebildet hat, können so Risiken vermieden und die Gefahr aufsichtsrechtlicher Sanktionen minimiert werden.

Unsere Kanzlei ist auf dem Gebiet des Blockchainrechts führend. Wir haben über die letzten Jahre eine Vielzahl von Mandanten erfolgreich zur rechtssicheren Gestaltung blockchain-basierter Geschäftsmodelle beraten und die fachliche Diskussion zu diesem Thema durch Publikationen und Fachvorträge geprägt.

Weiterlesen:
Blockchain Kontrakte: Abschluss von Verträgen mit der Blockchaintechnologie
Finanzaufsichtsrecht: Welche Tätigkeiten setzen eine BaFin-Lizenz voraus?

Benjamin Kirschbaum

Rechtsanwalt Benjamin Kirschbaum ist vor allem in den Bereichen Blockchain und Kryptowährungen sowie im allgemeinen Zivilrecht, Gemeinnützigkeitsrecht, Verwaltungsrecht und Kirchenrecht/Religionsrecht tätig.

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