Das Finanzgericht (FG) Münster musste kürzlich die Frage beantworten, ob auch kirchliche Vereine als religiöse Einrichtungen im Sinne des Umsatzsteuerrechts gelten können. Die Antwort auf diese Frage ist wichtig, da die seelsorgerischen Betreuungsleistungen von religiösen Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit sind. Wie die Antwort des Gerichts ausfiel, verraten wir Ihnen in diesem Beitrag.
Kirchlicher Verein betreut Heimbewohner
Der Fall vor dem FG Münster betraf einen gemeinnützigen Verein, der kirchliche Zwecke verfolgt und in der Vergangenheit ein Altersheim gegründet hatte. Die Mitarbeiter des Vereins waren insbesondere für die seelsorgerische Betreuung der Heimbewohner zuständig und hielten hierfür Gottesdienste und Bibelstunden ab. Diese Arbeit setzte der Verein auch nach dem Verkauf des Altersheims an eine außenstehende Stiftung fort. Hierfür erhielt der Verein von der Stiftung ein monatliches Entgelt. Umsatzsteuer führte der Verein nicht ab. Er war der Ansicht, dass er sich auf § 4 Nr. 27 a) des Umsatzsteuergesetzes (UStG) berufen könne, wonach vereinfacht die seelsorgerischen Betreuungsleistungen von religiösen Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit sind.
Finanzamt: Ein Verein ist keine religiöse Einrichtung
Mit diesem Vorgehen war das Finanzamt nicht einverstanden: Es entschied, dass die Umsätze aus der seelsorgerischen Betreuung der Heimbewohner umsatzsteuerpflichtig seien und setzte daher eine hohe Umsatzsteuernachzahlung fest. Ein kirchlicher Verein könne, so das Finanzamt, keine religiöse Einrichtung sein und sich somit nicht auf die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 27 a) UStG berufen.
Denn die Vorschrift erfasse nur Einrichtungen, die sich auf die Religionsfreiheit gemäß Art. 4 des Grundgesetzes (GG) berufen können, wie z.B. Kirchen in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, geistige Genossenschaften oder Mutterhäuser.
FG Münster: Umsätze sind steuerfrei
Der Verein wollte die Entscheidung des Finanzamts nicht akzeptieren und reichte daher nach einem erfolglosen Einspruch Klage beim FG Münster ein – und hatte Erfolg. Das Gericht entschied, dass sich der Verein auf die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 27 a) UStG berufen könne, da es sich beim Verein um eine religiöse Einrichtung handle. Denn zum einen verfolge er laut seiner Satzung kirchliche und damit religiöse Zwecke. Zum anderen sei auch die tatsächliche Arbeit des Vereins auf die Verwirklichung seiner kirchlichen Zwecke gerichtet. Ferner könne sich der Verein als Religionsgemeinschaft auch auf die Religionsfreiheit gemäß Art. 4 GG berufen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum der Verein trotz seiner klaren christlichen Ausrichtung nicht als religiöse Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 27 a) UStG gelten solle, so das Gericht.
Tatsächliche Arbeit auf Verwirklichung religiöser Zwecke gerichtet
Wir halten die Entscheidung des Gerichts für richtig. Für die Anwendung des § 4 Nr. 27 a) UStG kann es keinen
Unterschied machen, in welcher Rechtsform die religiöse Einrichtung organisiert ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob die tatsächliche Arbeit der Einrichtung auf die Verwirklichung religiöser Zwecke gerichtet ist
Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts vorteilhaft
Dieser Fall zeigt zum einen, dass es sich für NPOs häufig lohnt, ihre Steuerbescheide von einem Experten für Umsatzsteuerrecht überprüfen zu lassen und bei Streitigkeiten mit dem Finanzamt auch den Gang vors Finanzgericht nicht zu scheuen. Zum anderen zeigt die Entscheidung auch, dass es für Religionsgemeinschaften häufig steuerlich vorteilhafter ist, in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu agieren. Denn in diesem Fall wäre es gar nicht erst zu dem Verfahren vor dem FG Münster gekommen: Denn Kirchen in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gehören aus Sicht der Finanzverwaltung zum begünstigten Personenkreis des § 4 Nr. 27 a) UStG. Betroffene Religionsgemeinschaften sollten daher prüfen lassen, ob für sie eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts von Vorteil sein könnte. Unsere Experten für Religionsgemeinschaften unterstützen Sie dabei gern.
FG Münster, Urteil vom 20.05.2021 – 5 K 730/19 U
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