Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass Online-Coachings und Bildungsangebote, bei denen überwiegend asynchrone Lernanteile vorliegen und der Lernerfolg durch den Lehrenden überwacht wird, dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) unterliegen und daher zulassungspflichtig sind. Fehlt die erforderliche Zulassung, ist der Vertrag nichtig und Teilnehmer können bereits gezahlte Gebühren zurückfordern.
Das Urteil betrifft auch Bildungsträger und gemeinnützige Organisationen, die Onlineseminare anbieten. Der Beitrag erläutert die Hintergründe, die wesentlichen Entscheidungen des BGH sowie die praktischen Folgen für die Gestaltung von Bildungsangeboten.
Teilnehmer fordert Rückerstattung von Gebühren
Im zugrundeliegenden Fall schloss ein Teilnehmer einen Vertrag über ein neunmonatiges „Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness“ zum Preis von 47.600 Euro ab. Das Angebot umfasste aufgezeichnete Lehrvideos, regelmäßige Live-Calls, Hausaufgaben sowie verschiedene Möglichkeiten zur individuellen Klärung der Inhalte. Für dieses Programm lag jedoch keine Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz vor. Nach einigen Wochen kündigte der Teilnehmer den Vertrag fristlos und forderte die Rückerstattung von bereits gezahlten 23.800 Euro. Während das Landgericht noch zugunsten des Anbieters entschied, gab das Oberlandesgericht Stuttgart dem Rückzahlungsanspruch statt. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung in letzter Instanz.
Was ist Fernunterricht?
Der BGH stellte fest, dass das Programm als Fernunterricht gemäß § 1 Abs. 1 FernUSG anzusehen ist. Fernunterricht liegt vor, wenn
- der Lehrgang entgeltlich ist,
- Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden,
- überwiegend eine räumliche Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem besteht (über 50% asynchrone Anteile, z.B. zeitversetzter Abruf von Videoinhalten),
- und der Veranstalter den Lernerfolg überwacht.
BGH: Einstufung als Fernunterricht
Der BGH bestätigte, dass Online-Coachings mit überwiegendem asynchronem Lernen Fernunterricht darstellen. Live-Online-Meetings, die aufgezeichnet und später abrufbar sind, gelten als asynchron und begründen somit die räumliche Trennung. Entscheidend ist das Ausmaß der asynchronen Anteile. Auch die Überwachung des Lernerfolgs, etwa durch Q&A-Angebote und individuelle Betreuung, reicht für die Einstufung aus.
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Wichtig ist zudem, dass das FernUSG nicht nur dem Verbraucherschutz dient, sondern auch Unternehmer einschließt (also B2B-Geschäfte).
Fehlt die erforderliche Zulassung, ist der Vertrag gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig. Der Anbieter kann dann keine Rückzahlung abzüglich ersparter Aufwendungen geltend machen, so dass die volle Rückzahlungsverpflichtung besteht.
Folgen für Bildungsträger und NPOs: Zulassung bei ZFU
Das Urteil fordert alle Anbieter – insbesondere gemeinnützige Organisationen, Bildungsträger und Verbände – auf, ihre Online-Bildungsprogramme sorgfältig zu prüfen. Sind die Voraussetzungen für Fernunterricht erfüllt (entgeltlich, Lerninhalte, überwiegende asynchrone Anteile, Lernerfolgskontrolle), ist eine Zulassung bei der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) zwingend.
Dabei gilt:
- Teilnahmegebühren ohne gültige Zulassung bergen das Risiko der Nichtigkeit und Rückzahlungspflicht.
- Aufzeichnungen von Live-Online-Seminaren gelten als asynchrones Lernen und erfordern die Zulassungspflicht.
- Selbst die Möglichkeit zur fachlichen Fragenstellung gilt als Lernerfolgskontrolle.
- Wer die Zulassung vermeiden möchte, sollte auf asynchrone Inhalte verzichten, keine Lernerfolgskontrollen anbieten und Online-Bildungsangebote ausschließlich synchron durchführen.
- Für regelmäßig angebotene Kurse mit unveränderten Inhalten kann die Zulassung auch als Qualitätsmerkmal dienen.
Das Urteil hat auch wettbewerbsrechtliche Bedeutung: Anbieter ohne Zulassung riskieren Abmahnungen und Bußgelder.
Anforderungen an Online-Bildungsangebote verschärft
Das BGH-Urteil schafft Rechtssicherheit, verschärft aber deutlich die Anforderungen an Online-Bildungsangebote. Gemeinnützige Organisationen und Bildungsträger sollten prüfen, ob ihre Angebote unter das FernUSG fallen, und gegebenenfalls die notwendige Zulassung beantragen. Andernfalls drohen Vertragsnichtigkeit und Rückforderungsansprüche der Teilnehmer.
Anbieter, die keine Zulassung anstreben, sollten asynchrone Elemente minimieren, auf Lernerfolgskontrollen verzichten und sich auf ein rein synchrones Format beschränken.
Gemeinnützige Organisationen sollten ihre Bildungsprogramme entsprechend ausrichten und dokumentieren, um rechtliche Risiken zu vermeiden.
Beratung zur Gestaltung von Bildungsangeboten
- Bieten Sie Onlineseminare oder Coachings mit Aufzeichnungen oder zeitversetzten Lernanteilen an?
- Kontrollieren Sie auf irgendeine Weise den Lernerfolg Ihrer Teilnehmer, z.B. durch Q&A oder Feedback?
- Liegt für Ihre Fernlehrgänge eine Zulassung nach dem FernUSG vor?
- Sind Sie auf Rückforderungsansprüche bei Rücktritt eines Teilnehmers vorbereitet?
Bei Unsicherheiten steht das NPO-Team als Experten für individuelle Beratung zu allen Fragen rund um das FernUSG, Zulassungspflichten und die rechtssichere Gestaltung von Bildungsangeboten gerne zur Verfügung.
BGH, Urteil v. 12.06.2025, III ZR 109/24
