Wohl jedem ist mittlerweile die Jahresfrist bekannt, nach welcher in Deutschland Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht mehr versteuert werden müssen. Was viele leider übersehen, ist, dass nach Ende der Jahresfrist auch Verluste nicht mehr steuerlich abziehbar sind. Durch klare Aktionen und Kontrolle der Bestände können hier steuerliche Vorteile nutzbar bleiben, die ohne notwendige Aktion verfallen würden.
Voraussetzungen für das Vorliegen eines steuerlichen Verlustes nach §23 EStG
Um Kryptoverluste steuerlich geltend zu machen, müssen bestimmte Voraussetzungen nach § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) erfüllt sein: Ein steuerlicher Verlust liegt vor, wenn der Verkaufspreis der Kryptowährung niedriger ist als die Anschaffungskosten. Diese Verluste können nur dann berücksichtigt werden, wenn die Kryptowährungen innerhalb eines Jahres nach dem Erwerb (oder dem Zufluss von Rewards) verkauft wurden.
Besonderheiten mit Schaltjahr
Wichtig: 2024 ist ein Schaltjahr und damit gelten nicht 365 Tage, sondern 366 Tage für die Jahresfrist. Werden Verluste also noch am Tag 366 realisiert, können diese noch steuerlich verrechnet werden. Gleichzeitig gelten Verkäufe am Tag 366, welche mit Gewinn enden, dann leider auch noch als steuerpflichtig.
Verrechnungsmöglichkeit mit Gewinnen des laufenden Jahres
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften können mit Gewinnen aus anderen privaten Veräußerungsgeschäften im gleichen Kalenderjahr verrechnet werden. Das bedeutet, dass Verluste aus dem Verkauf von Kryptowährungen gegen Gewinne aus dem Verkauf anderer Kryptowährungen oder anderer privater Veräußerungsgeschäfte (z.B. Immobilien, Gold) aufgerechnet werden können. Diese Verrechnung hilft, die steuerliche Belastung zu senken, indem die Gewinne reduziert werden.
Verlustrücktrag und Verlustvortrag
Wenn die Verluste höher sind als die Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften im laufenden Jahr, gibt es zwar nicht die Möglichkeit der Verrechnung mit anderen Einkünften, aber es besteht die Möglichkeit des Verlustrücktrags und Verlustvortrags. Verluste können bis zu einem Betrag von 1.000.000 Euro (bei Ehegatten bis zu 2.000.000 Euro) in das unmittelbar vorangegangene Jahr zurückgetragen werden. Wenn der Verlustrücktrag nicht ausreicht, können die verbleibenden Verluste unbegrenzt in die folgenden Jahre vorgetragen werden. Dies ermöglicht es, die Verluste in zukünftigen Jahren mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften zu verrechnen und so die Steuerlast zu mindern.
Was ist Loss harvesting?
Loss harvesting ist eine Strategie, bei der gezielt Verluste realisiert werden, um diese steuerlich geltend zu machen. Hierfür werden Kryptowährungen, die im Wert gesunken sind, verkauft, um die Verluste zu realisieren. Diese Verluste können dann gegen Gewinne aus anderen Investitionen aufgerechnet werden, um die Steuerlast zu senken.
Schritte für Loss harvesting
- Identifikation von Verlusten: Sie können Ihr Portfolio überprüfen und Kryptowährungen identifizieren, die im Wert gesunken sind. Dies kann auch Zugänge aus Staking Rewards oder Airdrops mit Gegenleistung betreffen, die seit dem Zufluss an Wert verloren haben.
- Verkauf der Kryptowährungen: Sie können die verlustbringenden Kryptowährungen verkaufen, um die Verluste zu realisieren, soweit die Jahresfrist noch nicht abgelaufen ist.
- Rückkauf der Kryptowährungen: Sie können die Kryptowährung zurückkaufen, wenn Sie an die Erholung des Kurses glauben. Warten Sie dabei idealerweise einen Einstieg ab, der technisch oder fundamental ein Kaufsignal bedeutet. Nun beginnt eine neue Jahresfrist für die zurückgekauften Coins.
- Dokumentation: Sie können alle Transaktionen sorgfältig dokumentieren, einschließlich Kauf- und Verkaufsdaten sowie der jeweiligen Preise. Wir empfehlen hierzu die Software von cointracking.info.
- Verrechnung: Sie können die realisierten Verluste nutzen, um diese gegen realisierte Gewinne aus anderen Investitionen im gleichen Jahr aufzurechnen oder ggf. in Vorjahre zurückzutragen oder ins Folgejahr vorzutragen.
Gefahr für die steuerliche Anerkennung – Wash-Sale-Regeln
Der Ausdruck „Wash-Sale“-Regeln hat seinen Ursprung in den 1930er Jahren in den USA als Reaktion auf die „Große Depression“. Diese Regeln wurden eingeführt, um Marktmanipulation und Steuerhinterziehung zu verhindern, indem sie es Anlegern untersagen, Verluste aus Wash-Sales steuerlich geltend zu machen. Ein Wash-Sale erweckt den Anschein einer echten Transaktion, ohne dass tatsächlich ein wirtschaftlicher Eigentümerwechsel stattfindet.
In Deutschland gibt es keine spezifischen Wash-Sale-Regeln für Kryptowährungen. Theoretisch könnte man also Kryptowährungen verkaufen und sofort wieder zurückkaufen, um Verluste zu realisieren. Deutschland benennt Wash-Sale-Geschäfte als „In-sich-Geschäfte“ und im Wertpapier-Umfeld sind entsprechende oder auch abgesprochene Geschäfte natürlich ebenfalls nicht zulässig, warnt die BaFin.
Vermeidung von missbräuchlichen steuerlichen Gestaltungen in Deutschland
Daneben kennt Deutschland den § 42 Abgabenordnung (AO), der besagt, dass missbräuchliche steuerliche Gestaltungen nicht anerkannt werden. Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.
Eine potenzielle Gefahr für die steuerliche Anerkennung von Loss harvesting bestünde also, wenn die Finanzverwaltung die Transaktionen als rein steuerlich motiviert und das Ausnutzen der Frist, um Verluste zu realisieren, als einen gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil ansähe. Das kann sicherlich bestritten werden. Um einen unnötigen Rechtsstreit jedoch zu vermeiden, sollten insbesondere die Rückkäufe einen wirtschaftlichen Hintergrund haben und sollte möglichst nicht unmittelbar nach dem Verkauf zurückgekauft werden.
Nicht steuerliche Gründe für den Rückkauf von Kryptowährungen
Ein nicht steuerlicher Grund für den Rückkauf könnte z.B. im Überschreiten eines bestimmten gleitenden Durchschnitts nach der technischen Analyse bestehen. Unterschiedliche Ansichten innerhalb des Eheverbundes könnten auch Auslöser für das Handeln sein (z.B. der bisherige Eigentümer der Kryptos will verkaufen, der Ehepartner will jedoch den Coin halten => Wenn nach dem Verkauf des einen Ehepartners dann der andere Ehepartner unmittelbar die Coins auf seine eigene Wallet kauft, dürfte es dem Finanzamt schwerfallen, hier ausschließlich steuerliche Gründe für Verkauf und Rückkauf zu unterstellen).
WINHELLER beantwortet Ihre Fragen zu Loss harvesting
Loss harvesting ist eine legale und effektive Strategie, um die Steuerlast zu senken, erfordert jedoch sorgfältige Planung und Dokumentation.
WINHELLER ist gerne dabei behilflich sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind und die steuerlichen Vorteile optimal genutzt werden. Kommen Sie gern mit Ihren Fragen auf uns zu.
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