
Mit einem Beschluss vom 24.10.2023 hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) zu der Frage geäußert, ob und wann Leistungen aus einem Heisenberg-Stipendium steuerfrei i.S.d. § 3 Nr. 44 EStG sein können. Worum es genau ging und wie der BFH seine Entscheidung begründete, fassen wir im Folgenden zusammen.
Die Klägerin vertrat in den Jahren 2016 und 2017 eine Professur an einer Universität. Daneben gewährte ihr die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ab 2017 ein Heisenberg-Stipendium mit monatlichen Zahlungen, welche sich aus einem Grundbetrag, einem Sachkostenzuschuss sowie einem pauschalen Zuschlag für den Ausgleich einer etwaigen Versteuerung des Stipendiums zusammensetzten. Der Zuschlag war dabei zurückzuzahlen, sofern keine Versteuerung des Stipendiums erfolgte. Der Klägerin konnten auf Antrag weitere Zuschüsse sowie ein Auslandszuschlag bewilligt werden.
Was ist das Heisenberg-Stipendium?
Das Heisenberg-Stipendium dient der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Es soll Wissenschaftlern, die alle Voraussetzungen für die Berufung auf eine Dauer-Professur erfüllen, ermöglichen, sich auf eine wissenschaftliche Leitungsposition vorzubereiten und in dieser Zeit weiterführende Forschungsthemen zu bearbeiten.
Finanzamt behandelt Stipendienleistungen als steuerpflichtige Einkünfte
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2018 gab die Klägerin die Zahlungen aus dem Heisenberg-Stipendium als der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 44 EStG unterliegende Einkünfte an. Das Finanzamt behandelte die erklärten Stipendienleistungen im Einkommensteuerbescheid als steuerpflichtige Einkünfte der Klägerin aus freiberuflicher Tätigkeit. Das Stipendium übersteige den für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Betrag, weshalb das Finanzamt der Auffassung war, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 44 EStG nicht erfüllt seien.
Hiergegen klagte die Betroffene nach erfolglosem Einspruch mit Erfolg vor dem FG Sachsen. Gegen dieses Urteil legte das Finanzamt Revision zum BFH ein.
§ 3 Nr. 44 EStG: Steuerfreiheit von Stipendien
§ 3 Nr. 44 EStG regelt die Steuerfreiheit von Stipendien. Nach § 3 Nr. 44 Satz 1 und 2 EStG sind Stipendien steuerfrei, die von gemeinnützigen Körperschaften
- zur Förderung der Forschung oder
- zur Förderung der wissenschaftlichen Aus- oder Fortbildung oder
- zur Förderung der künstlerischen Aus- oder Fortbildung gewährt werden.
Für die Steuerfreiheit ist dabei gem. § 3 Nr. 44 Satz 3 EStG maßgeblich, dass die Stipendien einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und für die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht überschreiten. Das Stipendium muss auch im Einklang mit den vom Stipendiengeber erlassenen Richtlinien vergeben werden. Zudem darf der Empfänger nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet sein, die er im Gegenzug für das Stipendium zu erbringen hat.
Voraussetzungen für Steuerfreiheit gegeben
Der BFH hielt die vom Finanzamt eingelegte Revision für unbegründet. Mit der DFG sei zunächst ein gemeinnütziger privater Stipendiengeber i.S.d. § 3 Nr.44 Satz 2 gegeben. Es seien auch begünstigte Zwecke gem. § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG gegeben, da die Mittel zur Förderung der Forschung und der wissenschaftlichen Aus- und Fortbildung gewährt wurden.
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Die Höhe der erforderlichen Aufwendungen für den Lebensunterhalt bestimme sich nach der Rechtsprechung des BFH und mangels konkreter Regelungen in § 3 Nr. 44 EStG nach der allgemeinen Verkehrsauffassung. Lebensbedarf bedeutet dabei die Gesamtheit der Mittel, die benötigt werden, um dem Einzelnen ein menschenwürdiges Leben in einem sozialen Umfeld zu sichern. Nach Auffassung des BFH seien dafür zu berücksichtigen:
- Unentbehrliche Aufwendungen für Wohnung, Verpflegung, Ausbildung, Kleidung, Gesundheit und angemessene Freizeitgestaltung und andere notwendige Ausgaben dieser Art,
- das Alter der Stipendiaten,
- ihre akademische Vorbildung sowie
- ihre nach der Verkehrsauffassung erforderlichen typischen Lebenshaltungskosten in der konkreten sozialen Situation.
Stipendium deckt lediglich „erforderlichen Lebensbedarf“
Auf Grundlage dieser Kriterien komme dem vor Inanspruchnahme des Stipendiums vereinnahmten und im Bewilligungszeitraum des Stipendiums zeitweilig ausfallenden Entgelt eine gewichtige Indizwirkung dafür zu, dass das Stipendium lediglich den „erforderlichen Lebensbedarf“ der Stipendiaten im Sinne des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. a EStG abdeckt. Dies sei insbesondere der Fall, wenn das Stipendium nicht wesentlich über den Betrag der vorher bezogenen Einnahmen hinausgehe.
Vorliegend lag der monatliche Grundbetrag des Stipendiums deutlich unter dem monatlichen Bruttoeinkommen, welches die Klägerin vor Inanspruchnahme des Stipendiums durch ihre berufliche Tätigkeit erzielte. Die Indizwirkung wurde im gegebenen Fall auch nicht durch andere Umstände entkräftet.
Hervorzuheben sei hierbei, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum allein für das Auskommen der Familie und ihrer drei minderjährigen Kinder zu sorgen hatte. Die in einer solchen sozialen Situation typischerweise anfallenden Lebenshaltungskosten sprechen daher ebenfalls dafür, dass der monatliche Grundbetrag den für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Betrag nicht überstieg. Auch der gewährte Zuschlag spreche nicht für das Vorliegen eines steuerpflichtigen Entgelts: Es sei eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall vereinbart gewesen, dass eine zutreffende Einordnung der Steuerfreiheit vorgenommen würde.
Keine wissenschaftliche Gegenleistung
Die Klägerin habe auch keine wissenschaftliche Gegenleistung erbringen müssen, da darunter nicht die Verpflichtung zur Forschungsarbeit oder zur Präsentation von Forschungsergebnissen im Rahmen eines Abschlussberichts zu verstehen sei. Sie sollte laut Bewilligungsbescheid lediglich ihre Konzentration auf ihr Forschungsvorhaben richten und über die Ergebnisse ihrer Forschung berichten. Diese Verpflichtung diente somit allein dem Zweck des Stipendiums selbst und sollte verhindern, dass Mittel aus dem Stipendium missbräuchlich für andere Zwecke verwendet werden. Dabei war die Klägerin jedoch in der Wahl und Verfolgung ihrer Forschungsthemen völlig frei.
Heisenberg-Stipendium weiterhin steuerfrei
Der BFH bestätigt mit dem vorliegenden Urteil seine bisherige Rechtsprechung. Stärkeres Augenmerk wurde hierbei auf die Thematik der Gegenleistungen gelegt. Schädlich seien danach allein solche Gegenleistungen, die einerseits über die Verwirklichung des Förderzwecks hinausgehen und andererseits einen eigenen wirtschaftlichen Wert für den Stipendiengeber haben. Grund dafür ist, dass das Stipendium unter diesen Umständen eine „Entlohnung“ der jeweiligen Tätigkeit darstellen würde.
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BFH, Beschl. v. 24.10.2023 – VIII R 11/22
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