Erst kürzlich entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass Berufsverbände durch ihre „Lobbyarbeit“ keine umsatzsteuerbaren Leistungen gegenüber ihren Mitgliedern erbringen – und versagte damit den Vorsteuerabzug. Nun setzt das Finanzgericht (FG) Berlin nach und nennt die Voraussetzungen, unter denen ein zur Umsatzsteuerbarkeit führender Leistungsaustausch dennoch stattfindet.
Berufsverband auf europäischer Ebene
Der betroffene Berufsverband ist als „Europäische Wirtschaftliche Interessensvereinigung“ (EWIV) organisiert – eine europäische Rechtsform für wirtschaftlich tätige Mitglieder aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die mit der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) nach deutschem Recht vergleichbar ist. Zweck dieser Vereinigung war es, den unternehmerischen Mittelstand durch gemeinsame Projekte und Lobbyarbeit zu fördern. Die EWIV leistete ihren Mitgliedern hierzu auch Unterstützung durch sog. Einzelressorts wie Unternehmensberatung, Rechtsberatung und Steuerberatung. Aufgrund einer insgesamt wirtschaftlichen Betätigung machte die Vereinigung im Rahmen ihrer Steuererklärung die Vorsteuer aus bezogenen Leistungen geltend.
Gezielte Leistungen zugunsten einzelner Mitglieder
Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung war das zuständige Finanzamt allerdings zu der Ansicht gelangt, die EWIV hätte lediglich Erlöse aus den Beiträgen ihrer Mitglieder erzielt, die der Erfüllung der satzungsgemäßen Aufgaben dienten. Mangels Leistungsaustauschs seien die Beiträge daher nicht steuerbar und der Vorsteuerabzug zu versagen.
Dem trat das FG Berlin jedoch entgegen: Das für die Umsatzsteuerbarkeit notwendige Austauschverhältnis könne sich bereits daraus ergeben, dass die Tätigkeit, insbesondere die angebotenen Marketing- und Beratungsleistungen, dem konkreten Individualinteresse eines einzelnen Mitglieds diene. Es reiche dabei die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme der Leistungsangebote. Dem stehe auch nicht entgegen, dass durch die Tätigkeit gleichzeitig Leistungen für alle übrigen Mitglieder erbracht würden, selbst wenn diese nicht im gleichen Umfang davon profitierten.
Voraussetzungen der Steuerbarkeit konkretisiert
Nach Ansicht des FG Berlin komme es damit für die Steuerbarkeit des Leistungsaustauschs nicht darauf an, ob der Verband gezielte Leistungen auf Verlangen der Mitglieder erbringe oder ob sich deren Beitragshöhe an der Inanspruchnahme von Leistungen orientiere. Vielmehr sei die Möglichkeit der Förderung eines konkreten Individualinteresses entscheidend, und zwar unabhängig davon, ob damit auch die Interessen der übrigen Mitglieder gefördert würden. Demgegenüber liege kein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch vor, wenn ausschließlich die gemeinsamen Interessen aller Mitglieder gefördert würden und die Förderung zugleich dem gesamten Wirtschaftszweig zu Gute komme, den Mitgliedern also höchstens mittelbare Vorteile biete.
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Die Vereinigung war nicht als Berufsverband anerkannt, sondern verfolgte im Kern nur die Individualinteressen der Mitglieder. Der Fall ist aber auf Berufsverbände übertragbar und die Versagung des Vorsteuerabzugs ist auch bei Berufsverbänden trotz des Urteils des BFH vom 13.12.2018 nicht für jeden Einzelfall geklärt. Es bedarf daher stets einer Prüfung im Einzelfall, ob den Mitgliedsbeiträgen ein konkreter Leistungsaustausch zu Grunde liegt und damit die Berechtigung zum Vorsteuerabzug gegeben ist. Das FG Berlin liefert hierfür neue Argumente.
FG Berlin, Urteil vom 11. April 2019, Az. 7 K 7194/17
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Tags: Vorsteuer