Möchte das Finanzamt einem Verein infolge einer Satzungsänderung die Gemeinnützigkeit aberkennen, stellt sich die Frage, ab wann eine Aberkennung möglich ist. In Betracht kommen unterschiedliche Zeitpunkte, zu denen der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 23.07.2020 Stellung bezogen hat.
Streit um den richtigen Zeitpunkt
In dem Fall vor dem BFH ging es um einen eingetragenen Verein, der seine Satzung geändert hatte. Die Formulierungen der neuen Satzung unterschieden sich von denen der Mustersatzung, weshalb der Verein aus Sicht des Finanzamtes keine steuerbegünstigenden Zwecke mehr verfolgte. Infolgedessen erkannte das Finanzamt dem Verein die Gemeinnützigkeit ab.
Kernpunkt des Streits vor dem BFH war allerdings nicht die Frage nach dem „ob“, sondern die Frage nach dem „wann“. Denn der Verein war der Ansicht, dass der Entzug frühestens mit der Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister hätte erfolgen dürfen. Dagegen vertraten das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg die Auffassung, dass der Entzug bereits mit dem zeitlich vorgelagerten Beschluss der Satzungsänderung in der Mitgliederversammlung zu erfolgen habe.
Aberkennung erst ab Eintragung der Satzungsänderung möglich
Der Bundesfinanzhof erteilte der Auffassung des Finanzamts und der Vorinstanz jedoch eine Absage. Denn der Moment, ab dem das Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkennen kann, bestimme sich ausschließlich nach dem Zivilrecht. Der Grund: Eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit sei erst möglich, wenn eine erhebliche Änderung der Verhältnisse des Vereins, z.B. durch eine Satzungsänderung, eingetreten sei. Allein durch den Beschluss einer Satzungsänderung trete jedoch noch keine erhebliche Änderung der Verhältnisse ein, da weiterhin die alte Satzung im Innenverhältnis zu den Mitgliedern und im Außenverhältnis zu Dritten seine Wirkung entfalte.
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Nach den einschlägigen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) werde eine Satzungsänderung erst mit Eintragung in das Vereinsregister im Innen- und im Außenverhältnis wirksam, sodass auch erst ab diesen Zeitpunkt eine erhebliche Änderung eintrete. Der Entzug der Gemeinnützigkeit war daher zu früh erfolgt.
Steuernachzahlungen für das komplette Jahr
Wir halten die Entscheidung des BFH für richtig. Das Finanzamt kann nicht einfach mit Beschluss der Satzungsänderung dem Verein die Gemeinnützigkeit entziehen. Zu beachten ist allerdings, dass der Zeitpunkt, ab wann das Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkennen kann, streng vom Zeitraum, für den die Aberkennung der Gemeinnützigkeit erfolgt, abzugrenzen ist. Die Aberkennung erfolgt nämlich rückwirkend für das jeweilige Jahr, in dem die Satzungsänderung wirksam durchgeführt wurde. Daher werden dem Verein die Steuerbegünstigungen rückwirkend für dieses Jahr versagt und das Finanzamt kann entsprechende Steuernachzahlungen festsetzen.
An Mustersatzung orientieren
Dieser Fall verdeutlicht, dass bei einer Satzungsänderung nicht nur die zivilrechtlichen, sondern auch die steuerrechtlichen Folgen betrachtet werden müssen. Der Verein hätte diesen langwierigen Rechtsstreit durch eine vorausschauende Satzungsgestaltung, die alle rechtlichen und steuerlichen Aspekte berücksichtigt, vermeiden können. Insbesondere hätte sich der Verein bei der Satzungsänderung an den Formulierungen der Mustersatzung orientieren sollen.
Zwar ist der Wortlaut der Mustersatzung rechtlich nicht verbindlich, in der Praxis lässt sich jedoch häufig Ärger mit dem Finanzamt vermeiden, wenn sich die eigene Satzung an der Mustersatzung orientiert. Der BFH hat NPOs mit diesem Urteil zusätzliche Zeit verschafft, um eine ordnungsgemäße Satzung zu formulieren – diese Zeit sollten NPOs nutzen! Bei Fragen rund um das Thema stehen Ihnen unsere Experten für Satzungsgestaltung gerne zur Verfügung.
BFH, Urteil v. 23.07.2020 – V R 40/18
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