Das kirchliche Arbeitsrecht ist eine komplexe Thematik und regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Zu einer gewissen Berühmtheit ist der sogenannte Chefarzt-Fall gelangt. Ein katholisches Krankenhaus hatte einem Chefarzt gekündigt, der sich mit einer zweiten Frau vermählte, obwohl die erste Ehe nach katholischem Recht noch Bestand hatte. Während der Chefarzt zunächst in allen Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) obsiegte, gab das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) der Verfassungsbeschwerde des Krankenhauses statt.
Umstrittener Prüfungsspielraum staatlicher Gerichte
Das BVerfG verwies auf das grundgesetzlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, welches den Religionsgemeinschaften erlaubt, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Dazu gehört auch die Forderung nach Loyalität zu kirchlichen Glaubenssätzen und Wertentscheidungen für Arbeitnehmer, die im religiös geprägten Bereich der Kirche beschäftigt sind. Was dieser religiös geprägte Bereich erfasst, obliegt dem Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft („kirchliches Proprium“). Staatlichen Gerichten obliegt es nur, innerhalb dieses Selbstverständnisses eine Plausibilitätskontrolle durchzuführen.
Dem hat der Gerichtshof der europäischen Union (EuGH) nunmehr eine Absage erteilt. Der EuGH fordert vielmehr, dass im Rahmen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes eine wirksame gerichtliche Kontrolle erfolgt. Die Gerichte haben zu prüfen, ob die Religionszugehörigkeit des Arbeitnehmers bzw. dessen Leben in Übereinstimmung mit elementaren Glaubensgrundsätzen eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft darstellt.
Staatliche Gerichte haben nach Ansicht des EuGH also eine vollumfängliche Prüfungskompetenz, ob derartige Anforderungen eines kirchlichen Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer objektiv gerechtfertigt sind.
Darlegungslast obliegt den Kirchen
Der Tenor des EuGH bürdet den deutschen Religionsgesellschaften die Last auf, die Notwendigkeit einer Diskriminierung wegen der Religionszugehörigkeit zu beweisen. Der EuGH sagt zudem klipp und klar, dass § 9 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), welcher den Kirchen eine solche Diskriminierung grundsätzlich erlaubt, im Zweifel unangewendet bleiben muss. Gelingt der Religionsgemeinschaft dieser Nachweis nicht, ist die Forderung der Religionszugehörigkeit unzulässig.
Damit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auch in Zukunft von ihrem Personal Loyalität zur eigenen Religion fordern dürfen, bedarf es daher einer guten Dokumentation und Begründung im Vorfeld. Unsere im Kirchen- und Arbeitsrecht erfahrenen Anwälte stehen Ihnen gern mit Rat und Tat zur Seite, um Ihre kirchliche Identität zu schützen.
EuGH, Urteil vom 17.04.2018, Az. C 414/16
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