Nachdem die deutsche Bundesregierung das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) im letzten Jahr verabschiedet hat und dieses am 01.01.2023 in Kraft tritt, hat die EU-Kommission nun nachgezogen und einen Entwurf über eine weitere Richtlinie zum Thema Nachhaltigkeit, die sog. „Corporate Sustainability Due Diligence“-Richtline (nachfolgend „RL-Entwurf“), vorgelegt.
Ziel der EU-Kommission ist ein europaweit einheitlich hohes Niveau an Menschenrechts- und Umweltschutz durch Einbeziehung von Unternehmen, welche im Bereich Nachhaltigkeit besondere Sorgfaltspflichten treffen sollen.
Die Regelungen des LkSG werden hier in vielen Teilen erweitert. Insbesondere soll die neue EU-Richtlinie auch auf kleinere Unternehmen angewendet werden und die Wirtschaft angehalten werden, ihren Beitrag zur Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 1,5 °C im Sinne des Pariser Klimaabkommens beizusteuern.
Welche Unternehmen sind vom RL-Entwurf für mehr Nachhaltigkeit umfasst?
Der Anwendungsbereich des RL-Entwurfs soll sich sowohl auf Gesellschaften aus den EU-Mitgliedstaaten als auch auf Nicht-EU-Unternehmen erstrecken. Hier gelten jedoch unterschiedliche Grenzwerte, die sich teilweise stark von den Regeln der LkSG unterscheiden. Es bleibt abzuwarten, ob die Regelungen im RL-Entwurf in der finalen Fassung der Richtlinie bestehen bleiben und wie die Bundesregierung die finale EU-Richtlinie letztlich in deutsches Recht umwandelt.
Umfasst vom RL-Entwurf sind EU-Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 500 Beschäftigten und mit einem weltweiten Umsatz von mehr als 150 Mio. Euro sowie Unternehmen, mit mindestens 250 Beschäftigten und einem realisierten Umsatz von mindestens 40 Mio. Euro in sog. „High-Impact-Sektoren“.
Als „High-Impact-Sektoren“ definiert der RL-Entwurf gewisse Wirtschaftsbereiche, die eine besondere Bedeutung für den Umwelt- und Menschenrechtsschutz haben. Hierunter fallen unter anderem der Lebensmittel- und Textilsektor, die Landwirtschaft, die Gewinnung von Bodenschätzen sowie die Herstellung und der Handel von Grundmetallprodukten und anderen Mineralprodukten.
Nicht EU-Unternehmen werden über ihren Umsatz aus dem vorangegangenen Geschäftsjahr klassifiziert. Wenn dieser über 150 Mio. Euro liegt oder mindestens 40 Mio. Euro überschreitet und 50 Prozent in einem „High-Impact-Sektor“ erwirtschaftet wurden, sind diese Unternehmen vom RL-Entwurf umfasst und müssen sich an die darin geregelten Sorgfaltspflichten halten.
Sorgfaltspflichten des RL-Entwurfs gelten für gesamte Lieferkette
Die Sorgfaltspflichten des RL-Entwurfs ähneln in vielen Punkten sehr stark denen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und den UN- sowie OECD-Leitprinzipien, gehen teilweise jedoch auch darüber hinaus.
So sind von den Sorgfaltspflichten z.B. auch Tochterunternehmen und Unternehmen aus der Lieferkette, mit denen eine „etablierte Geschäftsbeziehung“ gepflegt wird, umfasst. Hierdurch soll verhindert werden, dass Unternehmen sich zu einfach von den Sorgfaltspflichten entbinden können. Diese müssen nun auch für ihre Geschäftspartner, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeiten, einstehen.
Die Sorgfaltspflichten umfassen unter anderem die Implementierung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Schutzmaßnahmen in bestehende Richtlinien, wie Controlling und Governance-Prozesse, sowie den Aufbau und die Implementierung eines Beschwerdesystems, welches Betroffenen, NGOs und Gewerkschaften die Möglichkeit bietet, potenzielle negative Auswirkungen unternehmerischen Handelns auf Umwelt- oder Menschenrechte zu melden.
Gesellschaftsrechtliche (Haftungs-)Regelungen für Vorstände und Geschäftsführer
Der Entwurf der Kommission umfasst auch gesellschaftsrechtliche Haftungsregelungen. Demnach haben Unternehmen fortan in Vergütungsvereinbarungen ihrer Geschäftsführer zu berücksichtigen, inwiefern die Sorgfaltspflichten zur Eindämmung des Klimawandels aus Art. 15 Abs. 1, 2 RL-Entwurf eingehalten wurden. Zudem entstehen Haftungsrisiken für Vorstände gem. § 93 Abs. AktG, wenn diese bei ihrem Handeln als Vorstand Nachhaltigkeitsaspekte nicht berücksichtigen.
Mögliche Sanktionen und Haftungsrisiken für Unternehmen
Die Durchsetzung der Richtlinie soll nicht nur einen öffentlich-rechtlichen Ansatz in Form von Unternehmenssanktionen verfolgen, sondern will auch private Akteure mit einbinden. Hier können sich zivilrechtliche Haftungsrisiken für die Geschäftsleitung von Unternehmen ergeben, die von tatsächlich Betroffenen in Anspruch genommen werden könnte. Die zivilrechtliche Haftung, von der Unternehmen im LkSG noch verschont wurden, wird nach dem Willen der EU-Kommission nun kommen.
Wann tritt die neue EU-Nachhaltigkeits-Richtlinie in Kraft?
Der Entwurf der Europäischen Kommission durchläuft jetzt den legislativen Prozess der EU. Nach Verabschiedung einer finalen Richtlinienfassung müssen die EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Konkret bedeutet das für Deutschland eine Änderung des LkSG.
Die finale Richtlinie würde demnach erst in einigen Jahren tatsächliche Wirkung entfalten, allerdings sollten betroffene Unternehmen bereits jetzt entsprechende Prozesse in Gang setzen, um später nicht „kalt erwischt“ zu werden und drohende Sanktionen oder zivilrechtliche Haftungsrisiken bereits jetzt zu vermeiden. Insbesondere bei der Umsetzung der Anforderungen des LkSG innerhalb des Unternehmens sollten die zukünftigen Anforderungen des RL-Entwurfs im Auge behalten werden.
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