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DLT Pilot Regime – Die „Regulatory Sandbox“ für auf Distributed-Ledger-Technologie (DLT) basierende Marktinfrastrukturen

Die Pilotregelung für auf Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen (Verordnung (EU) 2022/858, im Folgenden DLT Pilot Regime) ist neben der Markets in Crypto Assets Regulation (MiCAR) der vom europäischen Gesetzgeber zweite große Meilenstein des Pakets zur Digitalisierung des Finanzsektors der Europäischen Kommission auf dem Weg der Digitalisierung des Kapitalmarktes.

Das DLT Pilot Regime bietet bereits regulierten Unternehmen wie Zentralverwahrern, Wertpapierfirmen oder Marktbetreibern sowie bisher noch nicht regulierten Unternehmen die Möglichkeit, neue Geschäftsfelder unter verringerten regulatorischen Anforderungen zu testen. Im Folgenden erklären wir, worum es bei der DLT-EU-Pilotregelung genau geht und unter welchen Voraussetzungen sie zur Anwendung kommt:

Neue Verordnungen für Kryptowerte auf EU-Ebene

Kryptowerte sind auf europäischer Ebene bisher nur geldwäscherechtlich als virtuelle Währungen ausdrücklich geregelt. Das hat der deutsche Gesetzgeber zum Anlass genommen, um Kryptowerte als Finanzinstrumente, das Kryptoverwahrgeschäft als Finanzdienstleistung und damit Dienstleistungen rund um Kryptowerte als erlaubnispflichtig einzustufen. Der europäische Gesetzgeber zieht jetzt nach und etabliert mit der MiCAR und dem DLT Pilot Regime gleich zwei wichtige Verordnungen für den europäischen Kryptomarkt. Ziel des DLT Pilot Regimes ist, dass die rechtliche Infrastruktur im Bank- und Finanzdienstleistungsbereich in der EU das Fundament der digitalen Infrastruktur einer zukunftsfähigen Wirtschaft bildet. So sollen innovative und transformative Technologien wie die Blockchain– bzw. Distributed-Ledger-Technologie (DLT) erforscht, entwickelt und gefördert werden – schließlich sind Kryptowerte aktuell der größte Anwendungsfall im Bereich der DLT.

Kryptowerte im Sinne des DLT Pilot Regimes

Im Gegensatz zur MiCAR fokussiert sich das DLT Pilot Regime nicht auf die Regulierung von Kryptowerten, sondern auf die Schaffung der Infrastruktur eines digitalen Finanzwesens und der Nutzung des Potenzials von DLT im Bereich der Abwicklung von (Wertpapier-)Transaktionen. Es soll die Digitalisierung der Finanzmarktinfrastruktur in der EU vorantreiben und die Bildung eines Sekundärmarktes für kryptobasierte Finanzinstrumente unterstützen sowie Innovation und Wettbewerb fördern und die damit verbundenen Risiken mindern. Damit steht es im Einklang mit den Prioritäten der EU, Europa für das digitale Zeitalter zu rüsten und eine zukunftsfähige Wirtschaft zu schaffen. Das wirkt sich auch auf den Anwendungsbereich aus, sodass das DLT Pilot Regime weit weniger Kryptowerte erfasst als die MiCAR. Es werden lediglich die Kryptowerte erfasst, die als Finanzinstrumente unter die MiFID-II-Regulierung fallen. Damit sind alle anderen Kryptowerte wie Currency-Token oder Utility-Token grundsätzlich vom DLT Pilot Regime ausgenommen. Security-Token fallen nur dann unter das DLT Pilot Regime, wenn sie auch unter die MiFID-II-Regulierung fallen. Klassische Kryptowerte wie Bitcoin oder Ethereum werden folglich nicht erfasst. Zusätzlich stellt das DLT Pilot Regime Anforderungen an die Marktkapitalisierung bei Aktien, das Emissionsvolumen bei Anleihen oder anderen Formen verbriefter Schuldtitel, den Marktwert des verwalteten Vermögens bei bestimmten Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und den Gesamtwert der verbuchten Finanzinstrumente.

DLT Pilot Regime als „Regulatory Sandbox“

Das DLT Pilot Regime stellt eine Regulatory Sandbox dar. Die Regulatory Sandbox ist ein Instrument, das die Financial Conduct Authority (FCA), die Finanzmarktaufsichtsbehörde Großbritanniens, bereits seit geraumer Zeit nutzt, um FinTechs zu ermöglichen, ihr Geschäftsmodell für einen begrenzten Zeitraum und einen begrenzten Kundenkreis unter der Aufsicht und Anleitung der FCA zu testen, ohne sämtliche Anforderungen an eine Erlaubnis für Bank- oder Finanzdienstleistungen zu erfüllen. Sinn und Zweck von „Regulatory Sandboxes“ ist es, Innovation und Erfindergeist zu fördern und kluge Köpfe nicht durch zu hohe Markteintrittsbarrieren infolge der strengen aufsichtsrechtlichen Regelungen abzuschrecken.

Einführung neuer Erlaubnistatbestände unter dem DLT Pilot Regime

Durch das DLT Pilot Regime werden drei neue Erlaubnistatbestände eingeführt, durch die innerhalb der EU Bank- und Finanzdienstleistungen erbracht werden können. Dadurch soll es Dienstleistern ermöglicht werden, andere mit für gewöhnlich höheren Anforderungen und Pflichten verbundene Erlaubnistatbestände für einen bestimmten Zeitraum und innerhalb eines klar definierten Anwendungsbereiches zu umgehen. Zudem können neue Marktteilnehmer zeitlich befristete Zulassungen als Wertpapierfirmen/ Marktbetreiber oder Zentralverwahrer neben einem Antrag im Rahmen der Pilotregelung beantragen.

Das DLT Pilot Regime eröffnet damit die Möglichkeit des Handels und der Abwicklung von DLT-Wertpapieren sowie die Möglichkeit, neue Betätigungsfelder und Geschäftsmodelle zu erschließen. Die drei neuen Erlaubnistatbestände sind:

  1. Betrieb eines multilateralen DLT-Handelssystems (DLT Multi Trading Facility, im Folgenden „DLT-MTF“): Ein DLT-MTF ist ein von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betriebenes multilaterales Handelssystem, das nur den Handel mit durch DLT übertragbaren Wertpapieren zulässt und dem auf der Grundlage transparenter, nicht diskretionärer und einheitlicher Regeln und Verfahren gestattet werden kann, (i) die erstmalige Verbuchung von durch DLT übertragbaren Wertpapieren vorzunehmen, (ii) Geschäfte mit durch DLT übertragbaren Wertpapieren gegen Bezahlung abzuwickeln und (iii) Verwahrungsdienstleistungen in Bezug auf durch DLT übertragbare Wertpapiere oder gegebenenfalls in Bezug auf damit verbundene Zahlungen und Sicherheiten, die unter Verwendung des DLT-MTF bereitgestellt werden, anzubieten. Zugelassene Wertpapierfirmen und Marktbetreiber können folglich den Betrieb eines DLT-MTF beantragen und regulatorische Erleichterungen, insbesondere hinsichtlich des Transaktionsmeldewesens erfahren.

  2. Betrieb eines DLT-Wertpapierabwicklungssystems (DLT Settlement System, im Folgenden DLT-SS): Ein DLT-SS ist ein von einem Zentralverwahrer betriebenes Wertpapierabwicklungssystem, mit dem Geschäfte mit durch DLT übertragbaren Wertpapieren gegen Bezahlung abgewickelt werden. Durch die Erlaubnis können Zentralverwahrer von erleichterten regulatorischen Anforderungen profitieren, bspw. eine zeitlich begrenzte Ausnahme von den Vorschriften der Zentralverwahrerverordnung über den Barausgleich erhalten.

  3. Betrieb eines kombinierten DLT-Handels- und Abrechnungssystems (DLT Trading and Settlement System, im Folgenden “DLT-TSS”): Ein DLT-TSS ist entweder ein DLT-MTF, bei dem die von einem DLT-MTF und einem DLT-SS erbrachten Dienstleistungen kombiniert sind und das von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betrieben wird, die bzw. der eine Genehmigung für den Betrieb eines DLT-TSS erhalten hat, oder ein DLT-SS, bei dem die von einem DLT-MTF und einer DLT-SS erbrachten Dienstleistungen kombiniert sind und das von einem Zentralverwahrer betrieben wird, der eine Genehmigung für den Betrieb eines DLT-TSS erhalten hat. Die Betreiber von DLT-TSS sollten dieselben Ausnahmen beantragen können wie die Betreiber von DLT-MTF und DLT-SS, sofern sie die mit den Ausnahmen verbundenen Bedingungen erfüllen und alle von den zuständigen Behörden geforderten Ausgleichsmaßnahmen umsetzen.

Anforderungen an die Erlaubnis

Um eine Erlaubnis zu erlangen, müssen Unternehmen bestimmte Eigenschaften auf- bzw. nachweisen. Dazu zählen insbesondere:

  • Erstellung eines klaren und detaillierten Geschäftsplans, aus dem hervorgeht, wie sie ihre Dienstleistungen zu erbringen und ihre Tätigkeiten durchzuführen beabsichtigen, einschließlich einer Beschreibung der kritischen Mitarbeiter, der technischen Aspekte, des Einsatzes der DLT;

  • Veröffentlichung einer aktuellen, klaren und detaillierten schriftlichen Dokumentation, in der die Regeln festgelegt sind, nach denen die DLT-Marktinfrastrukturen betrieben werden und nach denen Betreiber agieren sollen, einschließlich der damit verbundenen rechtlichen Bedingungen, mit denen die Rechte, Pflichten, Verantwortlichkeiten und Haftung des Betreibers der DLT-Marktinfrastrukturen sowie der Mitglieder, Teilnehmer, Emittenten und Kunden, die ihre betreffenden DLT-Marktinfrastrukturen nutzen, festgelegt werden;

  • Aufstellen von Regeln für die Funktionsweise der von ihnen verwendeten DLT bzw. Dokumentation, einschließlich Regeln für den Zugang zu dem Distributed Ledger, für die Beteiligung der validierenden Knotenpunkte, für den Umgang mit potenziellen Interessenkonflikten sowie für das Risikomanagement einschließlich etwaiger Maßnahmen zur Risikominderung, um Anlegerschutz, Marktintegrität und Finanzstabilität zu gewährleisten;

  • Sicherstellung, dass die allgemeinen IT- und Cyber-Strukturen im Zusammenhang mit der Nutzung ihrer Distributed-Ledger-Technologie der Art, dem Umfang und der Komplexität ihres Geschäfts angemessen sind. Diese Strukturen gewährleisten die Kontinuität und kontinuierliche Transparenz, Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit ihrer Dienstleistungen und Tätigkeiten, unter anderem auch die Zuverlässigkeit der in der DLT-Marktinfrastruktur verwendeten intelligenten Verträgen. Diese Strukturen gewährleisten zudem die Integrität, Sicherheit und Vertraulichkeit der von diesen Betreibern gespeicherten Daten und gewährleisten, dass diese Daten verfügbar und zugänglich sind;

  • Führen sicherer, genauer, zuverlässiger und abrufbarer Aufzeichnungen über die Gelder, Sicherheiten und DLT-Finanzinstrumente, die von ihrer DLT-Marktinfrastruktur für ihre Mitglieder, Teilnehmer, Emittenten oder Kunden gehalten werden, sowie über die Mittel für den Zugang zu diesen Geldern, Sicherheiten und DLT-Finanzinstrumenten;

  • Aufstellen einer klaren, detaillierten Strategie für die Einschränkung der Tätigkeit einer bestimmten DLT-Marktinfrastruktur oder für den Ausstieg aus einer bestimmten DLT-Marktinfrastruktur oder die Einstellung ihres Betriebs („Übergangsstrategie“), einschließlich des Übergangs oder der Rückführung ihres DLT-Betriebs zu traditionellen Marktinfrastrukturen.

BaFin-Erlaubnis ab März 2023 beantragen

Das DLT Pilot Regime bietet bereits regulierten Unternehmen wie Zentralverwahrern, Wertpapierfirmen oder Marktbetreibern sowie bisher noch nicht regulierten Unternehmen die Möglichkeit, neue Geschäftsfelder unter verringerten regulatorischen Anforderungen zu testen. Um diese Möglichkeit zu nutzen, muss bei der jeweiligen zuständigen Aufsichtsbehörde (in Deutschland bei der BaFin) eine entsprechende Erlaubnis beantragt werden. Anträge können ab dem 23.03.2023 eingereicht werden und eine entsprechende Erlaubnis kann für einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren erteilt werden.

WINHELLER berät zu DLT Pilot Regime

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MiCA-Erlaubnis: Unternehmen benötigen Lizenz für Kryptodienstleistungen
Welche Tätigkeiten benötigen eine BaFin-Lizenz?

Michael Rudolf Kissler

Rechtsanwalt Michael Rudolf Kissler berät als Of Counsel in den Bereichen Bank- und Kapitalmarktrecht, Compliance, IT-Recht und Datenschutz. Zu seinen Mandanten gehören insbesondere FinTechs, Start-ups, mittelständische Unternehmen und Unternehmer.

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