An Verwaltungsakte hat man sich zu halten. Und zwar beide Seiten. Das stellte der Hessische Verwaltungsgerichtshof (HessVGH) in Kassel jüngst in einem Urteil zum islamischen Religionsunterricht in Hessen klar. Das hessische Kultusministerium darf den Islamunterricht nicht nur aufgrund von Zweifeln am Durchführungspartner aussetzen.
Verein vom Land Hessen mit Islamunterricht beauftragt
Im Jahr 2012 hatte das Land Hessen die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) damit beauftragt, Islamunterricht in Hessen, der zum Schuljahr 2013/2014 als ordentliches Unterrichtsfach eingeführt worden war, durchzuführen. Um einen öffentlich anerkannten Unterricht durchzuführen, muss der Träger vom Land, namentlich dem Kultusministerium, mit der Durchführung beauftragt worden sein. So lag es hier.
Nachdem der DITIB diesen Unterricht vom Schuljahr 2013/2014 bis 2018/2019 durchgeführt hatte, kamen dem Kultusministerium Zweifel an der Integrität des Partners. So sei der deutsche Gesamtverband DITIB nicht mehr unabhängig genug von der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Dementsprechend wurde der Islamunterricht unter der Flagge des DITIB bis auf Weiteres ausgesetzt. Der DITIB wehrte sich dagegen.
Islamunterricht ist Verwaltungsakt
Um das Urteil des VGH Kassel nachvollziehen zu können, ist es wichtig zu verstehen, worum es sich bei der vorliegenden Konstellation handelt. Wird eine Person (natürlich oder juristisch) von einer Behörde beauftragt, etwas zu tun oder zu unterlassen, so handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Dieser kann begünstigend oder belastend sein.
Aufhebung eines Verwaltungsaktes
Einen solchen kann die Verwaltung nach Erlass aber nicht „einfach so“ wieder aufheben oder aussetzen. Um einen Verwaltungsakt aufzuheben, bedarf es der Einhaltung besonderer Regeln. Es muss also bestimmte Gründe geben, warum dieser nicht mehr wirken soll. Die Behörde kann Verwaltungsakte je nach deren Ausgestaltung widerrufen oder zurücknehmen.
Der HessVGH sieht keinen Grund für Aussetzung des Verwaltungsaktes
Vorliegend hat der HessVGH einen solchen Grund nicht feststellen können. Insbesondere sei der Verwaltungsakt nicht dadurch erledigt, dass der DITIB laut dem Kultusministerium nicht mehr unabhängig von der türkischen Religionsbehörde sei. Auch würden die im Verwaltungsakt genannten Hinweise zur Durchführung des Unterrichts keine Rechtsbindung entfalten, gegen die der DITIB verstoßen haben könnte. Auch sei die Behörde nicht berechtigt gewesen, die Aussetzung des Einrichtungsbescheids als Maßnahme der Schulaufsicht gem. §§ 92, 93 HSchG durchzuführen.
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Der HessVGH kommt zu dem Ergebnis, dass der Anspruch des Klägers auf Durchführung des Religionsunterrichts so lange besteht, wie der diesen Anspruch begründende Einrichtungsbescheid (Verwaltungsakt) wirksam ist. In dieser Zeit muss sich auch das Kultusministerium an die darin getroffenen Regeln halten, unabhängig davon, ob es diese später noch für rechtmäßig oder sinnvoll hält. Damit sei die Behörde nicht befugt gewesen, den Bescheid auszusetzen.
Beratung für gemeinnützige Organisationen
Die Entscheidung des HessVGH ist für alle diejenigen interessant, die mit ihren Organisationen Schulunterricht durchführen oder planen. Wenden Sie sich gerne mit jeglichen rechtlichen Fragen zu diesem Thema an uns.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 31.05.2022, 7 A 1802/21 Z
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