Eine verdeckte Videoüberwachung ist nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zulässig, wenn hinreichende Verdachtsgründe vorliegen und dadurch eine Straftat aufgedeckt werden soll. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat kürzlich entschieden, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Videoüberwachung innerhalb der Betriebsstätte wichtiger sein kann als das Interesse des Arbeitnehmers, nicht heimlich videoüberwacht zu werden.
Arbeitnehmer aufgrund von Videoaufzeichnungen gekündigt
Im vorliegenden Fall war ein Arbeitnehmer als Kraftfahrzeugmechaniker angestellt. In der Betriebsstätte der Arbeitgeberin gab es ein Ersatzteillager, aus dem die Werkstattmitarbeiter bei Bedarf Ersatzteile entnehmen durften. Nachdem die Arbeitgeberin innerhalb kurzer Zeitabstände wiederholt Fehlbestände im Ersatzteillager festgestellt hatte und auch ein betriebsöffentlich gemachtes Zutrittsverbot fruchtlos geblieben war, ließ sie im Lagerbereich im Einverständnis mit den dort tätigen Lageristen eine Videokamera installieren. Hiervon unterrichtete sie den Betriebsrat ebenso wenig wie den Rest der Belegschaft.
Auf Videoaufzeichnungen war zu erkennen, dass der Kraftfahrzeugmechaniker ein Paket Bremsklötze aus dem Ersatzteillager entnahm, welches er in seiner Hosentasche verstaute. Nach diesem Vorfall kündigte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer außerordentlich sowie vorsorglich ordentlich.
Videoaufzeichnung kein Eingriff in Persönlichkeitsrechte
Nachdem die Kündigungsschutzklage des Kraftfahrzeugmechanikers in den ersten beiden Instanzen erfolgreich war, entschied das BAG in der Revision, dass sich die Arbeitgeberin auf die durch die Videoaufzeichnungen gewonnenen Tatsachen berufen kann, da diese einen ausreichenden Verdacht der Begehung einer Straftat durch den Kraftfahrzeugmechaniker begründen.
Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot aus datenschutzrechtlichen Gründen lehnte das BAG im vorliegenden Fall ab, da durch die Videoaufzeichnungen kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und damit auch das Recht am eigenen Bild des Arbeitnehmers oder in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild gegeben sei.
Sind die Videoaufzeichnungen mehr als nur Beweismittel, tritt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers hinter das Interesse an der Verwertung dieser Aufzeichnungen zurück. Dies ist dann der Fall, wenn wie hier der Verdacht einer konkreten strafbaren Handlung besteht. Zusätzlich dürften keine milderen Mittel zur Tataufdeckung zur Verfügung stehen und die durch die Videoaufzeichnung zu erlangenden Beweise müssten einen Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers rechtfertigen. Der Verwertung dieser Informationen in einem Prozess steht nach dem BAG der Schutzzweck des BDSG nicht entgegen.
Betriebsrat nicht zwingend über Videoaufzeichnung zu unterrichten
Auch muss der Betriebsrat der Verwertung der Videoaufzeichnungen nicht zwingend zustimmen, damit diese für den Ausspruch einer Kündigung verwertet werden können. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über die Aufstellung von technischen Einrichtungen besteht jedoch gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Der Betriebsrat darf also von vornherein über die Aufstellung von Kameras im Betrieb mitbestimmen. Macht der Betriebsrat von seinem Mitbestimmungsrecht keinen Gebrauch, unterliegen die Aufzeichnungen keinem Beweisverwertungsverbot, wenn die Verwertung grundsätzlich zulässig ist.
Rechtssichere Maßnahmen zur Aufklärung
Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen. Die Verwertung verdeckt erlangter Videoaufzeichnungen wird nicht bereits durch Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorgaben gesperrt. Es muss eine Interessenabwägung und Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall stattfinden. Ob diese Rechtsprechung auch unter Anwendung der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ab dem 25. Mai 2018 noch anwendbar sein wird, ist bislang ungeklärt. In jedem Fall sollten sie sich bei einem konkreten Verdacht einer Straftat eines Mitarbeiters unbedingt anwaltlich beraten lassen, um rechtssicher Maßnahmen zur Aufklärung einleiten zu können. Wir beraten Sie sehr gerne dabei.
BAG, 20.10.2016 – 2 AZR 395/15
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