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Wann ist ein Notvorstand im Verein erforderlich?

Wann ist ein Notvorstand im Verein erforderlich?

Bereits im Juli 2024 hatte das OLG Karlsruhe durch Beschluss die Beschwerde eines Vereins zurückgewiesen, der erfolglos die Bestellung eines Notvorstands beim Registergericht beantragt hatte: Die Satzung des betroffenen Vereins hatte zwar einen Vorstand bestehend aus mehreren Mitgliedern vorgesehen und die Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung an die Anwesenheit der Hälfte der Vorstandsmitglieder geknüpft. Obwohl nur noch ein einziges Vorstandsmitglied verblieben war, bestätigte das OLG Karlsruhe die Vorinstanz und lehnte die Bestellung eines Notvorstands ab.

Mitgliederversammlung mit nur einem Vorstand nicht beschlussfähig?

Ein Verein hatte nur noch ein einzelvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied. Vereinsmitglieder beantragten die gerichtliche Bestellung eines weiteren Vorstandsmitglieds nach § 29 BGB. Sie argumentierten, die Mitgliederversammlung sei mit nur einem Vorstand nicht beschlussfähig. Der Vorsitzende hatte in einer außerordentlichen Versammlung seinen Rücktritt erklärt, blieb aber kommissarisch im Amt. Zwei außerordentliche Mitgliederversammlungen zur Vereinsauflösung scheiterten mangels Mehrheit. Das Amtsgericht lehnte den Antrag auf Notbestellung ab, woraufhin Beschwerde zum OLG Karlsruhe eingelegt wurde.

Ein Vorstandsmitglied reicht für Beschlussfähigkeit

Das OLG Karlsruhe wies die Beschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Eine Notbestellung sei nicht dringend geboten, da ein einzelvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied vorhanden sei. Der Rücktritt des Vorsitzenden sei nicht wirksam, da er bis zur Neuwahl kommissarisch im Amt bleibe. Die Satzung enthalte eine planwidrige Regelungslücke und sei so auszulegen, dass die Mitgliederversammlung auch mit einem Vorstandsmitglied beschlussfähig sei. Zudem diene § 29 BGB nicht dazu, in vereinsinterne Streitigkeiten einzugreifen. Bei Problemen mit der Einberufung einer Mitgliederversammlung stehe den Mitgliedern der Weg nach § 37 BGB offen. Die Notbestellung sei kein Mittel zur Lösung von Konflikten innerhalb des Vereins.

Rechtsgrundlage für die Bestellung eines Notvorstands: § 29 BGB

Ein Notvorstand kann gemäß § 29 BGB auf Antrag eines Beteiligten vom Amtsgericht als Registergericht bestellt werden, wenn erforderliche Mitglieder im Vorstand fehlen und ein dringender Fall vorliegt. Erforderlich“ ist ein Vorstandsmitglied aber nicht immer dann, wenn es weniger Mitglieder im Vorstand gibt, als es die Satzung des Vereins vorsieht. Ein erforderliches Mitglied fehlt, wenn die Satzung ausdrücklich für die Beschlussfähigkeit oder für ein Mehrheitserfordernis eine bestimmte Anzahl von Vorstandsmitgliedern voraussetzt. Die Erforderlichkeit ist auch gegeben, wenn das fehlende Vorstandsmitglied nach Gesetz für die Vertretung erforderlich ist – auf jeden Fall aber, wenn das fehlende Vorstandsmitglied für die Geschäftsführung verantwortlich ist.

Ein dringender Fall ist gegeben, wenn die Bestellung des Notvorstands ein notwendiges Mittel zur Abwehr von Schäden für den Verein oder andere Beteiligte darstellt; der Schadensbegriff geht über Vermögensschäden hinaus.

Satzungsregelungen zur Beschlusskompetenz der Mitgliederversammlung sind entscheidend

Wenn die Satzung den Vorstandsmitgliedern, die gemäß § 26 BGB den Verein im Rechtsverkehr vertreten, eine Einzelvertretungsbefugnis zuspricht, so reicht ein Vorstandsmitglied aus, um die Geschäftsführung des Vereins zu sichern, so das OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 16.07.2024.

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Zudem wurde vom OLG Karlsruhe klargestellt, dass eine Satzungsregelung, die – entweder ausdrücklich oder aber im Wege der ergänzenden Auslegung – kein besonderes oder abweichend gewichtetes Stimmrecht für Vorstandsmitglieder vorsehe, auch nicht die Anwesenheit einer bestimmten Anzahl von Vorstandsmitgliedern für die Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung erfordere. Die Vorstandsmitglieder nähmen an den Abstimmungen in der Mitgliederversammlung als Vereinsmitglieder teil; das Erfordernis der Anwesenheit mehrerer Vorstandsmitglieder sei dafür gedacht, über unterschiedliche Ansichten von einzelnen Vorstandsmitgliedern zu verschiedenen Angelegenheiten des Vereins zu informieren. Aus der Satzung ergebe sich kein Hinweis darauf, dass die Beschlusskompetenz der Mitgliederversammlung entfallen solle, nur weil nicht ausreichend Vorstandsmitglieder anwesend sein könnten.

Kein Notvorstand zur Schlichtung von Machtkämpfen

Das OLG Karlsruhe hat mit seinem Beschluss bekräftigt, dass das Registergericht nicht zur Bewältigung von vereinsinternen Auseinandersetzungen dient, insbesondere nicht zur Schlichtung zwischen rivalisierenden Vorständen oder zur Überwindung von Differenzen zwischen mehreren Vorstandsmitgliedern. Verbleibt daher nur ein – einzelvertretungsberechtigtes – Vorstandsmitglied im Amt, das die Einberufung einer Mitgliederversammlung evtl. sogar verweigert, verbleibt den Vereinsmitgliedern die Möglichkeit der Einberufung auf Verlangen einer Minderheit gem. § 37 BGB. Dadurch entfällt auch die Dringlichkeit, da die Mitgliederversammlung die notwendigen Maßnahmen wie z.B. die Abberufung des bisherigen Vorstands und Neuwahlen durchführen kann.

Wann ist wie viel Notvorstand erforderlich?

Sind keine Vorstandsmitglieder mehr vorhanden, die ausreichend Vertretungsbefugnis mitbringen, um u.a. die Geschäftsführung des Vereins sicherzustellen, sind so viele Notvorstände wie erforderlich zu bestellen. Es kann bereits eine Person ausreichen, aber auch Konstellationen geben, in denen die Bestellung von zwei Personen zum Notvorstand erforderlich ist.

Häufig stellt sich die Frage nach dem Notvorstand schon, wenn die Amtszeit des Vorstands abgelaufen ist und die Satzung keine Regelung zur Verlängerung der Amtszeit trifft. Eine in der Praxis häufig anzutreffende Satzungsregelung ist die Beschränkung der Amtszeit auf eine bestimmte Anzahl von Jahren, ohne eine Regelung zur Überschreitung dieser Grenze zu treffen, falls die Mitgliederversammlung später als gewohnt im Jahr stattfindet.

Satzungsregelungen aufeinander abstimmen

Der vorliegende Fall zeigt erneut, wie wichtig es ist, dass die Satzungsregelungen über die Mitgliederversammlung, den Vorstand und die jeweiligen Stimmrechts- und Vertretungsbefugnisse sauber aufeinander abgestimmt sind. Wenn ohnehin eine Satzungsänderung im aktuellen Jahr angedacht ist, lohnt sich der kritische Blick auch auf die hier angesprochenen Themen. Wir beraten Sie dabei gerne!

OLG Karlsruhe, Beschluss v. 16.07.2024, 19 W 29/24

Weiterlesen:
Bestellung eines Notvorstands nach Abberufung des Vereinsvorstands durch Verbandsgericht
Rechtssichere Gestaltung der Satzung Ihres Vereins oder Verbands

Dr. Isabella Löw

Rechtsanwältin Dr. Isabella Löw ist am Standort Frankfurt am Main in unserem Nonprofitteam tätig. Sie berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen.

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