Die Vertreter der obersten Finanzbehörden haben beschlossen, dass im Fall der Auflösung einer gemeinnützigen Körperschaft oder bei Wegfall der gemeinnützigen Zwecke das Restvermögen auch an eine juristische Person des öffentlichen Rechts im EU-Ausland übertragen werden darf.
Grundsatz der Vermögensbindung „über den Tod hinaus“
Gemeinnützige Organisationen unterliegen dem Grundsatz der Vermögensbindung nicht nur während ihrer gewöhnlichen Tätigkeit, sondern auch im Fall des Wegfalls der steuerbegünstigten Zwecke sowie nach ihrer Auflösung. Die einst steuerlich begünstigt erlangten Mittel sind damit dauerhaft dem Gemeinwohl gewidmet. Die Satzung muss entsprechende Bestimmungen darüber enthalten, was im Fall der Fälle mit dem noch vorhandenen Vermögen geschehen soll. Die im Gesetz abgedruckte Mustersatzung verlangt entweder die genaue Bezeichnung einer steuerbegünstigten Körperschaft (bzw. Stiftung) oder aber die genaue Bezeichnung des mit dem Vermögen zu fördernden Zwecks, ohne dass im letzteren Fall eine konkrete Empfängerkörperschaft bezeichnet werden muss.
Beschränkung auf inländische Körperschaften?
Weder das Gesetz in § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO noch die Mustersatzung beschränken die Wahl der Anfallberechtigten auf inländische Organisationen. Die Sprache ist lediglich von „steuerbegünstigten Körperschaften“ und von „juristischen Personen des öffentlichen Rechts“. Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) versteht unter „steuerbegünstigten Körperschaften“ außerdem auch schon heute im EU-Ausland sitzende Körperschaften, die in Deutschland beschränkt steuerpflichtig sind.
Die obersten Finanzbehörden der Länder und des Bundes haben nun entschieden, auch juristische Personen des öffentlichen Rechts im EU-Ausland als Anfallberechtigte zu akzeptieren, also z.B. öffentlich-rechtliche Stiftungen.
Ob es sich hierbei um eine eher weite oder eher einschränkende Auslegung des Gesetzes handelt, ist wohl abhängig von der Perspektive des Betrachters. Die Finanzverwaltung dürfte ihre Entscheidung eher als Entgegenkommen an den dritten Sektor und als Anpassung an das Europarecht werten. Der einfache Rechtsanwender und Leser des Gesetzestextes wird hingegen mit guten Gründen die Auffassung vertreten dürfen, dass die Verfügung der Finanzbehörden insoweit einschränkend wirkt, als schon das Gesetz jedwede juristische Person des öffentlichen Rechts als zulässigen Anfallberechtigten akzeptiert – gleich, ob sie im Inland, im EU-Ausland oder auch im Drittland (z.B. USA) sitzt.
Streit um Vermögensbindungsklausel vermeiden
Wer Streit mit den Finanzbehörden um seine Vermögensbindungsklausel in der Satzung vermeiden oder reduzieren will, sollte daher von vornherein davon absehen, einen konkreten Anfallberechtigten zu benennen. Die bessere Alternative dürfte darin bestehen, lediglich den konkreten gemeinnützigen Zweck zu bezeichnen, zu dessen Förderung das Restvermögen verwendet werden soll. Es ist nämlich allgemein anerkannt, dass nahezu sämtliche steuerbegünstigten Zwecke der §§ 52 ff. AO auch im Ausland verwirklicht werden können. Dann muss aber auch der Vermögensanfall an eine beliebige Körperschaft im Ausland (gleich ob gemeinnützig oder nicht, ob privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich organisiert) zulässig sein, sofern die Vermögensübertragung unter der Bedingung erfolgt, dass das Vermögen für spezielle steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird.
Da Verstöße gegen den Vermögensbindungsgrundsatz im Gemeinnützigkeitsrecht zu erheblichen Problemen führen können (es droht eine Nachversteuerung von bis zu 10 Jahren), empfiehlt es sich allerdings, die frühzeitige Abstimmung mit dem zuständigen Finanzamt zu suchen und die Behörde mit den o.g. Argumenten zu überzeugen, bevor die Satzung „auf eigene Faust“ geändert wird. Gerne sind wir Ihnen dabei behilflich. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!
OFD Frankfurt, Schreiben vom 28.02.2017, Az. S 0174 A
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