Derzeit prüft die EU-Kommission, ob Google seine marktbeherrschende Position missbraucht und jüngst hat das Bundeskartellamt auch die Supermarktkette Edeka des Missbrauchs seiner Marktmacht bezichtigt. Im Wirtschaftsverkehr sind solche kartellrechtlichen Vorgänge leicht nachvollziehbar – aber kann auch ein Verein erstens Marktmacht haben und zweitens diese missbrauchen? Ja, entschied das Oberlandesgericht (OLG) München am 15. Januar 2015. Demnach liegt ein Missbrauch von Marktmacht vor, wenn ein marktbeherrschender Sportverband die Zulassung zu einem von ihm ausgerichteten Wettkampf von der Zustimmung zu einer Schiedsvereinbarung abhängig macht.
Zuständigkeit von Sportschiedsgerichthöfen
Eine international erfolgreiche Eisschnellläuferin verklagte den Fachverband für Eisschnelllauf. Im Jahr 2009 hatte sie eine sogenannte Wettkampfmeldung unterzeichnet, damit sie zur Weltmeisterschaft im Eisschnelllaufen in Norwegen zugelassen wurde. Wettkampfmeldungen bestehen aus vorformulierten Geschäftsbedingungen, an die sich der Sportler während des Wettkampfes halten muss. So hat der Athlet z.B. die Anti-Doping-Regeln zu beachten. Außerdem muss er – und darum ging es hier in erster Linie – die Zuständigkeit des Sportschiedsgerichtshofes mit Sitz in der Schweiz anerkennen (zu der Frage, was ein Schiedsgericht genau ist und wie es sich von Vereins- oder Verbandsgerichten unterscheidet, siehe NPR 2014, 4).
Berufung beim Schiedsgericht
Bei der Weltmeisterschaft wurden der Sportlerin dann Blutproben entnommen, die erhöhte Retikulozytenwerte aufwiesen. Retikulozyten sind rote Blutkörperchen, die gerade erst ihren Entstehungsort, das Knochenmark, verlassen haben. Der erhöhte Wert wurde als Beleg dafür angesehen, dass die Eisschnellläuferin gedopt hatte. Daraufhin entschied die Disziplinarkommission, die Athletin nicht nur für die kommenden zwei Jahre von allen Wettkämpfen auszuschließen, sondern sie auch aus dem Top-Team-Kader für die Olympischen Winterspiele zu nehmen, sodass sie nicht mehr an den Trainingseinheiten teilnehmen konnte. Gegen den Beschluss legte die Sportlerin zwar Berufung beim Sportschiedsgericht ein, doch ohne Erfolg. Auch ihre Klage beim schweizerischen Bundesgericht brachte nichts.
Obwohl sie die Wettkampfmeldung unterschrieben und damit die Zuständigkeit des Sportschiedsgerichtshofs anerkannt hatte, reichte sie sodann Klage beim OLG München ein und trug vor, dass die bei ihr gemessenen Retikulozytenwerte nicht durch Doping hervorgerufen worden seien, sondern durch eine von ihrem Vater geerbte Blutanomalie. Die vorzeitige Veröffentlichung der gegen sie verhängten Doping-Sperre habe zu einer falschen Berichterstattung und einer schweren Rufschädigung geführt und so immense Schäden verursacht.
Schiedsvereinbarung darf nicht gegen Kartellrecht verstoßen
Das OLG München entschied, dass die Schiedsvereinbarung gegen zwingendes Kartellrecht verstieß und deshalb gemäß § 134 BGB und § 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nichtig war. Der Fachverband für Eisschnelllauf sei Monopolist auf dem Markt für das Angebot von Weltmeisterschaften im Eisschnelllauf und habe deshalb eine marktbeherrschende Stellung inne. Einem marktbeherrschenden Unternehmen ist es verboten, Geschäftsbedingungen zu fordern, die von denjenigen abweichen, die sich bei einem wirksamen Wettbewerb ergeben würden.
Neutralität des Schiedsgerichts
Das Verlangen einer Schiedsgerichtvereinbarung durch den Ausrichter internationaler Sportwettkämpfe stelle dem OLG zufolge zwar für sich genommen noch keinen Missbrauch von Marktmacht dar. Im hier vorliegenden Fall verlieh die Schiedsvereinbarung den am Schiedsgericht beteiligten Verbänden (bspw. den internationalen Sportverbänden, wozu auch der beklagte Verband gehört) allerdings zu viel Einfluss hinsichtlich der Zusammensetzung des Schiedsgerichts: Die Verbände wählten nämlich die Schiedsrichter aus, was die Neutralität des Schiedsgerichts an sich in Frage stellte, so das OLG. Es bestand nämlich die Gefahr, dass die Schiedsrichter den Verbänden näher stünden als den Sportlern.
Dieser Zustand werde von den Sportlern nur hingenommen, weil sie ansonsten nicht an den internationalen Wettkämpfen teilnehmen könnten. Gäbe es hingegen einen funktionierenden Wettbewerb auf dem Markt der Weltmeisterschaften im Eisschnelllauf, würden sich die Sportler einem neutralen Schiedsgericht unterwerfen.
Sportvereine werden als Unternehmen angesehen
Das GWB ist nur anwendbar, wenn sich der Vorwurf des Marktmachtmissbrauchs an ein Unternehmen richtet, das eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Dem OLG zufolge sind Sportvereine insoweit als Unternehmen anzusehen, als sie sich auf dem Markt für Sportveranstaltungen betätigen.
Die Internationale Zuständigkeit des OLG München war im vorliegenden Fall übrigens durch das Lugano-Übereinkommen gewährleistet. Dieses regelt die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zwischen den
Mitgliedsstaaten der EU, der Schweiz, Norwegen und Island.
OLG München, Urteil vom 15.01.2015 – Az. U 1110/14 Kart
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Tags: Schiedsgericht