Lange Zeit war es still um das im Koalitionsvertrag vereinbarte „Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“. Unter der neuen Bezeichnung „Gesetz zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft“ hat das Bundesjustizministerium jetzt einen überarbeiteten Gesetzesentwurf vorgelegt. Herzstück der Gesetzesinitiative bleibt das sogenannte Verbandssanktionengesetz, mit dem Verbände (GmbH, AG, Vereine, UG, KdöR) stärker als bisher für unternehmensbezogene Straftaten ihrer Mitarbeiter in die Verantwortung genommen werden. Die Änderungen zum ersten Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes (wir berichteten) sind überschaubar. Interessenverbände und Bundesländer haben jetzt die Möglichkeit, sich zum Gesetzesvorhaben zu äußern.
Obergrenze für Geldsanktionen
Es bleibt trotz vehementer Kritik aus Rechtsliteratur und Unternehmenskreisen bei der umsatzabhängigen Geldsanktionsobergrenze. Danach können Unternehmen mit einem regelmäßigen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. Euro mit Geldsanktionen in Höhe von bis zu 10% des durchschnittlichen Jahresumsatzes belegt werden.
Keine Verbandsauflösung
Ersatzlos weggefallen ist dagegen das drastische Mittel der Verbandsauflösung, für das sich zuletzt in Kritikerkreisen die abwertende Bezeichnung „Todesstrafe für Unternehmen“ durchgesetzt hatte.
Zwingende Strafmilderung für interne Ermittlungen
Gestärkt hat der Gesetzgeber erneut die Bedeutung von verbandsinternen Ermittlungen. Bei internen Ermittlungen („internal investigations“) beauftragt das Unternehmen externe Dienstleister – zumeist Rechtsanwaltskanzleien – oder eigenes Personal mit der Durchführung von Untersuchungen zur Aufdeckung und Dokumentation von Straftaten im Unternehmen. Unterstützt das Unternehmen die Ermittlungsbehörden durch Aushändigung der eigenen Ermittlungsergebnisse und leistet es damit einen wertvollen Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung „muss“ das Gericht (gebundenes Ermessen) die Sanktion mildern.
Die Abkehr von der Formulierung „kann mildern“, die der alte Entwurf noch vorsah, leistet einen wichtigen Beitrag zur Vorhersehbarkeit des Nutzens interner Ermittlungen.
„Internal investigations“ zum Schutz der Unternehmen
Geschäftsführer sowie Vorstandsmitglieder werden daher bei Anhaltspunkten auf Straftaten abwägen müssen, ob „internal investigations“ in ihrem Fall mehr Vor- als Nachteile bringen. Aufgrund der zwingenden Strafmilderung werden voraussichtlich oft zum Schutz des Unternehmens „internal investigations“ sinnvoll sein. Externe Spezialisten dürften in der Regel mit mindestens einem internen Mitarbeiter den besten Mix dafür ergeben.
Hohe Anforderungen an interne Ermittlungen
Denn die strengen qualitativen Anforderungen an die internen Ermittlungen bleiben nach wie vor. Beispielsweise setzt die strafmildernde Berücksichtigung der internen Ermittlung die uneingeschränkte und ununterbrochene Zusammenarbeit mit den Verfolgungsbehörden voraus. Die Prüfer müssten daher über fundierte Rechtskenntnisse verfügen, um einschätzen zu können, welche Informationen weiterzugeben sind und welche Informationen Betriebsgeheimnisse des Unternehmens darstellen.
Lobenswert ist da die Klarstellung im Entwurf, dass damit keine sofortige Anzeigepflicht oder Verpflichtung zur sofortigen Mitteilung der Ergebnisse begründet werde. Treten jedoch die Verfolgungsbehörden im Laufe ihrer Ermittlungen an den Verband heran, kann die Sanktionsmilderung laut der Entwurfsverfasser nur erlangt werden, wenn der Verband unverzüglich mit den Verfolgungsbehörden kooperiert. Eine unverzügliche Kooperation setzt voraus, dass der Verband innerhalb kurzer Frist über die Kooperation entscheidet. Weil nur korrekt durchgeführte und erkenntnisreiche interne Ermittlungen zur Sanktionsmilderung führen, sind diese idealerweise von erfahrenen Rechtsberatern durchzuführen.
Zeitpunkt der Offenlegung beeinflusst Sanktionshöhe
Der Zeitpunkt der Offenlegung gewinnt auch durch den neu hinzugekommenen § 17 Absatz 3 an Bedeutung. Demnach wirkt sich eine besonders frühe Offenlegung und Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden positiv auf die Sanktionshöhe aus.
Ausgeschlossen sei eine Milderung dagegen, wenn der Verband die Ergebnisse der verbandsinternen Untersuchung erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens offenbart. Daneben hat das Gericht das Ausmaß der Unterstützung und die Bedeutung der Ermittlungsergebnisse für die Aufklärung der Tat bei der Höhe der Strafmilderung zu berücksichtigen.
Interne Ermittlungen lohnen sich
Der neue Entwurf des Verbandssanktionengesetzes bringt zwar nicht die erhofften Änderungen bezüglich der umsatzbezogenen Geldsanktion oder der Beschlagnahmefreiheit von internen Ermittlungsergebnissen mit sich. Er schafft jedoch Rechtssicherheit bei den internen Ermittlungen, denen einige Unternehmen bislang noch skeptisch gegenüberstanden. Abhängig vom Stand des Ermittlungsverfahrens und der Erfolgsaussichten der internen Ermittlungen, können Unternehmen jetzt konkret einschätzen und abwägen, ob die Durchführung interner Ermittlungen sinnvoll ist. Dass sich eine gründliche interne Aufdeckung – nicht nur aus Reputationsgründen – jedenfalls lohnen muss, hat der Gesetzgeber im aktuellen Entwurf bestätigt.
Wir unterstützen Ihr Unternehmen
Sollten Sie Rückfragen zu „internal investigations“ haben, stehen Ihnen unsere Experten gerne zur Verfügung. Wir führen in Ihrem Unternehmen/Verein Mitarbeiterbefragungen durch und sichten Dokumente, um einen Verdacht aufzuklären und dann gegebenenfalls Schadenersatzforderungen gegenüber dem Schädiger durchzusetzen. Wir beraten Sie auch, ob und wann eine Strafanzeige sinnvoll und ob eine Zusammenarbeit mit den Behörden ratsam ist.
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Tags: Verbandssanktionengesetz