Im August letzten Jahres gelangte ein noch nicht offiziell bestätigter Referentenentwurf eines Verbandssanktionengesetzes des Bundesjustizministeriums über Umwege an die Öffentlichkeit. Dieser sieht eine schärfere und gleichmäßigere Ahndung von Unternehmenskriminalität vor. In den Anwendungsbereich des Gesetzesentwurfs fallen auch gemeinnützige Organisationen.
Gesetzgeber sagt struktureller Unternehmenskriminalität den Kampf an
Nachdem das Ziel einer einheitlichen und strengeren Verfolgung von Unternehmenskriminalität in der aktuellen Legislaturperiode (erneut) Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hatte, arbeitet das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) nun offenbar an einem konkreten Gesetzesvorhaben.
Statt wie bisher die Verfolgung von Unternehmenskriminalität mehr schlecht als recht über das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) abzubilden, ist ein eigenes, 70 Paragrafen starkes Gesetzeswerk in Planung. Von Unternehmenskriminalität spricht man, wenn Unternehmensangehörige strafbewehrte Rechtsverstöße begehen, die in engem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehen.
Mehr Sanktionsmöglichkeiten für Gerichte und Behörden
Der Entwurf sieht vor, dass den Strafverfolgungsbehörden mehr Sanktionsinstrumente und Befugnisse zur Verfügung gestellt werden. Neben der bereits aus dem OWiG bekannten Geldsanktion können Gerichte dem betroffenen Unternehmen konkrete Weisungen und Auflagen erteilen. Hat der Rechtsverstoß eine große Anzahl von Geschädigten nach sich gezogen, kann das Gericht die Verurteilung des Unternehmens öffentlich bekanntmachen. Bei besonders schwerwiegenden oder wiederholten Rechtsverstößen ist sogar eine Auflösung des Unternehmens vorgesehen.
Behörden können kein Auge mehr zudrücken
In den Anwendungsbereich des Gesetzesentwurfs fallen – anders als der Begriff des „Verbands“ im Gesetzesnamen implizieren könnte – alle juristischen Personen ungeachtet ihrer Rechtsform und Gewinnorientierung. Damit wird das Verbandssanktionengesetz auch z.B. Stiftungen, Vereine und gGmbHs betreffen. Zudem soll die Verfolgung von unternehmensbezogenen Straftaten zwingend erfolgen, also nicht länger im Ermessen der zuständigen Verfolgungsbehörden stehen (Legalitätsgrundsatz). Stellt die Behörde einen Verstoß fest, muss sie zukünftig eine Sanktion verhängen.
Unternehmen sind für Verstöße ihrer Mitarbeiter verantwortlich
Ist der Geschäftsführer eines Vereins beispielsweise intern für die Abgabe der Steuererklärung des Vereins zuständig und macht dabei unvollständige Angaben, stellt dies eine strafbare Steuerhinterziehung dar. Neben der strafrechtlichen Verfolgung des Geschäftsführers muss aber auch der Verein damit rechnen, dass gegen ihn eine Sanktion nach dem Verbandssanktionengesetz verhängt wird. Gemeinnützigen Organisationen drohen somit bei Rechtsverstößen ihrer Mitarbeiter neben dem Entzug der Gemeinnützigkeit auch Geldsanktionen.
Compliance lohnt sich nun doppelt
Positiv ist zu bewerten, dass es sich ausdrücklich mindernd auf die Höhe der Geldsanktion auswirkt, wenn das Unternehmen durch geeignete Compliance-Maßnahmen nachweislich versucht hat, Rechtsverstöße präventiv zu verhindern oder im Nachgang der Tat weiteren Rechtsverstößen vorzubeugen. Die Einrichtung eines internen oder externen Compliance-Management-Systems lohnt sich also zukünftig doppelt.
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Das Gesetzesvorhaben befindet sich derzeit noch in der Entwurfsphase. Laut einer Anfrage beim BMJV muss der Entwurf noch mit den Ländern und Ressorts abgestimmt werden. Bis auf das scharfe Mittel der Verbandsauflösung scheinen sich die Koalitionspartner aber über die Grundausrichtung des Entwurfs einig zu sein.
Referentenentwurf des BMJ vom 15.08.2019
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