So funktioniert ein grenzüberschreitender Rechtsformwechsel
Das Kammergericht (KG) Berlin hat entschieden: Die Eintragung eines Vereins aus einem anderen EU-Staat in Deutschland im Wege des grenzüberschreitenden Formwechsels ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Nachdem diese Frage für Vereine lange ungeklärt war, hat das Kammergericht nun festgelegt, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Zuzug aus dem Ausland möglich ist.
Österreichischer Verein will Sitz nach Deutschland verlegen
Seine Ansicht äußerte das KG Berlin in einem Fall, der einen österreichischen Idealverein mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb betraf. Dieser wollte seinen Satzungssitz von Graz nach Berlin verlegen. Gleichzeitig beantragte der Verein die Eintragung in das Vereinsregister beim zuständigen Registergericht, um Rechtsfähigkeit in Deutschland zu erlangen.
An deutschen Formvorschriften führt kein Weg vorbei
Das Registergericht lehnte die Eintragung mit der Begründung ab, dass die notwendigen Formvorschriften nicht eingehalten worden seien. Denn die Unterschrift auf dem Antrag sei nicht notariell beglaubigt worden, sodass eine Eintragung nicht erfolgen könne. Der Verein könne jedoch als nicht eingetragener und damit nicht-rechtsfähiger Verein in Deutschland tätig werden.
Gegen die Entscheidung des Registergerichts legte der Verein Beschwerde vor dem KG Berlin ein. Doch auch hier blieb der Verein erfolglos: Das Gericht bestätigte, dass die Unterschriften auf dem Antrag zwingend notariell beglaubigt sein müssen, damit der Verein in das Vereinsregister eingetragen werden könne.
Grenzüberschreitender Formwechsel in deutschen Idealverein
Interessant an der Entscheidung des KG Berlins ist aber, dass es sich dennoch zu den rechtlichen Anforderungen äußert, die erfüllt sein müssen, damit ein grenzüberschreitender Rechtsformwechsel eines Vereins österreichischen Rechts in einen deutschen Idealverein gelingt.
Zunächst diskutiert das KG, ob ein solcher Formwechsel unter Anwendung des Umwandlungsgesetzes in Betracht käme, lehnt dies aber ab. Denn rein nach der nationalen Rechtslage wäre der Formwechsel einer deutschen Gesellschaft in einen eingetragenen Verein auf Basis des Umwandlungsgesetzes nicht möglich. Ergebnis: Wenn ein solcher Formwechsel schon für eine deutsche Gesellschaft nicht möglich ist, kann er auch nicht für eine ausländische Organisation möglich sein.
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Das Gericht führt jedoch weiter aus, dass sich der grenzüberschreitende Formwechsel in einen deutschen eingetragenen Verein auch ohne Anwendung des Umwandlungsgesetzes rechtlich umsetzen lässt. Denn wenn nicht-rechtsfähige deutsche Vereine die Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister erlangen können, so müsse diese Möglichkeit auch Vereinen aus dem EU-Ausland offenstehen. Grund hierfür ist die europäische Niederlassungsfreiheit, die keine Benachteiligung ausländischer Gesellschaften gegenüber inländischen Gesellschaften zulässt. Im Ergebnis kann daher auch der österreichische Verein nach der Sitzverlegung nach Deutschland in das Vereinsregister eingetragen werden und durch einen solchen grenzüberschreitenden Formwechsel seine Rechtsform in die eines eingetragenen Vereins nach deutschem Recht ändern.
Welche Voraussetzungen müssen beachtet werden?
Das KG Berlin stellt gleichzeitig klar, dass Vereine aus dem EU-Ausland, die ihren Sitz im Wege eines solchen grenzüberschreitenden Formwechsels nach Deutschland verlegen möchten, dennoch die allgemeinen Voraussetzungen, wie z.B. die Mindestanzahl von sieben Mitgliedern oder notariell beglaubigte Unterschriften für eine erfolgreiche Eintragung in das Vereinsregister, erfüllen müssen. Das widerspricht auch nicht der Niederlassungsfreiheit, da diese Regeln sowohl für inländische als auch ausländische Gesellschaften gelten.
Darüber hinaus ist es erforderlich, dass der Wegzugsstaat einen derartigen Rechtsformwechsel ebenfalls zulässt. Es ist also sowohl das Recht des Wegzugsstaats als auch das deutsche Recht zu beachten.
Wir halten die Entscheidung des KG Berlin für richtig und sehr wichtig für NPOs. Da in dem vorliegenden Fall schon die Formalien zur ordnungsgemäßen Anmeldung für die Eintragung in das Vereinsregister nicht erfüllt waren, musste das Gericht den Antrag des österreichischen Vereins zwar ablehnen, hat mit seinen ergänzenden Ausführungen die Tür für den grenzüberschreitenden Formwechsel von Vereinen nach Deutschland aber weit geöffnet.
Gilt auch für Vereine, die aus Deutschland wegziehen
Die Ausführungen des KG sind im Übrigen auch für einen Wegzug, d.h. auf die Fälle, in denen ein deutscher eingetragener Verein seinen Sitz im Wege des grenzüberschreitenden Formwechsels ins EU-Ausland verlegen möchte (z.B. nach Brüssel), von Bedeutung. Auch dies muss nach unserer Auffassung und unter den vom KG Berlin dargelegten Grundsätzen zulässig sein.
Offen gelassen hat das KG übrigens die Frage, ob die EU-Niederlassungsfreiheit im Grundsatz überhaupt auf Idealvereine anwendbar ist oder ob diese sich lediglich auf die Freizügigkeitsgarantie berufen können. Da der österreichische Verein zumindest auch einen wirtschaftlichen (Neben-)Zweck hatte und sich auf die Niederlassungsfreiheit berufen konnte, brauchte das KG dieser Frage nicht weiter nachzugehen.
Frühzeitige Beratung vermeidet Fallstricke
Der Fall zeigt, dass bei einem grenzüberschreitenden Formwechsel in der Praxis viele Fallstricke zu beachten sind. Im vorliegenden Fall scheiterte der Formwechsel bereits daran, dass die zwingenden deutschen Formvorschriften missachtet wurden. Wir bei WINHELLER beraten Sie gerne in allen Fragen rund um einen grenzüberschreitenden Formwechsel. Unsere jahrelange Expertise im Vereinsrecht und Steuerrecht macht uns zu einem verlässlichen Partner an Ihrer Seite.
KG Berlin, Beschluss v. 27.11.2020 – 22 W 13/20
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