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Umsatzsteuerliche Privilegierung von Zweckbetrieben auf dem Prüfstand – Umsatzsteuer bei Unterbringung und Verpflegung von Seminarteilnehmern

Der BFH bestätigt den vollen Umsatzsteuersatz auf Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen im Rahmen von Fortbildungs- und Seminarveranstaltungen gemeinnütziger Einrichtungen (zur Vorinstanz siehe hier). Alarmierend sind dabei allerdings weniger die Hinweise zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen, als die allgemeingültigen Ausführungen des BFH zur Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Leistungen von Zweckbetrieben.

Eine gGmbH bot Fortbildungsseminare samt Verpflegung an und vermittelte auf Wunsch auch Hotelübernachtungen. Anschließend stellte sie die Unterrichtsleistungen nach § 4 Nr. 22 a) UStG umsatzsteuerfrei und die Verpflegungs- und Unterbringungsleistungen mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% in Rechnung. Denn grundsätzlich sind auch die Unterbringung und die Verpflegung Teil der Fortbildungsveranstaltungen als gesetzlicher Zweckbetrieb gemäß § 68 Nr. 8 AO. Leistungen eines Zweckbetriebes werden nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) UStG aber mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz besteuert, solange mit der Tätigkeit nicht nur zusätzliche Einnahmen erwirtschaftet werden, sondern tatsächlich auch der gemeinnützige Zweck gefördert wird.

Die Finanzverwaltung ordnet für Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen hingegen grundsätzlich den vollen Steuersatz von 19% an, weil sie keine eng mit den Fortbildungsleistungen verbundenen Leistungen seien. Schon bisher war Veranstaltern daher zu raten, sich auf die bloße Vermittlung des Kontakts zu Hotels zu beschränken, da Hotels ihrerseits seit 2010 die Unterbringung mit ermäßigten 7% besteuern können.

Der BFH sieht das grundsätzlich ähnlich wie die Finanzverwaltung – wenn auch etwas differenzierter: Eine absolut notwendige Grundverpflegung mit kleinen Snacks geht z.B. noch als unverzichtbare Nebenleistung zum Unterricht durch und kann dann vollkommen umsatzsteuerfrei sein. Im vorliegenden Fall erblickte der BFH in den Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen – wie die Vorinstanz – eine solch unverzichtbare Nebenleistung allerdings nicht. Umsatzsteuerfrei konnten sie daher nicht erbracht werden.

Darüber hinaus versagte der BFH der gemeinnützigen Einrichtung aber auch den reduzierten Umsatzsteuersatz für Leistungen von Zweckbetrieben gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG. Das Besondere an der Entscheidung: Der BFH begnügt sich nicht mit der Auslegung der nationalen Vorschrift, sondern befasst sich ausführlicher mit der europarechtlichen Grundlage der deutschen umsatzsteuerlichen Zweckbetriebsprivilegierung. Während die deutsche Vorschrift grundsätzlich sämtliche Zweckbetriebe jedweder gemeinnütziger Zweckrichtung erfasse, sehe die europarechtliche Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine Privilegierung einschränkend nur für solche Einrichtungen vor, die wohltätige Zwecke verfolgen oder im Bereich der sozialen Sicherheit tätig seien. Mit den europarechtlichen Vorgaben sei die deutsche Vorschrift daher nicht vereinbar; eine richtlinienkonforme Auslegung sei aber aufgrund des klaren Wortlauts der deutschen Vorschrift auch nicht möglich. Im Ergebnis könnten sich gemeinnützige Einrichtungen daher weiterhin auf die deutsche – für sie im Vergleich zum europäischen Recht günstigere – Vorschrift berufen, ohne dass es auf die engen Vorgaben der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie ankomme.

Damit war der Fall für den gemeinnützigen Kläger aber noch nicht gewonnen. Im Gegenteil betont der BFH, dass die Regelungen, die eine Rückausnahme von der umsatzsteuerlichen Privilegierung begründen (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) Satz 3 UStG), weit auszulegen seien. Dies sei nicht zuletzt wegen der Europarechtswidrigkeit der deutschen Norm geboten. Die weite Auslegung beziehe sich sowohl auf die Regelbesteuerung von Zweckbetrieben, die in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen dienen (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) Satz 3 Alt. 1 UStG), als auch auf die Regelbesteuerung von Leistungen der Einrichtung, mit denen diese ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nicht selbst verwirklicht (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst a) Satz 3 Alt. 2 UStG). Sämtliche (Zweckbetriebs-) Leistungen, die nicht unmittelbar der satzungsmäßigen Zwecksetzung selbst dienen, seien daher als umsatzsteuerlich nicht begünstigte Tätigkeiten zu werten. Da im vorliegenden Fall die gemeinnützige Einrichtung den Zweckbetrieb „Unterbringung und Verpflegung“ unterhielt, der mit den eigentlichen gemeinnützigen Zwecken der Körperschaft nichts zu tun hatte, kam eine umsatzsteuerliche Privilegierung daher nicht in Betracht.

Hinweis: Die Gleichung Zweckbetrieb = 7% Umsatzsteuer gilt zwar schon seit einigen Jahren nicht mehr in jedem Einzelfall. Das aktuelle Urteil des BFH bestätigt nun diesen Trend. Die vom BFH vorgenommene Prüfung der Zweckverwirklichung im Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG wird die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes jedenfalls weiter erschweren. Gesetzliche Zweckbetriebe werden sich zunehmend in der Situation wiederfinden, dass ihre Tätigkeiten zwar ertragsteuerfrei sind, für Zwecke der Umsatzsteuer jedoch voll mit 19% besteuert werden. Nonprofit-Organisationen müssen daher ggf. verstärkt auf die einzelnen Umsatzsteuerbefreiungen ausweichen, statt sich – wie früher – blind auf die Zweckbetriebsprivilegierung zu verlassen.

BFH, Urteil v. 08.03.2012, Az. V R 14/11.

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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