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Umsatzsteuerbefreiung bei Fahrdiensten von Behindertenwerkstätten – Kein Vorsteuerabzug möglich

Apr. 28, 25 • UmsatzsteuerKeine Kommentare
Kleinbus auf Autobahn

Das Finanzgericht (FG) Münster hat eine für viele Behindertenwerkstätten und ihre Fördervereine hochrelevante Frage entschieden: Sind die von einer gemeinnützigen Werkstatt für behinderte Menschen selbst organisierten und durchgeführten Fahrdienste für ihre Beschäftigten umsatzsteuerfrei? Das Urteil bringt Licht in eine bislang umstrittene Rechtsfrage und gibt wichtige Hinweise zur rechtssicheren Gestaltung von Beförderungsleistungen im Gemeinnützigkeitssektor.

Vorsteuerabzug für Fahrdienste?

Die klagende gemeinnützige GmbH betreibt an mehreren Standorten Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Ein Teil der Beschäftigten wird werktäglich mit eigenen Fahrzeugen der gGmbH zwischen Wohnung und Werkstatt befördert. Die Kosten für diese Fahrten werden vom zuständigen Rehabilitationsträger übernommen und auf Basis eines gesonderten Vertrages mit der Behindertenwerkstatt abgerechnet. Die Behindertenwerkstatt begehrte für die Jahre 2012 bis 2014 die Umsatzsteuerfreiheit dieser Fahrdienste sowie den vollen Vorsteuerabzug aus den damit verbundenen Eingangsleistungen. Das Finanzamt lehnte dies ab und behandelte die Umsätze als steuerfrei, versagte aber den Vorsteuerabzug.

Fahrdienst als Nebenleistung zu den Betreuungsleistungen

Das FG Münster bestätigt die Auffassung der Finanzverwaltung und weist die Klage ab. Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, ob die Beförderungsleistungen als eigenständige, steuerpflichtige Leistungen oder als Nebenleistungen zu den steuerfreien Betreuungsleistungen der Behindertenwerkstatt zu qualifizieren sind.

Das Gericht stellt klar, dass die Beförderung der Beschäftigten zur Werkstatt und zurück untrennbar mit der Hauptleistung – der Betreuung und Förderung in der Werkstatt – verbunden ist. Die Fahrdienste sind nach Auffassung des Gerichts für die Teilhabe am Arbeitsleben oft unerlässlich und daher als Nebenleistungen zu den Betreuungsleistungen zu betrachten. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise und die Sicht des Durchschnittsverbrauchers sprechen dafür, dass die Beförderung keinen eigenen Zweck verfolgt, sondern lediglich die Inanspruchnahme der Hauptleistung ermöglicht.

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Auch die Tatsache, dass die Kosten für die Fahrdienste separat abgerechnet werden und ein gesonderter Vertrag mit dem Kostenträger besteht, ändert laut FG Münster nichts an der Einordnung als Nebenleistung. Die vertragliche und preisliche Trennung sei sozialrechtlich bedingt und spiegele nicht die wirtschaftliche Realität aus Sicht der Beschäftigten wider.

Keine getrennte umsatzsteuerliche Behandlung

Ein gesetzliches Aufteilungsgebot, das eine getrennte umsatzsteuerliche Behandlung von Haupt- und Nebenleistung erlauben würde, sieht das Gericht im einschlägigen § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. f UStG (a.F.) nicht. Die Vorschrift diene lediglich der Abgrenzung verschiedener Leistungsbereiche, nicht aber der Aufspaltung einheitlicher Leistungen innerhalb eines Bereichs.

Im Ergebnis sind die von der Werkstatt selbst organisierten Fahrdienste als steuerfreie Nebenleistungen zur Betreuung der Beschäftigten anzusehen. Entsprechend ist der Vorsteuerabzug aus den damit verbundenen Eingangsleistungen nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.

Rechtssicherheit für Träger von Behindertenwerkstätten: Fahrdienste sind umsatzsteuerfrei

Das Urteil des FG Münster schafft Rechtssicherheit für Behindertenwerkstattträger und ihre Fördervereine: Werden Fahrdienste im Rahmen der Betreuungspflichten einer Behindertenwerkstatt selbst organisiert und durchgeführt, sind diese als umsatzsteuerfreie Nebenleistungen, die das Schicksal ihrer Hauptleistung teilen, anzusehen. Ein Vorsteuerabzug aus den damit verbundenen Kosten ist jedoch ausgeschlossen. Die Entscheidung betont die Bedeutung der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung und der Sicht des Leistungsempfängers.

Für die Praxis empfiehlt sich eine sorgfältige Prüfung, ob die Beförderungsleistungen tatsächlich als integraler Bestandteil der Betreuungsleistungen erbracht werden. Die vertragliche und abrechnungstechnische Ausgestaltung sollte sich an den sozialrechtlichen Vorgaben orientieren, ohne die wirtschaftliche Einheit der Leistungen zu durchbrechen. Werkstätten, die Fahrdienste extern vergeben, sollten zudem prüfen, ob und wie sich diese Rechtsprechung auf ihre Gestaltung auswirkt.

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FG Münster, Urteil v. 13.03.2025, Az. 5 K 894/22 U

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Anna Danner

Anna Danner ist Steuerberaterin und seit April 2024 Teil des Teams bei WINHELLER in Frankfurt am Main. Sie widmet sich vor allem der steuerrechtlichen Beratung von Stiftungen und Nonprofit-Organisationen.

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