Die Landesstiftungsgesetze verpflichten dazu, das Stiftungsvermögen in seinem Bestand zu erhalten. Gleichzeitig ist es die Aufgabe des Stiftungsvorstandes, das Vermögen ertragsbringend zu investieren und zur Erfüllung des Stiftungszweckes einzusetzen. Beide Pflichten – Erhaltung einerseits, Einsatz und Vermehrung andererseits – sind nicht immer einfach in Einklang zueinander zu bringen. Mit der Frage, wann aus einer Investitionsentscheidung strafbare Untreue wird, hatte sich nun der BGH zu beschäftigen.
Angeklagt war der Vorstand einer Stiftung, welche eine umfangreiche Bibliothek unterhielt. Als vertretungsberechtigtes Organ schaffte der Vorstand verschiedene Sachwerte für deren Bestand an. In der Folge verminderte sich das Kapitalvermögen derart, dass die Befürchtung aufkam, die laufende Verwaltung der Stiftung könnte nicht mehr durch anfallende Zinserträge gedeckt werden. Die Vorinstanzen erkannten in den Investitionen einen Verstoß gegen die Vermögensbetreuungspflicht des Vorstandes.
Der BGH folgte dem nicht. Investitionsentscheidungen müssten, so der BGH, von Verantwortungsbewusstsein getragen, am Wohl der Stiftung orientiert und so informiert wie möglich getroffen werden. Rechtlich wird also nur eine verantwortungsvolle, informierte Entscheidung gefordert. Hiergegen würde beispielsweise eine Investition verstoßen, die nicht am Stiftungszweck ausgerichtet ist, aber auch eine solche, die tatsächlich zu einer ernstlichen Gefährdung des weiteren Betriebs der Stiftung führen würde. Da der Stiftung im entschiedenen Fall trotz des Ankaufs noch Barmittel verblieben, scheiterte eine Verurteilung bereits hieran.
Strafbare Untreue setzt außerdem den Eintritt eines Schadens voraus. Hierzu stellte der BGH fest, dass die landesrechtlichen Vermögenserhaltungsgebote nur die Erhaltung des Werts fordern, und nicht zur Erhaltung des Vermögens in seiner konkreten Zusammensetzung verpflichten. Kauft der Vorstand etwas grundsätzlich Gleichwertiges, wandelt er nur Barvermögen in einen Sachwert, das Vermögen wird im Ergebnis also nicht geschmälert. Die Grenze wäre erst überschritten, wenn durch den Ankauf die vorhandenen Barmittel derart geschmälert würden, dass für den weiteren Unterhalt der Stiftung beispielsweise ein teurer Kredit aufgenommen werden müsste.
Hinweis: Zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit einer Investitionsentscheidung wendet der BGH damit im Ergebnis die „Business Judgment Rule“ an. Entsprechend wird bereits seit längerem bei der Beurteilung der Leitungsentscheidungen von Vorständen von Aktiengesellschaften verfahren (vgl. § 93 Abs. 1 AktG). Eckpfeiler einer Entscheidung sind damit das wohlverstandene Beste der Organisation und ausreichende Information. (Nur) unter diesen Bedingungen getroffene sachgerechte Entscheidungen befreien von Haftung.
Das Urteil des BGH sollte Stiftungsvorstände gleichwohl wachrütteln. Häufig wähnen sich insbesondere ehrenamtlich tätige Stiftungsorgane irrigerweise in einem rechts- und haftungsfreien Raum. Die Tatsache, dass der BGH die gleichen Maßstäbe für Lenker von Unternehmen und von Stiftungen anlegt, beweist erneut, dass der Stiftungsvorstand heutzutage als Manager eines fremden Vermögens gefragt ist und als solcher behandelt wird – mit allen rechtlichen und im Einzelfall sogar strafrechtlichen Konsequenzen.
BGH, Urteil v. 24.06.2010, Az. 3 StR 90/10.