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Stiftungsaufsicht darf nicht alle Stiftungsunterlagen fordern

Die Stiftungsaufsicht hat die Aufgabe, die laufende Tätigkeit der Stiftungen zu überwachen. Dafür stehen ihr je nach Landesstiftungsgesetz verschiedene Mittel und Befugnisse zur Verfügung. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Saarlandes hat kürzlich eine wichtige Entscheidung zur Reichweite dieser Befugnisse gefällt – mit Bedeutung für Stiftungsbehörden in ganz Deutschland.

Mangelhafte Compliance einer Stiftung

In dem Fall ging es um eine Stiftung, die so gut wie alles falsch gemacht hat, was man falsch machen kann: Obwohl sie dazu verpflichtet war, der Stiftungsaufsicht innerhalb von sechs Monaten nach Jahresende eine Jahresrechnung vorzulegen, tat sie dies regelmäßig erst mehrere Jahre später nach zahlreichen Aufforderungen der Stiftungsaufsicht. Zudem waren die Jahresrechnungen inhaltlich teilweise widersprüchlich und Belege wurden trotz Aufforderung der Stiftungsaufsicht nicht vorgelegt. Außerdem beantragte die Stiftung bei der Behörde die Ausstellung einer Vertretungsbescheinigung, um eine Stiftungsimmobilie unter ihrem Marktwert verkaufen zu können. Aufgrund des geplanten Unterwertverkaufs forderte die Behörde mehrere Unterlagen zur Immobilie an, die die Stiftung ihr jedoch ebenfalls nur unvollständig vorlegte.

Stiftungsaufsicht greift ein

Aufgrund der zahlreichen Vorfälle ordnete die Stiftungsaufsicht die Herausgabe aller Stiftungsunterlagen zur Geschäftsführung, zur Verwaltung, zu den Vermögensangelegenheiten und zur Zweckverwirklichung der Stiftung im Original seit 2007 (!) innerhalb einer kurzen Frist von drei Wochen an. Als Grund führte sie an, dass die Stiftung mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen die gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorlage- und Mitwirkungspflichten sowie gegen Vermögenserhaltungs- und Mittelverwendungsvorgaben verstoßen habe. Es sei daher eine intensive Prüfung aller Stiftungsunterlagen nötig, um das Vermögen der Stiftung zu schützen.

Herausgabe aller Stiftungsunterlagen ist unverhältnismäßig

Der Fall landete schließlich vor dem OVG Saarland. Die dortigen Richter entschieden, dass die Herausgabe aller Stiftungsunterlagen seit 2007 unverhältnismäßig sei. Denn nach der einschlägigen Vorschrift im saarländischen Stiftungsgesetz dürfe sich die Aufsichtsbehörde nur über einzelne Angelegenheiten der Stiftung unterrichten lassen. Daraus folgerte das Gericht, dass die Stiftungsaufsicht nicht alle Stiftungsunterlagen anfordern darf, sondern sich auf die Unterlagen beschränken muss, die sich auf konkrete Anlässe für ein rechtswidriges Verhalten der Stiftungsorgane beziehen. So könne die Behörde etwa Unterlagen zur Stiftungsimmobilie wie z.B. den Kaufvertrag oder Mietverträge anfordern, da der geplante Verkauf der Immobilie unter dem Marktwert einen konkreten Anlass für ein rechtswidriges Verhalten der Stiftungsorgane darstellen könnte.

Ferner stünden der Behörde auch mildere Mittel zur Verfügung, um das Vermögen der Stiftung zu schützen: So könne sie etwa die Erteilung einer Vertretungsbescheinigung verweigern, damit die Stiftung die Immobilie nicht unter ihrem Marktwert verkaufen kann.

Wir helfen bei der Einführung von Compliance-Strukturen

Wir halten die Entscheidung des Gerichts für richtig. Das saarländische Stiftungsgesetz ist an dieser Stelle eindeutig und erlaubt nur die Herausgabe von Unterlagen zu einzelnen Angelegenheiten.

Das OVG Saarland traf die Entscheidung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes, da die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hatte. Es steht daher noch eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren aus. Dennoch verdeutlicht die Entscheidung, dass Stiftungen nicht jede Anordnung der Stiftungsaufsicht hinnehmen müssen und sich erfolgreich dagegen vor Gericht zur Wehr setzen können. Außerdem zeigt sie, wie wichtig es ist, dass Stiftungen im Rahmen von Recht und Gesetz agieren, wenn sie keinen Ärger mit der Stiftungsaufsicht provozieren möchten.

Das Thema „Compliance“ wird so oder so in Zukunft für Stiftungen an Bedeutung gewinnen – nicht zuletzt aufgrund der geplanten Einführung eines Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung: Wenn Stiftungen künftig keine Vertretungsbescheinigungen mehr bei ihrer Stiftungsaufsicht beantragen müssen, werden die Aufsichtsbehörden umso genauer hinschauen müssen, ob sich ihre Stiftungen an die gesetzlichen Vorschriften halten. Auf Wunsch unterstützen Sie unsere Compliance-Experten gerne dabei, effektive Compliance-Strukturen einzuführen.

OVG Saarland, Beschluss vom 15.01.2021 – 2 B 365/20

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Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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